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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

seinem greisen General erwies. Noch steht vor Augen Aller jenes erhebende Bild, da der König bei der letzten Revue, an welcher der 85jährige Zieten theilnahm, die Front des Zieten’schen Regimentes abritt „mit entblößtem Haupte, den Hut in der Hand, neben seinem General“. Und nicht minder unvergeßlich ist die andere durch die Meisterhand Chodowiecki’s uns erhaltene Scene, die sich bei der Parole im königlichen Schlosse am 25. December 1784 abspielte, wo der König einen Lehnstuhl herbeiholen ließ und vor Zieten stehen blieb mit den Worten. „Setze Er Sich nur, mein lieber alter Zieten, setz’ Er Sich, sonst geh’ ich weg; denn ich will ihm durchaus nicht zur Last fallen.“ Und wie herzgewinnend klingen die Worte des Königs, die er abwehrend gesprochen hatte, als Zieten an der königlichen Tafel eingeschlafen war und man ihn wecken wollte: „Laßt schlafen mir den Alten, er hat oft genug für uns gewacht.“ Freilich am späten Lebensabend wußte der König seinen pflichttreuen General nur an eine Pflicht zu erinnern: „Wenn man zu Eurem Alter gelangt ist,“ äußerte er, „hat man nur noch die Pflicht sich zu erhalten zum Beispiel der Nacheiferung und Ehrfurcht für die Armee.“

Früher, da beide noch im rüstigen Mannesalter standen, war er strenger, und Zieten mußte oft diese Strenge fühlen. Selbst den ungestüm vorwärts Dringenden trieb er in Feldzügen zu größerer Eile an. Ein Beispiel davon giebt das an dieser Stelle reproducirte eigenhändige Postskriptum Friedrich’s des Großen vom 9. December 1757, dessen Schluß auch in so fern interessant ist, als das Wort „Hesen“ („Hessen“ ein Provinzialismus für Hacken) von früheren Forschern „Hosen“ gelesen wurde, worüber ein kleiner gelehrter Streit entbrannte.

Durch das bekannte Gedicht, in welchem Zieten bei der Erklärung eines Schlachtplanes dem Könige sagt: „Der Klecks bin ich, die Punkte ringsherum die Feinde“ – ist im Volke vielfach die Meinung verbreitet worden, daß es um die Schreibkunst Zietens schlimm bestellt war. Das beifolgende Faksimile des Postskriptums zu dem Berichte, den Zieten wenige Tage vor der berühmten Schlacht bei Zorndorf an den König gerichtet hatte, zeigt uns, daß er nicht besser, aber auch nicht schlimmer mit der Feder umzugehen wußte, wie andere Säbelhelden seiner Zeit. Im Uebrigen zeichneten sich seine militärischen Relationen durch große Klarheit aus und wurden selbst in Friedenszeiten oft zu den besten gezählt.

Im Allgemeinen waren aber die Friedenszeiten nicht nach dem Geschmacke Zieten’s, der schon „zufrieden war, wenn er nur mit dem Feinde zum Schlagen kommen konnte“. Der Garnisonsdienst war die Veranlassung zu den Mißhelligkeiten, die ihm zeitweise die Ungnade seines Königs zugezogen hatten, und auch die Quelle jener Vorgänge, die im Anfang seine militärische Laufbahn ernstlich gefährdeten und zu seiner Entlassung und sogar Kassation führten.

Erst nachdem Friedrich Wilhelm I. im Jahre 1730 die Potsdamer Husaren-Kompagnie gegründet hatte und der wieder zu Gnaden angenommene Lieutenant, der wegen seines kleinen Wuchses für eine andere Truppe nicht gern verwendet wurde, derselben zugetheilt worden war, begann sein Glücksstern zu steigen. Unter Prinz Eugen in der unthätig verlaufenden Rhein-Kampagne gegen die Franzosen hatte er sich die ersten Sporen verdient und hatte in kurzer Zeit so viel von den verbündeten österreichischen Husaren gelernt, daß der Schüler bald den Meister übertraf und Schlag auf Schlag der neuen preußischen Truppe unvergänglichen Lorbeer zu erringen wußte.

In Wustrau, wo er am 14. Mai 1699 das Licht der Welt erblickte, ruhen seine sterblichen Ueberreste; in dem Heimathsorte, in Rheinsberg und in der Hauptstadt Berlin wurden ihm von der dankbaren Nachwelt Denkmäler errichtet; aber länger als diese alle wird sein Andenken in den Herzen seines Volkes fortleben, das ihn in hundert Liedern als echten und rechten Husaren preist – als wahren Helden bewundert.


Der Schäfflertanz.[1] (Mit Illustration S. 68 und 69.) In einer Stadt, deren blühendste Industrie die Kunst der Bierbrauerei ist, muß begreiflicherweise das Gewerbe der Schäffler (Böttcher) eine hochwichtige Rolle spielen. Sind sie es doch, deren kunstfertige Hände aus harten Eichenbohlen die Fässer bauen, deren hohler Bauch das edle Naß zu bergen bestimmt ist. Die gute Stadt München hat denn auch von altersher ein berühmtes und wohlhabendes Schäfflergewerbe in ihren Mauern. So wichtig war dieses Gewerbe, daß heute noch eine eigene Schäfflerstraße besteht. Sie ist freilich längst nicht mehr die bevorzugte Heimathstätte der Schäffler, denn das Gewerbe, welches zum Lagern der Faßhölzer und wegen der Feuergefährlichkeit der Arbeit größerer Hofräume bedarf, hat sich mehr nach dem äußeren Umkreise der Stadt gezogen, und insbesondere haben die großen Brauereien alle ihre eigenen Schäfflerwerkstätten.

Ein gewisser Zug der Fröhlichkeit, ja des Uebermuthes muß den Schäfflern von jeher innegewohnt haben. Nach dem alten biblischen Worte, daß man dem Ochsen, der da drischet, das Maul nicht verbinden solle, konnte man es dem Schäffler nicht verargen, wenn er, der so fleißig Fässer baute, auch von ihrem Inhalt gerne trank und dadurch in frohe Stimmung gerieth. So muß es wohl stets gewesen sein, und dieser Frohmuth der Schäffler zeigte sich auch zu München im Jahre 1517. Damals hatte eine schwere Pest in der Stadt gewüthet; das Volk war durch den Tod, der in abschreckender Gestalt erbarmungslos durch die Häuser gegangen war, kleinmüthig und scheu geworden; Niemand wagte sich mehr vor die Thür, Handel und Gewerbe lagen danieder. Da suchte die Schäfflerzunft einen alten fröhlichen Handwerksbrauch wieder hervor, um durch ihn die geängstigten und freudlos gewordenen Münchener aus den Häusern zu locken und zutraulich zu stimmen. Aus ihrer Herberge zogen sie durch die Stadt, einen Wagen mit einem Fäßlein mit sich führend, Pfeifer und Trommler voraus, grün umwundene, mit bunten Bändern geschmückte Reifen tragend. Und nach dem Klange ihrer Musik führten sie einen Tanz auf, wobei sie aus den grünen Reifen kunstreich Gänge und Lauben schufen, um unter denselben durchzuschlüpfen. Während sie mit den Reifen einen Kreis um das Faß bildeten, stellte sich Einer aus ihnen auf das Faß, hing einen geschlossenen Faßreifen an den Finger, stellte ein Glas Wein in denselben und schwang ihn, ohne einen Tropfen zu verschütten, über den Kopf und unter den Beinen durch. Die übermüthigsten der Gesellen aber trieben sich als Spaßmacher umher, um durch ihre Späße die Zuschauer zu erheitern.

Was die frohen Gesellen planten, gelang ihnen. Aus den langverschlossenen Häusern lugten die Leute erst neugierig hervor, dann wagten sie sich auf die Straße, und zuletzt drängte sich Alt und Jung in wiedererwachter Lebensfreude um den lustigen Tanz. Seit jener Zeit schlief der Brauch nicht mehr ein. Es ward üblich, ihn alle sieben Jahre zu erneuern: bestimmte Formen bildeten sich für ihn aus.

Auch heuer wogte, wie vor sieben Jahren, am Tage der heiligen drei Könige der Schäfflertanz wieder durch die Straßen von München. Vor den Palästen der Prinzen wurde zuerst getanzt; dann folgten die höchsten Würdenträger des Staates und die angesehensten Bürger der Stadt. Nach jedem Tanze wurde das Hoch Derjenigen ausgebracht, denen die Huldigung galt. Die Tracht der tanzenden Schäffler ist die alte geblieben: rothe Jacken, kurze schwarze Sammtbeinkleider mit weißen Strümpfen und Schnallenschuhen, grüne Käppchen von charakteristischer Form mit Federschmuck. Die Tänzer sind durchgehends junge flotte Gesellen mit kecken Schnurrbärten, lachenden Augen und flinken Beinen und wie vor 370 Jahren durch die engen winkeligen Gassen Alt-Münchens, so scholl es auch diesmal wieder von Mund zu Mund, wenn der bunte Zug herannahte: „Die Schäffler kommen! Die Schäffler kommenn!“ M. Haushofer.     


Großstädte in Deutschland. Die letzte deutsche Volkszählung – am 1. December 1885 – läßt ein auffallendes Wachsthum unserer Großstädte erkennen. Am Schlusse des Jahres 1875 besaß Deutschland nur 12 Städte mit über einhunderttausend Einwohnern, fünf Jahre später deren bereits 14, gegenwärtig aber nicht weniger als 21. Nach der Höhe der Einwohnerzahl geordnet ergibt sich die nachstehende Reihenfolge: Berlin rund 1 316 400, Hamburg 312000, Breslau 298900, München 260000, Dresden 245500, Leipzig 170000, Köln 160900, Frankfurt a. M. 153800, Königsberg 150700, Hannover 138900, Stuttgart 125500, Bremen 123000, Nürnberg 116200, Düsseldorf 114500, Danzig 114200, Magdeburg 114000, Straßburg 112100, Chemnitz 110700, Elberfeld 106400, Altona 104500, Barmen 102900. –th.     


Die Gebrüder Adolf und Karl Müller, unsere langjährigen Mitarbeiter und Verfasser des klassischen Werkes „Thiere der Heimath“, wurden zu Ehrenmitgliedern der zoologischen Gesellschaft „Natura artis magistra“ zu Amsterdam ernannt. Die Anerkennung, welche den verdienstvollen Leistungen dieser unermüdlichen Forscher jetzt auch im Auslande zu Theil wird, können wir nur mit Freude begrüßen und theilen bei dieser Gelegenheit unsern Lesern mit, daß neue sehr interessante Beiträge dieser durch so viele Jahre der „Gartenlaube“ stets treu gebliebenen Mitarbeiter schon in den nächsten Nummern erscheinen werden.


Theaterbrände. Nach einer interessanten Statistik des Ingenieurs Franz Gilardone haben die Theaterbrände seit der traurigen Wiener Ringtheater-Katastrophe in Folge der umfassenderen Vorsichtsmaßregeln erheblich abgenommen. Im Jahre 1882 fielen dem verheerenden Elemente noch 25 Theater zum Opfer, 1883 deren 22, dagegen 1884 10 und 1885 nur 8, von welchen letzteren 3 auf England, 2 auf Nordamerika und je 1 auf Frankreich, Oesterreich und Belgien entfallen. –th.     


Dr. L. Ganghofer ersucht uns bekannt zu machen, daß er das Recht der Dramatisirung seiner in der „Gartenlaube“ erschienenen Novelle „Edelweißkönig“ sich vorbehalte und gegen jede widerrechtliche Bühnenbearbeitung derselben Verwahrung einlege.


Auflösung: „Der Sternschnuppenfall“ in Nr. 3: Ordnet man nach der Länge der einzelnen Sternschnuppen die Buchstaben, auf welche sie weisen, so erhält man das Wort: „Meteorsteine“.


Kleiner Briefkasten.

R. H. in B. Die von zahlreichen Blättern reproduzirte Nachricht, daß Verhandlungen wegen des Verkaufs der „Gartenlaube“ an ein Berliner Konsortium bestünden, beruht durchaus auf Erfindung.

W. in Schrimm. Auf Ihre Anfrage gibt uns Dr. Fr. Dornblüth folgende Antwort: „Die in meinem Artikel „Gefahren des Milchgenusses“ (Nr. 7, Jahrgang 1885) erwähnte Scherff’sche eingedickte Milch ist nach meiner Erfahrung in stets gleichmaßiger Güte zu beziehen von Herrn Drenckhahn in Stendorf bei Schönwalde in Holstein, Bahnstation Eutin. In neuerer Zeit wird ähnlich präservirte Milch noch an verschiedenen anderen Orten bereitet, deren Güte ich nicht bezweifeln will, über die mir aber keine eigenen Erfahrungen zu Gebote stehen.

Die ebendort genannten Becker’schen Patenttöpfe sind durch die Firma Kirschbaum und Siebrecht in Iserlohn zu beziehen. Bei dieser Gelegenheit will ich des nach dem gleichen Princip eingerichteten ‚Hygienischen Milchkochers‘ von Roeder (Karl Roeder jun. in Dresden, Striesener Straße 38) gedenken. Derselbe besteht aus zwei Töpfen, einem inneren zur Milch, einem äußeren zum Wasser, und einem Deckel, der das ganze schließt. In diesem kleinen Apparat kann man die Milch, so lange Wasser in dem äußeren Topfe ist, also etwa 1/2 Stunde lang, starkem Feuer aussetzen, ohne daß die Milch anbrennt oder überläuft. Die Milch siedet dabei ohne Wallen ab; eine kleine Dampfpfeife in dem Deckel zeigt das Sieden an, bleibt das Signal aus, so ist zu wenig Dampf vorhanden. Der Milchkocher ist in sieben Größen, von 1/2 bis 6 Liter Milch und 1/4 bis 13/4 Liter Wasser vorräthig. Die Anwendung ist sehr bequem und einfach, der Preis billig.“



Inhalt: [ Verzeichnis der Beiträge in Nr. 4/1886, hier nicht übertragen. ]



Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redakteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_076.jpg&oldid=- (Version vom 6.8.2023)