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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

heilige Antonius sei, den sie da in Händen hält. Das Summen auf ihrer Lippe verstummt, und ein heiteres Lächeln zieht über ihr bildhübsches Gesicht.

Der heilige Antonius! Man muß wissen, was er in Tirol bedeutet. Von den Grenzen Graubündens bis dahin, wo der Großglockner in die Thäler Kärnthens schaut, gilt der heilige Antonius als besonderer Schutzpatron der Heirathslustigen, als gnadenspendender Ehevermittler. Was ihm zu diesem fröhlichen Gnadenamt verholfen hat, ist unbekannt. Die Burgel frägt auch nicht darnach. Sie weiß nichts davon, daß es mehrere Heilige dieses Namens gab, und daß derjenige, der da vor ihr abgebildet ist, als Franziskanermönch zu Padua in jungen Jahren starb. Wenn sie ihren Pfarrer fragen wollte, könnte sie vielleicht noch manches erfahren, sie könnte erfahren, wie der begeisterte Mönch zu Rimini den Fischen predigte, daß sie entzückt die Köpfe aus dem Wasser steckten, und viele andere Legenden, mit welchen das Mittelalter die Person des gefeierten Franziskanermönchs umgeben hat. Außerdem ist derselbe besonderer Schutzpatron für verlorene Sachen.

Von all dem weiß die Burgel nichts. Sie weiß nur das Eine, daß man in Tirol zum heiligen Antonius betet, wenn man gern heirathen möchte. Und wenn man verheirathet ist und es fehlt noch irgend Etwas, oder eine Gefahr droht: dann hilft auch wieder der heilige Antonius! Weil er selbst niemals verheirathet war und das Glück der Liebe nicht kannte, ist es ihm vergönnt, jetzt noch, Jahrhunderte nach seinem Ende, Beschützer der Liebenden zu sein. Sind es Erinnerungen aus uralter Heidenzeit, welche im Volke fortleben und, weil es keinen Gott Hymen oder Freyr mehr giebt, an die jugendliche Gestalt des Franziskanermönchs anknüpfen?

Auch darum kümmert sich die Burgel nicht. Sie hält sich nur an die glückverheißende Thatsache, daß sie das Bild des segenspendenden Heiligen in den Händen hat. Und das ist wichtig genug für sie.

Denn – um eine kleine Indiskretion zu begehen – die Burgel gehört auch zu den Heirathslustigen. Sie weiß auch halb und halb schon wem ungefähr der heilige Antonius seine besondere Sorgfalt zuwenden sollte, wenn er möchte. Draußen im sonnigen Unterinnthal, in der Laube des Postwirthshauses sitzt er einsam, der junge Forstwart, trinkt seinen rothen Terlaner und weiß nicht recht, weßhalb der Wein nicht mehr so gut ist, als dazumal, wie ihn die lustige Burgel noch kredenzte. Ihm hatte sie den Wein auch immer mit besonderem Wohlgefallen kredenzt. Und gerade das war der alten Base, welche an der Burgel Mutterstelle vertrat, nicht recht gewesen; gerade darum war das Mädchen aus dem fröhlichen Unterinnthal fortgeschickt und in die finstre Eisackschlucht verbannt worden. Die alte Base, sonst eine gute, fromme und wohlhabende Person, mochte wohl irgend einen besonderen Grund zu dieser Hartherzigkeit gehabt haben, irgend einen alten Familiengroll gegen den Vater des Forstwarts. Wenigstens hatte man der Burgel im Postwirthshause Aehnliches erzählt, als sie weinend dort Abschied genommen hatte, um ins Eisackthal zu dem alten Pfarrer zu reisen. Damals hatte ihr die gutherzige Postmeisterin gesagt: „Burgel, bet’ halt zum heiligen Antoni! Schau’, ich hab’ mein’ Postmeister auch von ihm kriegt; er wird wohl auch ein’ Forstwart für Dich z’wegen bringen!“

Das hatte dem armen weinenden Mädchen unsäglich wohl gethan, daran erinnert sie sich jetzt, da sie das Bild des Heiligen in Händen hält; und darum fliegt über ihr Gesicht jenes sonnige Lächeln, sonnig wie ihre Heimath ist draußen am Innstrom, und durch ihre Erinnerung klingt es, als sänge Jemand mit ihr zusammen wieder:
 „Zillerthal, Du bist mein’ Freud’!“

Ob er wohl helfen wird, der heilige Antonius?

Max Haushofer.     

Blätter und Blüthen.


Ein allgemeiner deutscher Sprachverein. Zur Bildung eines solchen Vereins haben sich Sprachforscher, Dichter und Schriftsteller sowie mehrere höhere Beamte vereinigt: wir nennen nur Bodenstedt, Hamerling, Scherenberg, Daniel Sanders und Professor Riegel in Braunschweig, von welchem letzteren die erste Anregung dazu ausgegangen ist. Dieser Ausschuß hat Satzungen veröffentlicht, denen zufolge der Zweck des Vereins darin besteht, die Reinigung der deutschen Sprache von unnöthigen fremden Bestandtheilen zu fördern, die Erhaltung und Wiederherstellung des echten Geistes und eigenthümlichen Wesens der deutschen Sprache zu pflegen und auf diese Weise das allgemeine nationale Bewußtsein im Volke zu kräftigen. Jedes Mitglied des Vereins soll dahin streben, daß seine eigene Sprache im mündlichen und schriftlichen Gebrauche sich möglichst reinige. Der Verein soll außerdem eine Zeitschrift herausgeben, die vorzugsweise, wenngleich auf wissenschaftlicher Grundlage ruhend, dem wirklichen Bedürfniß dient, und daneben auf die sprachlichen Kundgebungen in allen Gebieten des öffentlichen Lebens einzuwirken suchen, indem er eine vollständige Ueberwachung der Sprache ausübt und das Tadelnswerthe in der Zeitschrift kennzeichnet. Neben diesem Rügegericht soll auch den Schriftstellern, deren Werke durch Reinheit und Adel der Sprache besonders hervorragen, sowie anderen Persönlichkeiten, welche sich durch bedeutende Leistungen im Sinne der Vereinszwecke verdient gemacht haben, eine angemessene öffentliche Auszeichnung seitens des Vereins zu Theil werden.

Die Pflege der deutschen Sprache ist gewiß eine würdige Aufgabe für ein ernstes und eifriges Streben; wir fürchten nur, daß in Bezug auf die Reinigung von Fremdwörtern ebensowenig die Geister unter Einen Hut zu bringen sind, wie das mit Bezug auf die Rechtschreibung, selbst trotz des Einschreitens der staatlichen Autorität, der Fall ist. Daß übrigens Daniel Sanders sich unter den Ausschußmitgliedern und Vereinsgründern befindet, bürgt uns für ein maßvolles Auftreten, da dieser Gelehrte in seinem „Deutschen Sprachschatze“ den Fremdwörtern in recht ausgiebiger Zahl ein Asyl gesichert hat. G.      


Goethe’s „Faust“ in London. Wie der als Darsteller und zugleich als Direktor und Regisseur rühmlichst bekannte Inhaber des Lyceum-Theaters in London, Mr. Henry Irving, viel dazu beigetragen, dem im eigenen Vaterlande so schmählich vernachlässigten Shakespeare wieder zu Ehren zu verhelfen, so hat er nun auch Goethe’s „Faust“ in einer Weise auf die Bühne gebracht, die ihm als ein großes Verdienst anzurechnen ist. Die englische Bearbeitung ist von Mr. Wills, der allerdings an einzelnen Stellen sich unterfangen, an Meister Goethe meistern zu wollen. So machte er der Prüderie der British matron das Zugeständniß, daß er, wie die Dinge anfangen einen unliebsamen Verlauf zu nehmen, Faust die Absicht kundthun läßt, die Margarete als Ehefrau heimzuführen, ein an sich gar löbliches Vorhaben, das aber bei einem Manne wie Faust um so peinlicher wirkt, als er im nächsten Augenblick auf einen tüchtigen Verweis des Mephistopheles hin feige genug ist, dasselbe wieder aufzugeben. Auf einstimmiges Verlangen der Kritik wurde denn auch dieses Einschiebsel nach den ersten Aufführungen sofort gestrichen. Im Uebrigen aber sind die Aenderungen nur unwesentlicher Art, und der Erfolg des Stückes ist ein außerordentlicher. Besonders ausgezeichnet sind die Darstellungen Mr. Irving’s als Mephistopheles und Miß Ellen Terry’s als Margarete, denen gegenüber aber der Mr. Conway sowohl wie sein Nachfolger Mr. Alexander als Faust leider ganz erheblich abfallen. Ganz unübertroffen steht die Ausstattung des Stückes da, wie denn in dieser Beziehung das Lyceum vielen deutschen Bühnen längst erheblich voraus ist. Seit zwei Monaten wird das Stück bereits jeden Abend gespielt, aber „Faust“ zu sehen ist dermaßen „fashion“ geworden, daß das ganze Theater noch immer auf Wochen im voraus so gut wie ausverkauft ist, und daher die Vorstellungen dem unternehmenden Impresario neben dem Ruhm auch ein erkleckliches Sümmchen goldener Pfunde einbringen dürften. Wilh. F. Brand.      


Winter-Ausflüge. Die im Januar begründete Sektion Wienerwald des Oesterreichischen Touristenklub in Wien hat, trotz ihres kurzen Bestehens, bereits eine Neuerung eingeführt, die auch anderwärts nachgeahmt zu werden verdient: sie hat Gesammt-Ausflüge während der Wintersaison in ihr Programm aufgenommen, welche den Wienern ihren Wienerwald und die prächtigen Landschaftsbilder desselben nunmehr von einer ganz ungekannten Seite zeigen. Nicht nur der kaum geahnte Reiz, den diese Partien in froststarrer schneeiger Zeit dem Auge bieten, spricht für dieselben, auch in hygienischer Hinsicht sind derartige Ausflüge an trockenen klaren Wintertagen von ganz besonderem Werthe. Sie wirken durch das Einathmen der sauerstoffreichen Luft der Gebirge, durch die nicht ermüdende Bewegung, durch den frischen Ton, der in der heiteren Touristen-Gesellschaft herrscht, ungemein anregend, ja belebend und halten wohl auch Tage lang in glücklichster Weise im Dunst und Getriebe der Großstadt nach. Der Bann, im Winter die freie Gottes-Natur, Wald und Gebirge, ängstlich zu meiden, ist sicherlich durch die neue Einführung gebrochen. Ernst Keiter.      


Schuhmacher und Entomologe. In der kleinen holsteinischen Stadt Segeberg, welche durch ihren berühmten Kalkberg und neuerdings durch ein heilkräftiges Solbad auch über die Grenzen Schleswig-Holsteins bekannt geworden ist, wohnt ein einfacher, nahezu achtzigjähriger Schuhmachermeister, Namens Honelach, welcher seit Jahrzehnten neben seinem Handwerk dem Sammeln und Studium der Käfer obliegt. Für die Zoologen dürfte es von Interesse sein, zu erfahren, daß Meister Honelach’s Sammlung bereits 2563 verschiedene Arten von Käfern zählt, worunter sich 1390 inländische und 1173 ausländische befinden. Erstere stammen natürlich größtentheils aus Holstein. Sämmtliche Exemplare sind sehr gut erhalten, richtig wissenschaftlich benannt und gruppirt, so daß die ganze Kollektion einem naturhistorischen Museum zur Zierde gereichen würde. Außer einer hervorragenden Kenntniß in den Art- und Gattungsmerkmalen, besitzt unser Schuhmachermeister eine für seinen Stand kaum glaubliche Kunde von den biologischen Verhältnissen der Käfer seiner heimathlichen Provinz, weshalb seine Beschäftigung mit Recht eine wissenschaftliche genannt werden darf. Entomologen fremder Länder, welche Auskunft über schleswig-holsteinische Käfer oder gar solche selbst zu erlangen wünschen, mögen sich nur an Meister Honelach in Segeberg wenden. Derselbe ist zu jeder Zeit bereit, ihnen Bescheid zu geben und ihnen gegen Eintausch fremder Exemplare die eigenen Doubletten zur Verfügung zu stellen. Dr. W. M.      


Kleiner Briefkasten.

(Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.)

B. in K. Die Bezeichnung Dammspiel ist nicht korrekt; da der Name des Spiels nicht von Damm (Wall, Verschanzung), sondern von dem früher in Spanien und Italien allgemein für das Wort Stein oder Stück gebräuchlichen Ausdrucke dama herstammt. Belehrung über die verschiedenen Arten des Damespiels finden Sie in dem trefflichen Werkchen „Das Damespiel nach älterer und neuerer Spielweise auf deutsche wie polnische Art“, von Heinz Credner, welches vor kurzem im Verlage Veit u. Co. in Leipzig erschienen ist


Inhalt: Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 185. – „Auch das noch!“ Illustration S. 185. – Eine Kindersymphonie. Von Oscar Justinus. S. 190. – Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers „Samoa“. II. Vom Mitrafelsen bis Finsch-Hafen. Für die „Gartenlaube“ mitgetheilt von Dr. O. Finsch (Bremen). S. 192. Mit Illustrationen S. 189, 192-194. – Die Andere. Von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 195. – Im Wachsfigurenkabinett von Grévin. Von Eugen von Jagow. S. 199. – Der Schutzpatron. Von Max Haushofer. S. 199. Mit Illustration. S. 197. – Blätter und Blüthen: Ein allgemeiner deutscher Sprachverein. – Goethe’s „Faust“ in London. Von Wilh. F. Brand. – Winter-Ausflüge. Von Ernst Keiter. – Schuhmacher und Entomologe. – Kleiner Briefkasten. S. 200.


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redakteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_200.jpg&oldid=- (Version vom 7.3.2023)