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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

der alten Frau und wußte, ich sei krank gewesen, lange krank und fand es so grenzenlos unnöthig, daß ich wieder gesund wurde. Und dann kam der Doktor.

„Na, das schaut ja schon mit ganz anderen Augen in die Welt,“ sagte er freundlich. „Nun hübsch etwas essen und folgsam sein und keine dummen Gedanken sich machen, da geht’s mit Riesenschritten in die Gesundheit hinein. Und das Fräulein wird sich später hüten, im December unter der Linde auf der Steinbank zu sitzen, als wäre es im Mai – nicht wahr?“ – Der kleine Mann drückte mir die Hand und ging ins Nebenzimmer.

„Du kannst reisen, Fritz,“ hörte ich ihn sagen; „es ist Alles vorzüglich.“

Gott sei Dank – er reist! Und bis er wiederkehrte, würde ich gesund sein, so gesund, um meinen Weg allein zu finden, weit – weit draußen in der Welt. Ich schlief wieder ein, schlief sehr lange und erwachte von flüsternden Stimmen; ich hatte das Gefühl, als küßte Jemand meine Hand. Im Zimmer tiefe Dämmerung, nur das Nachtlicht warf einen großen hellen Kreis an die Decke; ich wußte nicht, war es Abend oder Morgen?

„Gott behüte Dich, mein lieber Junge!“ hörte ich Frau Roden sagen; mir war es, als gleite eben seine Hünengestalt aus dem Zimmer, gefolgt von der kleinen Mutter; dann Pferdegetrappel und Wagenrollen vor den Fenstern.

Fritz Roden verließ das Haus, er hatte Abschied von mir genommen! Ich legte meine Wange auf die Hand, die er geküßt, und weinte. Nun waren wir getrennt, auf immer!

(Schluß folgt.)

Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit.

Der Erfinder des Telephons. Eine Zeit lang hielt man nicht nur jenseit des Oceans, sondern zum Theil auch in Deutschland den Bostoner Professor A. G. Bell für den Erfinder des Telephons, das in wenigen Jahren in förmlichem Siegeszug sich alle Welttheile eroberte.

Das Telephon von Philipp Reis.
Nach einem Holzschnitt aus dem Jahrgang 1863 der „Gartenlaube“.

In Deutschland hätte indeß Niemand daran zweifeln sollen, wer der eigentliche Erfinder des Telephons gewesen; hat doch die „Gartenlaube“ schon im Jahrgang 1863 Nr. 51 die nebenstehende Abbildung des ersten Telephons und einen erläuternden Artikel „Der Musiktelegraph“ ihren Lesern diesseit und jenseit des Oceans gebracht. Nachdem in der Einleitung desselben das Princip erklärt wurde, nach welchem man mit Zuhilfenahme des elektrischen Stromes „nicht nur einzelne Melodien, sondern ganze Orchester-Aufführungen, ja auch Reden“ nach entlegensten Orten übertragen könne, hieß es ferner: „Die Möglichkeit der Lösung dieser Aufgabe hat ein Herr Reis zuerst durch Experimente nachgewiesen. Es ist ihm gelungen, einen Apparat zu konstruiren, welchem er den Namen Telephon giebt und mittels dessen man im Stande ist, Töne mit Hilfe der Elektricität in jeder beliebigen Entfernung zu reproduciren. Nachdem er schon im Oktober 1861 mit einem ganz einfachen, kunstlosen Apparate in Frankfurt am Main vor einer zahlreichen Zuhörerschaft einen mit ziemlichem Erfolg gekrönten Versuch angestellt, legte er am 4. Juli d. J. ebendaselbst in der Sitzung des physikalischen Vereins seinen seitdem wesentlich verbesserten Apparat vor, der bei verschlossenen Fenstern und Thüren mäßig laut gesungene Melodien in einer Entfernung von cirka 300 Fuß deutlich hörbar übertrug.“ Hierauf folgt eine ausführliche Beschreibung des Apparates, welcher allerdings die Vorzüge des heutigen Telephons noch nicht besaß, und zum Schluß die Bemerkung, daß der Mechaniker Wilhelm Albert in Frankfurt am Main das Instrument zu einem billigen Preise etwaigen Liebhabern überlasse.

Somit war das Telephon von Philipp Reis sogar im Handel zu beziehen, es blieb aber unbeachtet und wurde sogar vergessen, bis ein praktischer Amerikaner, A. G. Bell, es „zum zweiten Male“ erfand. Demselben wurde in letzter Zeit das von ihm in Anspruch genommene Erfinderrecht auch in Amerika streitig gemacht. Hervorheben möchten wir noch, daß der oben erwähnte Artikel der „Gartenlaube“ von der Tagespresse als wichtiges Beweisstück gegen Bell angeführt wird, indem man mit Recht betont, daß eine Erfindung, die durch ein so weit verbreitetes Blatt veröffentlicht wurde, unmöglich den Charakter eines für einen kleineren Bekanntenkreis bestimmten Experimentes tragen könne. *     

Das Lick-Observatorium auf dem Hamilton-Berge in Kalifornien. Das ferne Kalifornien wird demnächst den Ruhm haben, das größte und mächtigste Fernrohr der Welt zu besitzen, und zwar gleichzeitig mit einer Sternwarte, welche die besteingerichtete und bestgelegene auf dem ganzen Erdballe ist. Alles dies auf Kosten eines einzigen Mannes, des inzwischen verstorbenen James Lick, der für die Errichtung dieser Sternwarte die ungeheure Summe von 700000 Dollars, also fast 3 Millionen Mark spendete. Lick war von Herkunft ein Deutscher, da er 1796 in Pennsylvanien von deutschen Eltern geboren wurde. Als armer Junge kam er nach Philadelphia zu einem Klaviermacher in die Lehre. Das Glück war ihm hier jedoch nicht günstig, er wandte sich deßhalb nach Buenos Ayres, wo es ihm durch Fleiß und Tüchtigkeit gelang, im Laufe vieler Jahre etwa 45000 Dollars zu erwerben. Mit dieser Summe zog er 1847 nach Kalifornien, kaufte sich auf dem Grund und Boden der heutigen Stadt San-Francisko an und wurde durch die riesenhafte Entwickelung der letzteren und das ungeheure Steigen der Bodenpreise rasch zu einem der reichsten Leute am Pacific. Sein Interesse für die Sternkunde datirt von vielen Jahren her, und er wußte sehr genau, daß es für die Weiterentwickelung dieser Wissenschaft wichtig sei, eine Sternwarte auf hohem Berge zu besitzen, wo die Luft so ruhig und klar ist, daß die größten Fernrohre ihre volle optische Kraft bewähren können. Es dauerte lange, ehe man einen solchen Berg, der dazu von menschlichen Ansiedlungen nicht allzuweit entfernt lag, auffand. Zuletzt entschied man sich für den Mount Hamilton, 4500 Fuß hoch, 50 englische Meilen südöstlich von San-Francisko gelegen und 13 Meilen von San José. Die Luft ist hier ebenso klar und durchsichtig wie in der benachbarten Sierra Nevada, wo einst Professor Davidson ein im Sonnenlicht blinkendes Spiegelchen von 5 Zoll Durchmesser aus einer Entfernung von 175 englischen Meilen mit bloßem Auge zu sehen vermochte. Nachdem der Berg zur Errichtung der Sternwarte gefunden war, handelte es sich um Beschaffung eines großen Fernrohrs, nach der Bestimmung von Lick des größten Refraktors, der überhaupt hergestellt werden könne. Es zeigte sich bald, daß der Platz für das Observatorium und selbst das Geld dafür leichter beschafft waren, als das Fernrohr, ja als die Rohglasscheiben dazu. Nach sehr langen Bemühungen gelang es endlich, zwei geeignete Glasscheiben von 38 Zoll Durchmesser herzustellen, und der berühmte Optiker Alvan Clark in Cambridgeport erklärte sie für tauglich, um daraus ein Objectiv zu schneiden und zu schleifen, lehnte jedoch im Voraus eine Verantwortung für das Gelingen der Arbeit ab. Den neuesten Nachrichten zufolge ist jedoch das Unternehmen völlig gelungen, und die Sternwarte auf Mount Hamilton wird demnächst in den Besitz eines Riesenrefraktors von 3 Fuß Durchmesser der Linse und 50 Fuß Länge treten. Dieses Instrument, dessen Gesammtkosten sich auf etwa eine halbe Million Mark berechnen, wird nun das mächtigste Sehwerkzeug sein, welches jemals aus Menschenhand hervorging. Niemand vermag vorauszusagen, welche neue Entdeckungen damit in der reinen Luft jener Höhen, auf denen es Platz findet, gemacht werden. Nur so viel weiß man, daß an der Stelle, wo es aufgerichtet wird, kleinere Instrumente so starke Vergrößerungen anzuwenden erlauben, wie nirgendwo an andern Orten.

Nach David Todd’s Meinung ist es wahrscheinlich, daß jenes neue Riesenteleskop in besonders günstigen Nächten die Anwendung einer 3500-fachen Vergrößerung gestatten wird. Diese übertrifft so sehr alle bis jetzt gebräuchlichen, daß man sich von ihrer Wirkung keine rechte Vorstellung machen kann. Die nächste Frage ist immer: Wie wird sich bei einer solchen Vergrößerung der Mond darstellen? Was wird man dann auf dessen Oberfläche sehen? Todd sagt, daß der Mond, der sich nahezu 50000 Meilen von uns entfernt befindet, durch dieses Fernrohr bei jener Vergrößerung bis auf 20 Meilen unserm Gesichtskreise nahe gerückt werde. Wenn man einen Punkt seiner Oberfläche, der gut von der Sonne beleuchtet wird, betrachtet, so wird man alsdann genügend deutlich Objekte derselben erkennen können, welche unsere größten irdischen Gebäude nicht an Ausdehnung übertreffen. Diese Erwartungen sind durchaus nicht zu groß, denn mit schon viel kleineren Instrumenten kann man bei sonst günstigen Umständen Gegenstände auf der Mondoberfläche wenigstens als schwirrende Pünktchen erkennen, die 500 Fuß Durchmesser haben. Man mag hiernach ermessen, was nach dieser Richtung hin noch zu hoffen ist. Nur muß man nicht wähnen, der Beobachter brauche bloß sein Auge ans Fernrohr zu bringen, um dann ohne weiteres Großartiges zu entdecken, vielmehr gilt auch hier der Satz: „Ohne Fleiß und Schweiß kein Preis!“ K. 


Blätter und Blüthen.

Vermißten-Liste. (Fortsetzung aus der 1. Beilage zu Nr. 5.)[WS 1]

46) Der Klempnergeselle Otto Ludwig Behr, geb. 27. August 1859 zu Altenberg in Sachsen, sandte die letzte Nachricht aus Kopenhagen 5. April 1883 und ist seitdem spurlos verschollen. Die tiefbetrübte alte Mutter bittet dringend um irgend eine Nachricht über ihren Sohn.

47) Der zu Windhausen in Braunschweig am 23. Oktober 1848 geborene Theodor August Armbrecht ist als Schiffsmann am 18. März 1868 auf dem britischen Schiffe „Willy of Salcombe“ zu Hamburg angemustert und bereits am 4. August desselben Jahres in London abgemustert. Seitdem fehlt jede Nachricht über ihn.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Zum Anschluss an „Vermißte (Die Gartenlaube 1885)“ müsste diese „1. Beilage zu Nr. 5.“ die lfd. Nummern 15 bis 45 umfassen. Sie liegt aber nicht vor.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_254.jpg&oldid=- (Version vom 24.2.2024)