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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Neben den angeführten praktischen Zwecken käme schließlich auch noch in Betracht, daß von einem Mediciner, der wissenschaftlicher Beschäftigung nicht abgeneigt wäre, noch gar Manches erforscht werden könnte. Die tropische Pathologie liegt noch in den Windeln, und namentlich von Hautkrankheiten dürfte an der westafrikanischen Küste noch manches Neue zu entdecken sein.

Fassen wir unser Urtheil über das Vorgebrachte nochmal zusammen, so müssen wir sagen: Kamerun ist wirthschaftlich gut und leistungsfähig, vorausgesetzt, daß gründliche Reformen eingeleitet werden. Seine geographische Lage macht diesen innersten Winkel des Guinea-Golfes zu einem vorzüglichen Ausgangspunkt der Erschließung des Kontinents, der zweifellos bessere Bedingungen bietet als der Kongo. Der Hauptvorwurf, den man unserm neuen Besitzthum entgegenhalten kann, ist sein Klima. Aber auch das ist sicherlich der Verbesserung zugänglich, und zugleich ist die große Möglichkeit gegeben, in dem noch gar nicht vorhandenen Komfort des Lebens eine wirksame Schutzwehr gegen dasselbe zu schaffen.


Thierbilder aus dem Berliner Aquarium.

Wasserwarneidechse und Krustenechse.
Mit Illustrationen von G. Mützel.

Wasserwarneidechse.

Die Rinde unserer Mutter Erde erzählt von einer längst vergangenen Zeit, wo räthselhafte Ungeheuer, die Mitte zwischen Walfisch und Vogel, Krokodil und Schlange haltend, die „rauschenden Schachtelhalme“ belebten. Hier schwamm, wie Scheffel in dem petrefaktischen Lied seines „Gaudeamus“ berichtet, „mit Thränen im Auge ein Ichthyosaurus daher“, Plesiosaurus, der Alte, er jubelte in Saus und Braus, Pterodaktylus kam in einem bedenklich schwankenden Zustande nach Hause geflogen, während der Iguanodon angeklagt wird, am hellen Tage die Ichthyosaura geküßt zu haben. Diese vorsündfluthlichen Geschöpfe sind ausgestorben, indeß dürfen die heute noch lebenden Saurier als ziemlich nahe Verwandte derselben gelten. Zwei interessante und weniger bekannte Exemplare derselben leben gegenwärtig im Berliner Aquarium und verdienen, unsern Lesern vorgeführt zu werden.

Das erste, die „Warneidechse“[1] (Hydrosaurus salvator), durch den ausgeprägten Schlangenkopf charakteristisch, erreicht eine Länge von zwei Meter und zeigt auf der Oberseite in Reihen geordnete gelbe Flecke; längs der Weichen verläuft ein schwarzes Band, am Halse befindet sich ein gelblich-weißer Streifen. Obgleich die weit von einander stehenden spitzen Zähne kein Raubthiergebiß im naturwissenschaftlichen Sinne bilden, so zeigt die Warneidechse in ihren Lebensgewohnheiten alle Merkmale eines echten Räubers. In stark schlängelnder Bewegung holt sie mit Blitzesschnelle ihre Beute (kleine Säugethiere, Vögel, Frösche etc.) ein, klettert vermöge der scharf bekrallten, langen Zehen vorzüglich, schwimmt und taucht trotz mangelnder Schwimmhäute gewandt und ausdauernd.

Der Waran des Berliner Aquariums verschlingt in wenigen Minuten Dutzende lebender Frösche und Eidechsen und kommt erst zur Ruhe, wenn das letzte der sich in seinem Käfig bewegenden Wesen vertilgt ist. Für den Menschen hat das Reptil in seiner Heimath (Malayische Inseln, Sunda-Eilande, Philippinen, Molukken, Ceylon, Ostindien) wegen des wohlschmeckenden Fleisches und der nahrhaften Eier eine große Bedeutung.

Um die als Leckerbissen hochgeschätzte Eidechse zu erjagen, fällt der sonst träge Birmane einen Baum, in welchem sich der Saurier verborgen hält. Waraneier, deren Weiß beim Kochen nicht gerinnt, sind auf den Märkten hinterindischer Städte theurer und gesuchter als Hühnereier. Eine merkwürdige Rolle spielt der Waran bei Bereitung der Gifte, welche die Singhalesen leider noch häufig genug anwenden. Nachdem man mehrere Giftschlangen mit wundgemachten Köpfen am Schwanze aufgehängt, werden einige Warans in die Nähe des aus einem Menschenschädel bestehenden Hexenkessels mit dem Kopfe gegen das Feuer gesetzt, festgebunden und so lange gereizt, bis sie zischen, die Flamme anfachen und das Gift dadurch verstärken. Nichts desto weniger ist die Eidechse ein harmloses Thier, und ihre Mitwirkung bei dem Giftbräu (Kabartel), dessen Hauptbestandtheil Arsenik ist, eitel thierquälerische Komödie. Eine dem Hydrosaurus salvator sehr ähnliche Eidechse (Varanus niloticus) ist als Vertilger der Krolodileier auf den Denkmälern der alten Aegypter dargestellt. –

Die Krustenechse (Heloderma horridum) ist ein aus Südamerika (westlich der Cordilleren) stammender, in Deutschland selten gesehener Saurier; er beansprucht unser volles Interesse, da er die einzige giftige Eidechse ist. Das Reptil ist ein echtes Nachtthier, verbirgt sich bei Tage in Schlupfwinkeln und jagt seine Beute (Frösche, Kerfe etc.) bei eintretender Dunkelheit. Mit großer Geschicklichkeit leckt das Exemplar des Aquariums aus einer Schale den Inhalt einiger Hühnereier. Recht bemerkenswerth in mehrfacher Beziehung ist ein von dem Thier ausgehender widerlicher Geruch. Wegen ihrer angeblichen Schädlichkeit wird die Echse von den Eingebornen sehr gefürchtet und gemieden. Erst in neuester Zeit ist festgestellt worden, daß dieses Thier wirkliche Giftdrüsen besitzt. Nach Mitchell’s und Reichert’s Beobachtungen, die mit den Untersuchungen des Dr. Hermes im Berliner Aquarium übereinstimmen, ist „der Biß für den Menschen ungefährlich, das alkalisch reagirende Gift tödtet aber Frösche, Tauben und Kaninchen in wenigen Minuten. Es wirkt anders als Schlangengift, nämlich durch Lähmung der Herzthätigkeit.“ G. S.     

Krustenechse.



  1. Durch Verdrehung des arabischen Wortes Waran, d. h. Eidechse, ist das Thier zu dem Namen Warner (Salvator, Monitor) gekommen.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_110.jpg&oldid=- (Version vom 19.1.2024)