Seite:Die Gartenlaube (1885) 880.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Arten wildwachsend vorkommen, sind moosähnliche, ausdauernde Pflänzchen, welche rasenartig auf dem Boden oder an Felsen wachsen und in beträchtlicher Anzahl aus Südeuropa, vornehmlich aber aus Amerika eingeführt und hauptsächlich als Warmhauspflanzen gezogen werden; doch dienen Selaginellen auch in Gärten zur rasenähnlichen Bekleidung von kleinen Plätzen und im Zimmer besonders zur Verzierung von Blumentischen, Ampeln, Felsen in den Aquarien etc.

Von allen diesen Arten ist aber die kalifornische Selaginelle (Selaginella rediviva) ganz verschieden. Sie wächst auf den Felsen der höchsten Gebirge an schattigen Stellen, liegt fast immer trocken da und erschließt sich nur etwa drei- bis viermal im Jahre in Folge andauernden Regens.

Als eine immerhin interessante Naturmerkwürdigkeit verdient sie wohl unsere Beachtung, zumal sie in der Entfaltung und voll erschlossen einen schönen Anblick gewährt. Dr. Karl Ruß.     


Die elektrische Luftbahn. Neu ist zwar der Gedanke nicht, mit Hilfe der Elektricität kleinere Gegenstände auf Telegraphendrähten über Berg und Thal zu befördern. Bereits 1880 ließ sich der geniale Werner Siemens eine derartige Anlage patentiren; er theilte indessen hierin das Los so vieler Erfinder und ließ die Sache anscheinend wieder fallen, weil er keinen Anklang fand. Glücklicher Weise wurde die Idee von einem Engländer, dem kürzlich verstorbenen Edinburger Professor Fleeming-Jenkin, wenn auch in veränderter Gestalt, wieder aufgenommen, und es glückte ihm, im Verein mit den verdienstvollen Elektrikern Ayrton und Perry, alle Schwierigkeiten soweit zu überwinden, daß man an den Bau einer ersten elektrischen Luftbahn – Telpherage nannte sie ihr Urheber – gehen durfte. Leider sollte Jenkin die Eröffnung des Betriebes nicht erleben, aber diese Freude ward der von ihm zur Ausbeutung der Erfindung gegründeten Gesellschaft zu Theil.

Elektrische Luftbahn.

Wie aus nebenstehender Abbildung zu ersehen, ist eine solche elektrische Luftbahn die denkbar einfachste Sache. Paarweise in die Erde eingerammte derbe Telegraphenstangen tragen einen Querbalken, und dieser wiederum zwei zwischen den Stangen gespannte Drähte oder Eisenbarren, deren Stärke dem beabsichtigten Zwecke, das heißt der Schwere der zu befördernden Last entspricht. Ueber die Drähte laufen, ganz selbständig und ohne irgend welche menschliche Hilfe, eine Anzahl mit einander verbundene Kästen, sowie eine kleine, in der Mitte sichtbare elektrische Lokomotive, welche von einer in der Endstation aufgestellten Maschine mit Elektricität versorgt wird. Die Züge sollen auf dieser Bahn ohne Aufsicht laufen, und dies wird durch eine von Ayrton und Perry erfundene Vorrichtung erreicht, die es bewirkt, daß der Zufluß des elektrischen Stromes aufhört, sobald ein Zug die vorschriftsmäßige Geschwindigkeit überschreitet und somit den vorher abgelassenen einholen könnte. Sehr sinnreich ist es auch, daß die Triebkraft sich von selbst verstärkt, wenn eine Steigung zu erklimmen, und sinkt bezw. ganz aufhört, sobald es bergab geht. Daraus folgt eine nicht unwesentliche Kostenersparniß, wie man sich überhaupt kaum eine wohlfeilere Eisenbahn denken kann, als solch eine Luftlinie. – Die hier veranschaulichte Luftbahn liegt oder schwebt vielmehr in der Nähe des Dorfes Glynde (Grafschaft Sussex). Sie ist 1600 Meter lang und soll wöchentlich 150 Tonnen Thonerde nach der nächsten Bahnstation befördern, wo die Züge direkt in die bereitstehenden Eisenbahnwagen entleert werden.

Jenkin hatte besonders den Verkehr in wenig entwickelten Kolonialländern ins Auge gefaßt. Dessen Erfindung kommt also für uns wie gerufen, und wir wollen hoffen, daß elektrische Luftlinien in nicht allzu ferner Zeit die Boden- und Bergbau-Erzeugnisse unserer ausgedehnten überseeischen Besitzungen nach dem Seegestade oder dem nächsten schiffbaren Flusse befördern helfen.G. van Muyden.     


Die erste Reise. (Illustration S. 877.) Vor vierzehn Jahren machten wir unsere Leser mit einem Bilde des schwedischen Genremalers Bengt Nordenberg mittels eines Holzschnittes bekannt (vgl. Jahrg. 1871, S. 709). Es stellt „die letzte Reise“ dar. Der geschmückte Sarg steht bereits auf dem angeschirrten Schlitten, der ihn durch die nordische Winterlandschaft zum Friedhof tragen soll. Die Angehörigen und Nachbarn verrichten nur noch ihr letztes Gebet für den Todten, umstanden von harmlos gaffenden Kindergruppen. Zu diesem im Jahre 1870 vollendeten Oelgemälde schuf der Künstler 1883 das Seitenstück, dessen xylographische Kopie unsere heutige Nummer schmückt: das junge Menschenleben wird zu seiner ersten kirchlichen Weihe gefahren, das ist seine „erste Reise“.

So stehen nun beide Bilder vor uns als eine Verherrlichung des Lebens und des Todes. Aus beiden spricht eine stille Feier, dort der Trauer, hier der Freude, dort des letzten, hier des ersten Segens. Wenn aber auch beide in ihrer Wirkung so verschieden sind wie Tag und Nacht, so bleibt ihnen doch Eines gemeinsam, und zwar besteht dieses Gemeinsame nicht etwa bloß in der Aeußerlichkeit der Scenerie, sondern darin, daß die Hauptpersonen der beiderlei Reisen selbst nichts von derselben wissen und empfinden. Der Todte und das Kind – beiden ist’s einerlei, wohin die Reise geht und ob’s die erste oder die letzte ist. Nur in den Herzen derer, welche diese Reisen auszurüsten haben, geht nicht die hohe stille Feier derselben vor, die das ärmste Haus mit heiliger Weihe erfüllt – sei’s der Trauer, sei’s der Freude. Heute, vor unserem Bilde, nehmen wir herzlich Theil an dem Segen der Freude, mit welchem das Glückauf einem Kinde mit auf den Weg gegeben wird zu seiner ersten Reise. F. H.     


Deutsche Volks- und Kulturgeschichte. Soeben ist ein Buch zum Abschluß gediehen und auf den Markt gebracht worden, welches wir der Aufmerksamkeit unserer Leser bestens und dringend empfehlen möchten. Es ist die „Deutsche Volks- und Kulturgeschichte für Schule und Haus“ von Karl Biedermann (Wiesbaden, J. Fr. Bergmann). In einem einzigen Bande wird hier die ganze Geschichte unseres Volkes von den ältesten bis auf die neuesten Zeiten (bis 1871) geboten, und zwar nicht bloß die äußere, sog. politische, sondern auch die Geschichte des inneren Volks- und Kulturlebens, der Sitten, Gewohnheiten, der materiellen, geistigen, sittlichen und religiösen Zustände der verschiedenen Zeiten, der Rechtseinrichtungen, der Fortschritte in Gewerbe, Kunst, Wissenschaft etc. Die Form der Darstellung ist, wie man das an dem Verfasser schon von seinen früheren geschichtlichen Werken her kennt, eine allgemein verständliche und angenehm lesbare.


Infolge unseres Preis-Ausschreibens in Nr. 15 dieses Jahrgangs für die beste Komposition eines vierstimmigen Männerchores zu dem

Chorlied der Deutschen in Amerika
von Emil Rittershaus

sind uns 728 Kompositionen zugesandt worden, die wir den Herren Preisrichtern Hof-Kapellmeister Abert-Stuttgart, Kapellmeister Dr. Reinecke-Leipzig und Hof-Kapellmeister Prof. Dr. Wüllner-Köln zur Prüfung vorgelegt haben.

Bei ihrer Entscheidung wurden die Herren Preisrichter einmüthig von der Erwägung geleitet, daß nur eine nicht allein musikalisch werthvolle, sondern auch volksthümliche und trotzdem originelle, endlich aber auch singbare und effektvolle Komposition den Preis davontragen dürfe.

Diesen höchsten Ansprüchen genügte jedoch keine einzige der vorliegenden Kompositionen vollständig, weßhalb man sich dahin einigte,

den ausgesetzten Preis von 500 Mark zu theilen

und die drei, den gestellten Anforderungen zumeist entsprechenden Kompositionen mit gleichen Beträgen zu prämiiren. Bei Eröffnung der betreffenden Kouverts ergaben sich als Verfasser der prämiirten Kompositionen:

Herr Alexis Hollaender in Berlin, Herr Musikdirektor Georg Rauchenecker in Kassel, Herr Dr. Gustav Wolff in Berlin,

unter welche der ausgesetzte Preis vertheilt wurde.

Von einer Veröffentlichung der preisgekrönten Kompositionen in der „Gartenlaube“ müssen wir bei der veränderten Sachlage aus Rücksicht auf den Raum Abstand nehmen.

Die nicht prämiirten Kompositionen senden wir nur auf ausdrückliches Verlangen der betreffenden Verfasser zurück.

 Leipzig, im December 1885.Die Redaktion der „Gartenlaube“.     


Inhalt: Edelweißkönig. Eine Hochlandsgeschichte. Von Ludwig Ganghofer (Schluß). S. 865. – Nach dem Gottesdienst. Illustration. S. 865. – In der Silvesternacht. S. 872. – Der Battenberger. Von Karl Braun-Wiesbaden. Mit Portrait. S. 873. – Ein wunderlicher Heiliger. Novelle von Hans Hopfen (Schluß). S. 874. – Blätter und Blüthen: Stanley und Pechuël-Loesche. S. 879. – Die Einladung des steinernen Gastes. S. 879. Mit Illustration S. 869. – Die kalifornische Selaginelle, eine sogenannte Auferstehungspflanze. Von Dr. Karl Ruß. Mit Abbildungen. S. 879. – Die elektrische Luftbahn. Von G. van Muyden. Mit Abbildung. S. 880. – Die erste Reise. S. 880. Mit Illustration S. 877. – Deutsche Volks- und Kulturgeschichte. – Erledigung unseres Preisausschreibens in Nr. 15. S. 880.


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 880. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_880.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2024)