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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)


Hügelkette, unter etwa 7° südlicher Breite, und zwar deshalb, weil die Eingeborenen sich durch hohe kegelförmige Mützen auszeichnen, die in der That sehr an die Kopfbedeckungen der Parsen erinnern. Diese eigenthümlichen Mützen sind aus zum Theil rothgefärbter Tapa verfertigt, die in verschiedener Weise turbanartig um den Kopf gewunden wird; wir hatten diese Tracht übrigens schon beim Festungskap gesehen. – Am auffallendsten war aber der natürliche Hauptschmuck der Eingeborenen. Eine solche Fülle von Haar hatte ich bei Papuas vorher nie gesehen und gebe deßhalb die hervorragendste dieser sonderbaren Gestalten im Bilde (S. 192) wieder. Bei diesem freundlich aussehenden Manne hing das Haar in dicht verfilzten Strähnen, wie ungezupftes Roßhaar, zu beiden Seiten des Scheitels bis zur Brustmitte herab. Eine Probe dieses Haares mußte ich selbstredend besitzen und machte dies dem Besitzer durch Zeichen verständlich. Ich wollte ihm eben eine Schere reichen, aber er kam mir zuvor: ein Schnitt mit dem Steinbeil, und ich hatte das theure Andenken!

Scheinangriff Eingeborener von Finsch-Hafen.

Leider bot der von uns zuletzt befahrene Küstenstrich keinen einigermaßen gesicherten Ankerplatz. Und wir sehnten uns so lebhaft nach einem Plätzchen, wo wir wenigstens eine Nacht ruhig liegen konnten, und nach welchem wir schon seit zehn Tagen vergeblich suchten! Wie bei unseren bisherigen Küstenfahrten fingen wir bei Anbruch des Tages an dem Punkte an, wo wir den Abend zuvor aufgehört hatten, und ließen deßhalb das Schiff in der Nacht von der Küste abhaltend treiben. Es gehörte nun zu den besonderen nicht eben angenehmen Eigenschaften der kleinen „Samoa“, daß sie nicht still liegen konnte, sie war ein lebhaftes, nervöses Ding. Selbst die geringste Dünung brachte sie in Aufregung und machte sie schlingern, zuviel selbst für einen Seemann. Ich gehöre zwar zu den seefesten Menschen, aber die „Samoa“ machte es oft zu arg, namentlich in der Nacht, wenn Dampf abgelassen und die Schraube außer Thätigkeit war. Nach diesem zehntägigen Schaukelwalzer war der Wunsch nach einer Nachtruhe ein berechtigter; aber der Mensch wird bescheiden auf solchen Argonautenfahrten.

In dem Inselwerk etwas West von Kap Cretin hatten wir eine Oeffnung, wie der Seemann sagt, ein „Loch“, in der Küste bemerkt, die uns der Untersuchung werth erschien, aber erst nach vier Tagen gelang es uns, jene Stelle wieder zu erreichen, weil schlechtes Wetter und Strömungen uns so lange aufhielten.

Es war an einem Sonntage (23. November 1884), als ich mit dem Steuermann im großen Boot erwartungsvoll in die bewußte Bucht hineinruderte, welche sich zu unserer Freude als ein brauchbarer Hafen erwies, der später von der „Hyäne“ aufgenommen und von Kapitän Schering Finsch-Hafen benannt wurde.

Derselbe, unter 6° 33,5 südlicher Breite, besteht aus einem geräumigen Außenbassin, das mit Ausnahme von heftigen Nordwestwinden auch für große Schiffe Schutz bietet, und einem sich anschließenden Innenhafen, der für Schiffe von 9 Fuß Tiefgang bei jedem Wind gesichert ist. Da die nächsten Häfen, zu Ost: Adolph-Hafen, 70 Seemeilen, zu West: Friedrich Wilhelms-Hafen, 150 Seemeilen entfernt sind, so war die Entdeckung dieses Hafens ohne Zweifel ein glückliches Ereigniß.

Die Umgebung von Finsch-Hafen ist, wie erwähnt, eine sehr liebliche: sanft ansteigende Berge mit vielem freien Lande von parkartigem Charakter und gutem Boden, wie uns die Plantagen der Eingeborenen zeigten.

Die Letzteren waren uns schon in ihren großen Segelkanus außerhalb des Hafens entgegengekommen, um Tauschhandel zu treiben, drückten sich aber schleunigst, als wir ihnen im Boote folgten. Das im Dickicht versteckte Dorf Moru auf der gleichnamigen Halbinsel, welche unser Hauptbild darstellt, war daher verlassen, als ich dort landete. Panischer Schreck schien die Leute vertrieben zu haben. Hier stand noch ein Topf mit Essen auf dem Feuer, dort hatte Einer Steinbeile und anderes Geräth liegen gelassen, ja selbst die Lieblinge der Damen, zahme Schweinchen, waren in der Eile vergessen worden. Sie quiekten uns verwundert an, gestatteten aber, daß ich sie mit bunten Bändern schmückte, wie ich an verschiedenen Stellen Kleinigkeiten niederlegte, um die Eingeborenen von unseren friedlichen Absichten zu überzeugen. Der Erfolg blieb nicht aus: bald waren wir ein Herz und eine Seele; ob dies aber immer so bleiben wird, ist freilich eine andere Frage. Zunächst brachte schon die Ankunft der „Hyäne“ neue Aufregung hervor.

Häuptling mit Tapamütze von Finsch-Hafen.

Die Zeit war herangekommen, wo wir die Kriegsschiffe von Friedrich Wilhelms-Hafen erwarten durften. Auf einer Exkursion in den Bergen machten mich die Eingeborenen auf einen kleinen dunklen Punkt in See fern im West aufmerksam, ein Blick mit dem Glase überzeugte mich, daß es ein Dampfer, eins der Kriegsschiffe sei. Selbstredend dampften wir ihm sofort entgegen. Es war die „Hyäne“, deren Kommandant Kapitän-Lieutenant Langemack sich nicht wenig freute, einen Ankerplatz zu finden, nach welchem auch er sich vergeblich längs der Küste umgesehen hatte. Die „Elisabeth“ war nach Matupi zurückgekehrt, nachdem sie in Friedrich Wilhelms-Hafen die Reichsflagge gehißt hatte. Die gleiche Feierlichkeit wurde nun von der „Hyäne“ in Finsch-Hafen vorgenommen, wozu ich die Eingeborenen eingeladen hatte. Erregten die vielen Uniformirten auch einige Furcht bei ihnen, so ging doch Alles gut, bis das Kommando gegeben wurde, die Seitengewehre aufzupflanzen; wie mit einem Schlage waren die braunen Gestalten im Dickicht verschwunden, und nur mit vieler Mühe gelang es mir, einige beherzte Burschen wieder heranzuholen.

Uebrigens herrschte bald das beste Einvernehmen, und die Eingeborenen hatten wohl noch nie eine so ereignißvolle Zeit durchlebt. Mehr als Kanonen, Horngeschmetter und dergleichen nie gesehene und gehörte Dinge überraschte sie die Wirkung eiserner Geräthschaften. Die „Hyäne“ hatte nämlich keine Kohlen mehr und mußte so viel Holz fällen, um bis Matupi dampfen zu können. Fleißige Hände arbeiteten daher mit Axt und Säge, und jeder Waldriese, der mit gewaltigem Geräusch herunterprasselte, erregte die Bewunderung der Eingeborenen aufs Neue. In der That muß bei Ansicht solcher Werkzeuge und ihrer Wirksamkeit das Erstaunen von Menschen, die nur das Steinbeil kennen, ein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_194.jpg&oldid=- (Version vom 8.2.2024)