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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

No. 48.   1885.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Edelweißkönig.

Eine Hochlandsgeschichte. Von Ludwig Ganghofer.
(Fortsetzung.)

Am nächsten Morgen langte Jörg mit schwerbeladener Kraxe zu Hause an. Die Leute im Finkenhofe glaubten natürlich, daß der Bauer bei grauendem Tage die Alm verlassen hätte – während droben die Emmerenz meinte, der Bauer könnte wohl noch vor der „ärgsten Finstern“ den Finkenhof erreicht haben.

In emsiger Arbeit verbrachte Enzi den Tag, während Dori jodelnd hoch droben im Gestein bei seinen Schafen hockte. Als der Abend kam, fachte die Dirne die auf dem Herde glimmenden Kohlen zu hellem Feuer an und schüttete Mehl zum Schmarren in die Pfanne. Da hörte sie Schritte. „Dori?“ rief sie – keine Antwort folgte, aber die Schritte kamen näher. Jetzt erkannte sie diesen festen, gleichmäßig raschen Gang, und eine jähe Röthe flog über ihre Wangen.

Gidi erschien unter der Thür. „Grüß’ Dich Gott, Sennerin! Is verlaubt, daß man zukehrt in Deiner Hütten?“ sprach er die Dirne an, die keinen Blick von ihrer Pfanne verwandte.

„Warum net? ’s Bankl is leer – und is g’macht zum Rasten. Und – grüß’ Dich Gott auch.“

„No ja, niedersetzen kann ich mich ja a bißl,“ meinte Gidi, während er die Büchse an die Holzwand lehnte und dann der Bank zuschritt, „aber – weißt – weg’m Rasten, da hätt’ ich mich g’rad net daher verirren müssen. Sind ja draußen Stein’ und Stöck’ g’nug um anander, wo man sich draufsetzen kann – ja, recht kommod auch noch.“

„No, weßwegen hast Dich denn nachher daher ver … verirrt?“ lautete die bissige Antwort.

Gidi stützte die Arme auf die Kniee, drehte die Daumen und begann mit den Füßen zu trommeln. „Ja mein – weißt – ich hab’ mir halt ’denkt, a jeder Handel, der ang’redt worden is und hat sich verfahren, muß ausg’redt werden auch wieder, und drum hab’ ich mir ’denkt, was wir Zwei mit anander haben, därfet doch auch net verlaufen wie ’s Hornberger Schießen.“

„Wie wir Zwei mit anander haben?“ wiederholte Emmerenz erstaunten Tones, und dabei rührte und rührte sie, daß der eiserne Löffel nur so klapperte in der Pfanne. „Ja, was haben denn wir Zwei mit anander?“

Erste Liebe.0 Nach dem Oelgemälde von Eugen Klimsch.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 789. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_789.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2024)