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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

No. 50.   1885.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Edelweißkönig.

Eine Hochlandsgeschichte. Von Ludwig Ganghofer.
(Fortsetzung.)


Luitpold reichte dem Jäger zu langem und festem Drucke die Hand, nickte ihm mit trübem Lächeln einen stummen Gruß zu und richtete dann die tiefen, ernsten Augen auf den Bauer, welcher hochaufgerichtet stand und die beiden Kinder an sich drückte, als müßte er sie vor dem in Schutz nehmen, der da gekommen.

Mit scheuen Blicken schaute Gidi bald auf seinen Herrn und bald auf Jörg, er suchte die Kinder zu sich heran zu winken, und als ihm das nicht gelingen wollte, verließ er mit einem leisen Seufzer die Stube.

Raschen Schrittes näherte sich Luitpold dem Bauer. Es schien als wollte er sprechen, aber wortlos schlossen sich seine zuckenden Lippen wieder, doch wenn sein Mund auch schwieg, deutlich sprachen seine Augen, als er Jörg mit stummer flehender Bitte die Hand entgegenbot.

Jörg übersah diese Hand. Ein unheimliches Feuer brannte in seinen Augen, und rauh und heiser lösten sich die Worte von seinem Munde. „Was will der Herr von mir?“

„Seht Ihr es nicht? Meine Hand will ich Euch bieten, und die Eure, Jörg, die Eure möchte ich drücken.“

„Daß ich net lach’! Und z’wegen so ’was hat der Herr den weiten Weg g’macht von der Münchnerstadt bis ’raus zu uns? Schad’ um den weiten Weg – recht schad’! Oder – ah ja – jetzt merk’ ich’s erst! So a sauberer Herr! Und hat a Hütl – kein Federl drauf und net a gotzigs Bleaml! Ah ja – der Herr will ’leicht a Bleaml haben aus’m Finkenhof! Da – da – droben im Herrgottswinkel steckt a Rosen! Hab’s erst am letzten Sonntag heim’bracht von meiner Hanni ihrem Grab.“

Luitpold ließ die ausgestreckte Rechte sinken und schaute mit einem Blicke voll unsäglicher Wehmuth in die von Gram und Leidenschaft verzerrten Züge des Bauern. „Ihr seid bitter, Jörg! Aber ich höre nicht Eure Worte, ich höre nur Euren Schmerz – und der, Jörg, der redet eine Sprache zu meinem Herzen, die ich besser zu verstehen weiß, als Ihr glauben mögt! Wie sollten Schmerz und Schmerz sich nicht verstehen! Sie gleichen alles aus –“

„Ah ja! No g’wiß! Da is ja gar nix z’reden! Da is ja Alles gleich auf gleich!“ fuhr Jörg mit wildem Lachen auf. „An schönern Ausgleich kann’s ja gar net geben! Auf meiner Seit’ a ’brochenes G’müth, Herzleid und Schand’, a Häuferl Aschen draußt am Freithof und – und mein Ferdl dazu, mein armer – und – und auf der andern Seit’ a Ritzerl in der noblen Haut –“ die Stimme zu heiserem Kreischen steigernd, schlug Jörg sich die beiden

Zwei Mütterchen.0 Nach dem Oelgemälde von Hugo Oehmichen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 825. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_825.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2024)