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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

den Monarchen in Person. Fast durchgehends erscheint er dann entweder mitten in der Nacht oder kurz nach begonnener Tagesarbeit an der Baustätte.

Bekannt ist, daß König Ludwig II. den Wechsel seines jeweiligen Aufenthaltsortes vorzugsweise in der Zeit zwischen den ersten Tagesstunden und dem Tagesanbruch bewirkt. Auch diese Nachtfahrten des Königs bildeten lange Zeit ein allgemeines Gesprächsthema und sind im Jahrg. 1882, S. 755 der „Gartenlaube“ gelegentlich des Besuchs Ludwig’s II. auf dem Schachen bei der Errichtung des Kreuzes auf der Zugspitze geschildert worden.

Ist der Schloßbau auf dem Falkenstein auf seiner gegenwärtigen Entwickelungsstufe noch Jedermann zugänglich, so ist dies bezüglich des Hubertuspavillons und des Linderhofes nicht der Fall. Der Hubertuspavillon liegt etwa drei Stunden südöstlich von Hohenschwangau am Fuße des Straußberges, da, wo der sogenannte Jägersteig von dem von Oberammergau und Greswang nach dem Städtchen Reute in Tirol führenden Vicinalweg abzweigt, unmittelbar neben der bayerisch-tirolischen Grenze. Eine Sennhütte befindet sich 50 Schritte davon. So sehr in die geheimste Tiefe des Waldes ist dieser Pavillon hineingeborgen, daß die ernsten, geheimnißvollen Fichten seine Kuppeln umfassen. Man bemerkt ihn nicht vom Wege aus, man bemerkt ihn nicht vom Jägersteige aus, man bemerkt ihn nicht, wenn man auf 20 Schritte Entfernung vor ihm steht. Auf der Suche nach diesem neuen Kleinode unter den Königsbauten im bayerischen Hochlande irrte ich wege- und rathlos im Walde. Da hallten Axtschläge durch das Tännicht, und dem Schalle folgend stand ich bald an der Baustelle. Allein mit einer geradezu verblüffenden Dienstbereitschaft geleitete mich im nächsten Augenblick einer der Arbeiter aus der Peripherie weg bis dicht an die erwähnte Sennhütte. Ich kehrte jedoch später zurück. Der Hubertuspavillon steht in Tirol, aber so unmittelbar an der deutsch-österreichischen Grenze, daß z. B. die Bauhütten sich auf deutschem Grund und Boden befinden.

Das nach seiner Ausdehnung sehr bescheidene Gebäude besteht aus einem kuppelgekrönten Mittelbau, dessen Innenraum einen einzigen kreisrunden Salon von mäßiger Größe bildet. Den Mittelbau flankiren zwei kleine, ebenfalls in Kuppeln gipfelnde Anbauten von Rechteckform. Diese enthalten je ein kleines, mit dem Salon verbundenes, kreisrundes Gemach. Das ist Alles. Da Stallungen nicht vorgesehen sind, so hat der Hubertuspavillon ohne Zweifel nur den Zweck eines ganz vorübergehenden Aufenthaltsortes. Das zur Aufführung des Rohbaues bestimmte Material sind gewöhnliche gebrannte Ziegel. Die Kuppeln bestehen aus Kupfer und werden wahrscheinlich vergoldet, wie denn überhaupt die Anwendung von Gold, wo irgend thunlich, eine besondere Liebhaberei des königlichen Bauherrn ist. Das Erdgeschoß enthält die Luftheizungsanlage und die Küche. Letztere befindet sich theilweise unter dem Salon. Eine Versenkung, ein „Tischchen-deck-dich“ wird die Speisen in den Salon heben, da der König auch bei Tische Niemand, nicht einmal einen servirenden Lakaien sehen will. Der Bau wurde im März vorigen Jahres in Angriff genommen und sollte im Rohbau im Oktober beendet sein. In diesem Jahre werden die Stuckateure, Maler und Dekorateure die innere Ausstattung vollenden, bei welcher der König dann stets eine ganz besondere Pracht zu entfalten pflegt. Farbige Seiden- und Sammtstoffe mit wahren Kunstwerken reichster Goldstickerei schmücken die Interieurs auch der äußerlich bescheidener aussehenden Bauten, und man erzählt sich beispielsweise von einem reich mit Gold gestickten Prachtbett, welches allein ein Vermögen gekostet haben soll. – –

Nach einem Marsche von drei kleinen Stunden im Thale der Ammer – einer der angenehmsten Waldpromenaden – erreicht man vom Hubertuspavillon aus den Linderhof. In einer Entfernung von etwa 600 Metern oberhalb desselben bietet ein leicht auffindbarer Punkt der Straße Gelegenheit, das vielbesprochene Schloß durch die von der Natur gerissene Schneise des Lindergriesbaches – die Ammer – wenigstens von Weitem zu betrachten. Läßt der Tourist diesen Punkt unbeachtet, so giebt es kein Mittel weiter, einen Einblick in das berühmte Tuskulum des Monarchen auf Bayerns Throne zu gewinnen. Ein dichtes Gehölz entzieht den Linderhof den Blicken des Fremden. Vor diesem liegt eine königliche Försterei, mit welcher eine Wirtschaft verbunden ist. Hier ist es noch dem Wanderer gestattet, sich zu erholen. Zwanzig Schritte hinter der Försterei beginnt das erwähnte Gehölz. Tafeln mit den ominösen Aufschriften „Verbotener Weg“ bezeichnen das Betreten schon des Gehölzes als unstatthaft. Hat man dasselbe dennoch passirt, so gelangt man an ein einfaches, schmiedeeisernes Gitterthor von der Breite der Zufahrtstraße, das diese sperrt. Das ist nun der Eingang zum Linderhofe. Unmittelbar hinter dem Eingang, zur Linken, befindet sich das Wachtlokal, und darin haust der Gendarmerieposten, welcher die Geheimnisse des Linderhofes mit Argusaugen hütet. Sollte der Fremdling auch bis hierher vorgedrungen sein, hier wird seine Energie sicher kläglich geknickt. Dieser Posten ist das verkörperte und uniformirte „Lasciate ogni speranza“. Schmeichelt dem Kriegsmanne mit Worten voll süßesten Wohllautes, versprecht ihm, der ein Einkommen von fünf Mark pro Tag sein eigen nennt, den Reichskriegsschatz, bietet ihm das Kommando eines bayerischen Armeekorps – er besteht auf seinem Schein: „Se. Majestät haben ’s streng verboten!“ – –

Die Schöpfung Linderhof hat ein Königswort auf der hinter dem erwähnten Gehölz bis an die fichtenbestandenen Felswände der Klammspitze und des Hennenkamms ziemlich steil ansteigenden grünen Bergwiese erstehen lassen. In sanfter Biegung nach rechts geleitet ein Promenadenweg von klassischem Gepräge vor das Schloß, einen mäßig-großen, in mattem Weiß gehaltenen Bau von Rechteckform. Derselbe besteht nur aus zwei Geschossen. Drei die Breite der Vorderseite einnehmende Eingänge mit schmiedeeisernen, schwer vergoldeten Thüren, wahre Wunderwerke der Schmiedekunst, führen in das Erdgeschoß, dessen Vorderraum eine marmorsäulengetragene Halle bildet. Ueber den erwähnten Eingängen erheben sich vier marmorne Riesengestalten, welche einen vergoldeten Balkon tragen, der einen seltenen Reichthum der Gliederung in reinsten Formen zeigt. Der nach vorn gerichtete dreieckige Giebel der Vorderseite des Schlosses ist gleichfalls von einer überraschenden Fülle feinstgegliederter Ornamente in Weiß und Gold, welche in einer goldenen Krone gipfeln. Auf der Rückseite des Schlosses ist man soeben beschäftigt, das innere eines neuen Anbaues zu dekoriren, das im Obergeschoß einen kreisrunden Saal bildet, der als Speisesaal benutzt werden soll.

Vom Balkon an der Vorderseite aus ruht der geradeaus gerichtete Blick auf einer prachtvollen gärtnerischen Schöpfung à la Versailles oder Schönbrunn. Schimmernde Leistungen der Teppichgärtnerei, Statuen, deren wundervolle Formen das Auge entzücken, stolze Schwäne auf dem Silberspiegel eines Bassins, aus dessen Mitte ein Springbrunnen aufrauscht, all’ das umrahmt und scharf gegliedert durch gepflegte Promenadenwege, die auf marmornen Treppenstufen allmählich zu einer kleinen Anhöhe hinanführen, auf deren Hintergrunde ein säulengetragener, statuengeschmückter Rundtempel sich erhebt. Hier thront unter den stillen Marmorsäulen die Idealfigur der Venus, der Göttin der Schönheit, aus feinstem karrarischen Marmor von einer Meisterhand gezaubert. Sinnend scheint sie hinabzuschauen zu der Welt von Statuen, die aus den mit Epheu und wildem Wein umrankten Laubgängen hervorleuchten – Welttheile, Jahreszeiten, Künste etc. darstellen, aus deren Gewirr auf einem andern Hügel sich die Bildsäule Ludwig’s XIV. erhebt. Für die Entstehungsgeschichte des Linderhofes ist diese Bildsäule des Franzosenkönigs bezeichnend genug. Fühlt man doch hier auf Schritt und Tritt den Einfluß des Geistes, der einst am Hofe desselben geherrscht hat.

In geringer Entfernung von dem Schlosse liegt im Tannengrün versteckt ein kleiner Kiosk „Marokko“, dessen Wände sich in einem künstlichen Seebecken widerspiegeln.

Ein ungeheurer Reichthum ist in diesem kleinen Raum aufgehäuft, ein wahrhaft orientalischer Prunk, der durch kunstvoll angebrachte Spiegel sich in den Augen des Beschauers verzehnfacht. Inmitten des Rundbaues glänzt ein Riesenpfau in schillernden Farben und spreizt sein kostbares Gefieder, das aus Edelsteinen, Türkisen und Smaragden auf des Königs Befehl die Künstlerhand gefertigt hat. Unwillkürlich schweifen bei seinem Anblick unsere Gedanken zurück in die Geschichte der Menschheit, zu dem fernen indischen Delhi, wo einst die Großmoguln residirten, zu jenem Prachtbau von Marmor und Gold, der auf schwarzem Marmorgrunde in silbernen Lettern die stolze Inschrift trug: „Giebt es ein Paradies auf Erden, so ist es hier, so ist es hier, so ist es hier.“ In diesem Wunderpalaste erhob sich einst der berühmte Pfauenthron aus dichtem Golde, reich mit Diamanten besetzt, dem zur Seite zwei Pfauen standen mit emporgehobenen Schweifen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_106.jpg&oldid=- (Version vom 18.1.2024)