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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

er verschwunden war, sich ins Zimmer zurück wandte. Georg bemerkte, daß sie dort einen Augenblick stehen blieb, die Hand vor die Augen gedrückt.

„Das weiß Gott! in einem Bade ist der Teufel schon am frühen Morgen los,“ brummte Georg.

Dann tauchte vor seinen Augen wieder die Mädchengestalt auf, welche nun seit zwei Tagen ihn unaufhörlich umgaukelte, mit den klaren Augen, der sammetartigen bräunlichen Haut, dem sanften stillen Mund. Er stellte sich vor, wie sie in einem weißen Häubchen aussehen müßte; denn solche extravagante Frisuren, wie die Coeur-Dame da drüben trug, waren ihm ganz zuwider. Endlich zeigten die belebtere Promenade und die beginnende Morgenmusik an, daß die Zeit gekommen war, zu der er die Blachrieth’sche Familie der Verabredung gemäß im Kurgarten erwarten durfte.

(Fortsetzung folgt.)




Von klingender Münze und ihrem Werthe.

Offener Brief an eine Wißbegierige.
Von0 C. Falkenhorst.

 Verehrte Frau!

Wie war ich erstaunt, als ich vor Kurzem aus Ihrem Munde die höfliche Bitte vernahm, Sie über eine der brennendsten volkswirtschaftlichen Fragen zu belehren, Sie vertrauter zu machen mit einem Gebiete, auf welchem in der Regel nur der Geist kühl rechnender Männer Befriedigung findet und das wie die Hölle gemieden wird von allen schönen Seelen und solchen, die sich für schöngeistig halten! Anfangs zögerte ich, Ihrem Wunsche Folge zu leisten; denn ich fürchtete das Schlimmste zu begehen, was einem Schriftsteller begegnen kann, ich fürchtete langweilig zu werden und Ihren Wissensdurst mit Enttäuschung zu stillen. Ihren wiederholten Bitten mußte ich mich jedoch fügen; ich unternehme das kühne Wagniß und will versuchen, so gut ich es kann, mit Ihnen zu plaudern über einen Gegenstand, der Ihnen seit jeher als der Inbegriff alles Reichthums erschien und der heute wie vor Jahrhunderten und Jahrtausenden eine der brennendsten Fragen der gesammten Kulturwelt bildet.

„Zur Zeit, als noch Saturn und Janus auf Erden herrschten, wurden die ersten Münzen in Umlauf gebracht.“ So erzählten sich die alten Römer und deuteten dadurch an, daß der Ursprung des Geldwesens in Zeiten zu suchen sei, in welche die geschichtliche Ueberlieferung nicht mehr zurückreicht. Wie uralt uns somit das aus Edelmetallen geprägte Geld erscheinen muß, so finden wir doch bei einiger Betrachtung, daß dasselbe erst einer höheren Kulturstufe der Menschheit angehört, jenen Zeiten, in denen die Verhüttung der Erze und die Bearbeitung der Metalle dem Menschen geläufig waren. Gab es in den früheren Jahrtausenden, welche jener Epoche vorangingen, kein Geld? Ohne Bedenken kann man diese Frage bestimmt beantworten, denn noch heute giebt es Völker, denen die Bearbeitung der Metalle durchaus fremd ist und die über ihre eigenartigen Geldsorten verfügen. Noch heute bilden auf den Karolinen, die durch den Streit Deutschlands mit Spanien und den Richterspruch des Papstes so berühmt geworden sind, große runde Steine das landesübliche Geld, welches, was die Schwere anbelangt, getrost mit den eisernen Münzen Spartas wetteifern könnte. Die Südsee ist außerdem die Heimath einer anderen Geldsorte, welche früher über drei Erdtheile verbreitet war und noch heute an vielen Orten sich in Umlauf befindet. An den Küsten der Malediven, Philippinen etc. lebt eine niedliche Porcellanschnecke, die Kaurimuschel. In uralter Zeit wurde sie von dort nach China, Birma, Siam und Indien verschifft, wo sie als Geld verwendet wurde, und selbst in unseren Tagen dient sie denselben Zwecken nicht allein bei vielen Stämmen der Südsee-Insulaner, sondern auch bei den Negern Afrikas.

Sie möchten gewiß neugierig fragen, welchen Werth dieses Geld besitze? Sein Kurs ist schwankend, je nach der Menge, in der es nach einem Lande gebracht wird. Es gab Zeiten, da in Afrika um 10 Kauristücke eine Kuh gekauft werden konnte; jetzt beträgt der Werth einer Hand voll dieser Muscheln (8 bis 10 Stück) nicht mehr als einen Pfennig. Ich mache Sie ganz besonders auf diesen Umstand aufmerksam, denn er ist als ein leicht verständliches Beispiel sehr lehrreich für die Beurtheilung unserer verwinkelteren Geldverhältnisse.

Ich könnte die Reihe dieser Beispiele fast ins Unendliche ausdehnen, denn alles Mögliche haben die Menschen im Laufe der Zeit als Geld benutzt: Kakaobohnen und getrocknete Fische, Eier und Salz, Ziegelthee und Datteln, Käse und Tabak, Biberfelle und Kattunstreifen, bunte Glaskorallen und Vogelfedern, Flintenkugeln und Wurfspieße! In einigen Sprachen verräth noch heute das Wort „Geld“ die alten längst vergessenen Zahlungsmethoden: „Kung“ hieß es im Altrussischen und war gleichlautend mit Marder, „Raha“ im Esthnischen, was Pelzwerk bedeutu, und das römische Wort pecunia stammt von pecus, das Vieh.

Betrachten wir aufmerksam alle diese verschiedenen Geldsorten, so finden wir jedoch, daß bei ihrer Auswahl vor Allem das Bestreben maßgebend war, Dinge, die sich leicht aufbewahren und leicht transportiren ließen, als Geld zu verwenden. Darum hat auch die Kaurimuschel, welche diese Eigenschaften besitzt, sich unter allen den genannten Zahlungsmitteln das größte Verbreitungsgebiet erobert.

Aber selbst ihre Vorzüge mußten vor den Eigenschaften der Edelmetalle zurücktreten, die weder der Rost zerfraß noch das Feuer vernichtete, deren Gewinnung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden war, deren Fundorte nur in bevorzugten Landstrichen lagen. Das Geld aus Edelmetallen hatte aber anfangs keineswegs die Gestalt der Münzen angenommen; in frühesten Zeiten wurden Barren von Silber und Gold, deren Werth nach dem Gewicht bestimmt wurde, in Zahlung gegeben. Es sollen zwar in China schon 2000 Jahre v. Chr. metallische Münzen existirt haben, aber wir wissen nicht einmal, aus welchem Metall sie geprägt oder gegossen wurden. Verbürgte historische Nachrichten über das Geld in der Form, wie es heute cirkulirt, stammen aus verhältnißmäßig späten Perioden.

Gold und Silber werden jedoch nicht allein zur Prägung von Münzen verwandt; sie funkeln als Ringe an unsern Händen, schmücken als kostbare Geräthe unsere Tafeln und sind darum auch einfache Waaren, deren Wert nicht beständig bleibt, sondern Preisschwankungen ausgesetzt ist. Die aus diesen Waaren geprägten Münzen müssen die Schwankungen mitmachen, müssen naturgemäß im Preise steigen und fallen.

Die fürsorgenden Regierungen aller Zeiten und aller Länder hatten darum versucht, in diesen ewigen Wechsel eine Beständigkeit einzuführen, und schufen Münzwährungen, bestimmten genau, wie viel Münzen aus einem Pfund Gold oder Silber geprägt werden sollten. Mit Recht nahmen sie die Interessen des Handels wahr und erließen Gesetze, welche Münzen aus bestimmten Metallen als obligatorische Zahlungsmittel festsetzten.

Die Natürlichkeit dieser Maßregel brauche ich Ihnen nicht zu erklären. Oder soll ich auf Sie das alte Beispiel anwenden und Sie fragen, ob es Ihnen gleichgültig wäre, mit welcher Metallmünze man Sie bezahlte? Für das Haus neben Ihrer Villa, das geschäftlichen Zwecken dient, beziehen Sie, wenn ich nicht irre, eine Jahresmiethe von 5000 Mark. Was für Augen würden Sie, verehrte Frau, machen, wenn Ihnen der Abmiether eines Tages diese Summe in lauter Nickelstücken oder gar kupfernen Pfennigen begleichen wollte! Fühlten Sie sich da nicht in Ihren Interessen auf das Empfindlichste geschädigt?

Sie sehen also, es ist eine weise und nützliche Verfügung, daß größere Zahlungen nur in werthvollen Metallen angenommen zu werden brauchen. Sie rief die verschiedenen Währungsarten ins Leben, unter denen für unser Thema drei von besonderer Wichtigkeit sind:

Die Silberwährung, bei welcher nur Silber als Kourantgeld fungirt, bei welcher also der Gläubiger gezwungen ist, die Begleichung seiner Forderung vom Schuldner nur in Silbermünzen anzunehmen;

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_263.jpg&oldid=- (Version vom 21.12.2022)