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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Sänfte, die Natur nur in den Laubgängen des von hoher Mauer umschlossenen Gartens. Was hilft ihr aller Schmuck, alle Pracht, womit die Orientalen ihre Weiber zu umgeben lieben? Die schwellenden Teppiche, die mit Elfenbein inkrustirten Möbel, die schweren Vorhänge, das wundervolle Geräth, welches die orientalischen Kunstgewerbe unnachahmlich schön bilden, vermögen die Leere nicht auszufüllen, welche die vornehme und geistig entwickelte maurische Frau empfindet.

Die Türkin, das Weib aus mongolischem Stamme, ist gröber geartet. Plump und derb in der äußeren Erscheinung, fett, mit gewulsteten Lippen, ohne jene Rassenschönheit der semitischen Frauen, läßt sie sich auch an materiellem Dahinleben genügen. Ihr bereiten die Juwelen, die gestickten Gewänder Freude, mit denen der Gatte sie behängt, sie nascht mit Leidenschaft Süßigkeiten, verschmäht gelegentlich auch wohl den Haschisch nicht und träumt auf dem Divan gestreckt vom Paradiese, von den Entzückungen ewigen Wohllebens, ewiger müßiger Sorglosigkeit. Sie fühlt sich glücklich im Harem in wunschlosem Verkehr ihres Gleichen.

Die arabische Frau, wie der Harem vornehmer Marokkaner sie in seinen Gemächern birgt, ist von edler, höherer Rasse. Gertenhaft schlank und geschmeidig, mit zarten Gliedern, seinem Schnitt der Züge, kleinem Kopfe, mit feurigem, sehnsuchtsvoll ins Ungewisse blickendem Auge, kann sie von großer Schönheit sein, die sich fast immer mit Anmuth paart. Ist sie aber zufrieden und glücklich? Nur selten dringt ein profaner Blick in das Innere marokkanischer Frauengemächer, nur selten lüftet sich ein Zipfel der verhüllenden Schleiertücher. Was wir aber auf solche Art von dem Wesen dieser Frauen erhaschen, das nöthigt uns, diese armen Reichen eher zu bemitleiden als zu beneiden. Auf weißem Kameele, vermummt in gelbe, die ganze Gestalt umhüllende Schleier, folgt die Braut ihrem Gatten in sein Heim, folgt ihm vielleicht als kostbarste Habe, aber doch immer als ein Eigenthum, über das der Herr unbedingt gebietet, das er vor jeder Berührung mit der Außenwelt streng behütet. Glücklich, wenn das junge schöne Wesen niemals zum Bewußtsein seiner Abhängigkeit gelangt, wenn es dahinlebt in kindlicher Harmlosigkeit, seine Welt sieht und genießt in den Räumen des Harem, in Saitenspiel, Gesang und Erfüllung ihrer kaum drückenden Pflichten. Erwacht aber die Seele der Gefangenen zu selbständigem Leben, zu freieren Regungen, und dringt vielleicht ein zündender Funken von außen her in das arme Herz, dann muß die fein und zart organisirte arabische Frau schwer leiden, tief und aussichtslos unglücklich werden, so unglücklich wie Lindoraja auf ihrem Königsthron von Granada. Fritz Wernick.     


„Präsentirt das Gewehr!“ (Mit Illustration S. 45.) Einer der besten Menschen, der humorvollsten Schilderer unseres Volkslebens und einer der trefflichsten Künstler ist mit Karl Spitzweg, dem süddeutschen Ludwig Richter, am 23. September v. J. aus dem Leben geschieden. Die Nachricht von seinem Tode war eine Trauerkunde für alle Freunde der Kunst in ganz Deutschland, denn überall haben seine lebensvollen Darstellungen dem „Dichter in Farben“, dem Meister, der nie eine Akademie oder Malschule besucht und doch es verstanden hat, sich einen ehrenvollen Namen in der deutschen Kunst zu sichern, aufrichtige Anerkennung – hat der schalkhafte, packende und doch behagliche Humor, mit welchem er die kleinen Schwächen der Menschen so unwiderstehlich komisch zu zeigen wußte, ihm die Herzen gewonnen. Will man die ganze Liebenswürdigkeit Spitzweg’scher Kompositionen kennen lernen, so ist das hier mitgetheilte „Präsentirt das Gewehr!“ ein vortreffliches Muster des vollendeten künstlerischen Reizes der Gattung. Wie der Junge vor dem alten Invaliden mit drolligem Ernste präsentirt und dieser sich ebenso martialisch in die Brust wirft, das paßt unübertrefflich zu dem prächtig malerisch auf seinen Felsen aufgethürmten altdeutschen Städtchen, welches, den köstlichen Mittelgrund des Bildes füllend, uns sofort an Landsberg, Dachau, Freising oder sonst eines jener urgemüthlichen altbayerischen Nester erinnert, von denen Landshut mit seiner herrlich malerischen Trausniz den gelungensten Typus bildet. Ueberall neues Leben aus den Ruinen erblühen lassend, das Alte nicht in unversöhntem Gegensatze zum Neuen, sondern in freundlichem Verhältnisse zu demselben zeigend, erinnert Spitzweg hier direkt an Salomon Roos oder Geßner. Es ist eben eine Idylle der köstlichsten Art, voll Sonnenschein, Munterkeit und feinen Blickes für alle die Schönheit und tiefe Gemüthlichkeit, an der unser Vaterland gerade in seinen weltvergessen abseits von der Eisenbahn liegenden alten Städtchen so überreich ist, daß man nur bedauert, sie nicht am Arno statt an der Isar oder dem Lech liegen zu wissen, da dann die Deutschen sie weit eher beachten und schätzen lernen würden. Oder wer hätte jemals außer jenem herrlichen Landshut, Ueberlingen am Bodensee, Rothenburg ob dem Tauber, Miltenberg am Main oder gar das köstliche Meißen gesehen und sich nicht gesagt, daß ganz Italien in seinen Bergstädtchen keine ähnliche Vereinigung von historischem Dufte, malerischem Reiz und tiefer alles mit Liebe umfassender und verklärender Gemüthlichkeit habe. Diese Art von herzerquickender Poesie eines still befriedigten, harmonischen, abgeschiedenen Daseins aber hat nie einen besseren Darsteller gehabt als unseren Spitzweg.

Fr. Pecht.     

Die größten Zuchterfolge der Welt haben ohne Zweifel die Preßhefefabriken nachzuweisen. Die Hefe besteht bekanntlich aus mikroskopischen Pilzen, von denen 20 Millionen aufs Pfund gehen. In einer großen Preßhefefabrik, die täglich 100 Centner Hefe herstellt, werden somit Tag für Tag 200 000 Millionen dieser nützlichen Pilze gezüchtet.


Allerlei Kurzweil.

Spielen und lernen. Die Freunde der Rubrik „Allerlei Kurzweil“ werden es gewiß gern sehen, wenn wir sie von Zeit zu Zeit auf solche Spiele aufmerksam machen, die neben der Unterhaltung auch den Zweck der Belehrung verfolgen. Der Gedanke, das Kinderspielzeug in gewissem Sinne zu einem Lernmittel zu gestalten, ist allerdings nicht neu, er ist aber keineswegs tiefer in unsere Gesellschaft gedrungen; die wenigsten Eltern beachten bei der Auswahl des Spielzeugs für ihre Kleinen die Nützlichkeit desselben und versäumen dadurch die Gelegenheit, den Wissenskreis des Kindes durch das einfache Mittel der Selbstunterhaltung zu erweitern. Darum scheint uns eine kleine Rundschau der neuesten Spiel- und Bildungsmittel gerade an dieser Stelle nicht zwecklos zu sein.

Wir beginnen dieselbe mit einem uralten Spielzeuge, dem Baukasten, der wegen seiner Dauerhaftigkeit namentlich Knaben so gern beschert wird. Schon sein erster unbekannter Erfinder hat demselben den Charakter eines Lernmittels gegeben; denn selbst der einfachste Baukasten vermag die Anschauungen des Kindes über Raum, Größenverhältnisse etc. zu schärfen und zu entwickeln. Man hat aber bis jetzt nicht beachtet, daß dieses Spielzeug nur einer planmäßigen Reform bedurfte, um zu einem Bildungsmittel ersten Ranges gestaltet zu werden. Diese Reform hat in neuester Zeit Major von Nostiz in sehr geistvoller Weise durchgeführt, und sein „Spiel- und Bildungs-Baukasten für Kinder jedes Alters“ (Verlag von Fr. A. Perthes in Gotha) verdient nach dieser Richtung hin die vollste Anerkennung.

Schon auf den ersten Blick unterscheidet sich derselbe wesentlich von unserm alten Bekannten. Die Hölzer sind in der Mitte mit Einschnitten, „Nuten“, versehen, in welche kleine vernickelte Blechstreifen eingezwängt werden. Durch diese einfache Vorrichtung werden die Hölzer unter einander dauerhaft verbunden, die aufgeführten Bauten fallen nicht zusammen, sodaß die Kinder selbst sehr verwickelte Konstruktionen mit vorspringenden Erkern etc. leicht aufführen können. Ferner sind die einzelnen Hölzer aus verschiedenen Holzarten – aus Fichten-, Eichen- und Buchenholz verfertigt, wodurch das Kind eine für das praktische Leben nicht unwichtige Kenntniß erlangt. Sonst ist die Ausstattung schlicht und einfach; bunte Farben, feine gedrechselte Gesimse und ähnliche äußerlich bestechende Beigaben fehlen gänzlich, dagegen ist die Mannigfaltigkeit der einzelnen Stücke sehr groß, und es gehören zu dem Baukasten zwei starke Hefte mit Erläuterungen, Plänen und Vorlagen, mit deren Hilfe der kleine Baukünstler fortschreitend die einfachsten Häuser und die schönsten Tempel, Triumphbögen, Pyramiden, Gräber, Basiliken, überhaupt Bauten verschiedener Stilarten zusammenstellen lernt. Selbst geometrischen Anschauungen wird für reiferes Alter Rechnung getragen und spielend prägt sich hier der Knabe das Verhältniß des Kreises zum Quadrat, den Pythagoras etc. ein. So ist der v. Nostiz’sche Baukasten in der That ein treffliches Bildungsmittel für Kinder verschiedenen Alters und verdient die weiteste Verbreitung in deutschen Familienkreisen.


Der Sternschnuppenfall.

Laurentiusstrom
Was sind Sternschnuppen?


Auflösung des Bilder-Räthsels in Nr. 1: Die Ziffer, welche bei jedem Blatte die Seitenzahl bedeutet, zeigt an, der wievielte Buchstabe im Titelworte des betreffenden Blattes abzulesen ist. Die so gefundenen Buchstaben, in der Reihenfolge der Seitenzahlen zusammengesetzt, geben die Worte: „Die Gartenlaube“.



Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.)

Verlobung von Franziska und Hans. Wir haben die uns übersandten 50 Mark für die Hinterbliebenen der Mannschaft der „Augusta“ an die Sammelstelle der Exedition des „Leipziger Tageblattes“ überwiesen.

E. S. in Hannover. Das von Turpin in Paris erfundene Panklastit besteht aus Stickstoff-Superoxyd und zeichnet sich unter Anderem dadurch aus, daß es in freier Luft ruhig verbrennt. Um es zum Explodiren zu bringen, bedarf es erst der Zündung, z. B. dur[ch] ein Zündhölzchen. Panklastit hat eine bedeutend höhere Sprengkraft als Dynamit, besonders nach unten. Es verhält sich zum Dynamit etwa wie dieses zum gewöhnlichen Schießpulver. Man kann es nach Bedarf kräftiger oder schwächer herstellen.

A. Z. R. Wenden Sie sich an einen Arzt in Ihrem Wohnort!



Inhalt: Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 41. – Winterlandschaft. Illustration. S. 41. – Römische Cäsaren. Von Johannes Scherr. Caligula. (Fortsetzung.) S. 47. – Vom Nordpol bis zum Aequator. Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Edmund Brehm. 1. Die Tundra und ihre Thierwelt. S. 49. Mit Illustrationen S. 49 und 51. – Die Andere. Von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 52. – Blätter und Blüthen: Marokkanische Frauen. S. 55. Mit Illustration. S. 53. – „Präsentirt das Gewehr!“ Von Fr. Pecht. S. 56. Mit Illustration S. 45. – Die größten Zuchterfolge der Welt. – Allerlei Kurzweil: Spieten und lernen. – Der Sternschnuppenfall. – Auflösung des Bilder-Räthsels in Nr. 1. – Kleiner Briefkasten. S. 56.



Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redakteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_056.jpg&oldid=- (Version vom 7.3.2023)