Seite:Die Gartenlaube (1885) 697.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

No. 43.   1885.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Edelweißkönig.

Eine Hochlandsgeschichte. Von Ludwig Ganghofer.
(Fortsetzung.)

„In Gedanken.“ Nach dem Oelgemälde von Pedro Weingärtner.

Als die beiden in der geräumigen Stube, die durch ihre gediegene, sauber gehaltene Ausstattung den behäbigen Wohlstand und die Ordnungsliebe ihrer Bewohner verrieth, bei dem schäumenden Bierkruge saßen, sagte Gidi, der Jäger:

„A saubers Deandl, ’s Veverl! Da paß auf – die wachst sich amal aus!“

„Ja – is a lieber Kerl! Und jeden Tag, seit ich s’ her’bracht hab’ in mein Haus, krieg’ ich mehr G’fallen an ihr,“ erwiderte der Bauer. „So a Madl findst net leicht – so fleißig und dabei so still und b’scheiden. Und für alles hat s’ an Dank – und völlig d’rauf sinniren thut s’, wie s’ ei’m a Freud’ machen kann. Und nachher – zu die Kinder, weißt, da stellt sie sich halt b’sonders gut. Wenn s’ nur net gar so voller Geschichten stecket! Allweil hat s’ mit ihre Geister z’ schaffen – und alle Tag’ redt s’ die Kinder so a paar Sachen in Kopf ’nein, wie g’rad jetzt eine g’hört hast.“

„Du – das mußt ihr fein ja net wehren!“ mahnte der Jäger. „Weißt, g’rad an solche Sachen haben Kinder a Freud’ – und so was bringt a Leben in ihr Kindergemüth. Solchene G’schichten machen ei’m die Kinderzeit gar lieb und schön – das weiß ich von mir selber. Ich hab’ an Ahnl g’habt, die hat mir auch von in der Fruh bis auf d’ Nacht ihre alten G’schichten vorplauscht. Und kannst mir’s glauben – dabei hab’ ich schier gar mehrer profitiert als in der Schul’. Wenn man nachher ins richtige Alter kommt, da lernt man ’s von ei’m selber, was man von solchene Sachen halten muß. Und wenn man z’letzt auch drüber lacht – ’s Gute davon bleibt deßwegen doch: daß man an Sinn hat für alles, was über’m Gartenzaun draußen wachst und lebt.“

„Ja, ja, ja – ich red’ ja net dagegen, aber ich mein’ nur, es wär’ für d’ Vevi schon an der Zeit mit’m richtigen Alter. Die glaubt ja heut’ noch an ihre G’schichten so fest als wie an unsern Herrgott.“

„So laß s’ dran glauben – is g’scheiter, als wie wenn s’ eine von die Aufklärten wär’, die sich mit vierzehn Jahr’ schon Wulsten in d’ Röck’

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 697. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_697.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2024)