Seite:Die Gartenlaube (1885) 689.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

im Keller wieder zusammengefügt. Auf dem Vorderboden finden wir einen Querriegel, darüber ein von Weinranken umgebenes Römerglas, trefflich in Holz geschnitzt, und den Spruch:

„Im Rüdesheimer Berg gedeiht
Der Wein am besten weit und breit.
Drum schirme Gott dies Stückchen Erde,
Damit alljährlich voll ich werde.“

Im Jahre der Ablieferung – 1874 – wurde das Faß zuerst mit Rüdesheimer des genannten Jahrganges gefüllt.

Ein Bruder dieses Fasses ruht dicht daneben. Es enthält 12 Stück gleich 14 000 Liter oder 18 000 Flaschen. Das Gebinde hat einen Durchmesser von 2,60 und eine Länge von 3 Metern, die Daubenstärke beträgt 10 Centimeter. Das Faß wurde von dem in seinem Fache weitberühmten Faßfabrikanten Heinrich Wellhöfer erbaut, auf der Frankfurter Patent- und Musterschutz-Ausstellung 1881 ausgestellt und von der Firma Sturm dort erworben. Der Vorderboden ist prachtvoll aus dem Holz herausgeschnitzt und stellt eine vollständige Weinlese, die Kelterung und eine Weinprobe im Keller dar. Ueber diesen Schnitzereien befindet sich das Frankfurter Stadtwappen. Der Anschaffungspreis des großen Fasses war 200 Mark, während das zweite, kleinere, in Rücksicht auf die prächtige Schnitzerei, 2500 Mark kostete. Auch das letztere Faß ist in Gebrauch. Alle diese Fässer werden im Innern gereinigt, indem durch eine kleine Thür im Vorderboden, welche durch einen Querriegel geschlossen ist, ein Mensch in den duftigen Bauch kriecht, um „Schwenkung“ und Säuberung darin vorzunehmen. Wie oft haben wir in diesen gastlichen Räumen vor diesen würdigen Herren gestanden, und nicht nur die „gottvollen Tropfen“ geprüft, sondern auch mit Freund Rittershaus die Wahrheit seines sinnigen Spruches empfunden:

„Der Rhein erbaut im Rebenflor
Den Tempel für den Gott des Weines,
Und Rüdesheim – das ist das Thor
Zum Allerheiligsten des Weines.“

Das Riesenfaß der A. Wilhelmj’schen Kellerei zu Hattenheim.
Originalzeichnung von Otto Dillmann.

Drum war es auch ein treffender Gedanke Theodor Dilthey’s in Rüdesheim, ein Riesenfaß als Ehrenpforte zu bauen, durch welches Kaiser Wilhelm, alle Fürsten und deren Gefolge am Tage der Enthüllung des Niederwald-Denkmals den Durchzug hielten, ein Gruß der Rüdesheimer Küferzunft, dessen malerische Anordnung wir in Nr. 44, Jahrgang 1883 der „Gartenlaube,“ im Bilde bereits wiedergegeben.

Noch mächtiger aber erscheint das in den letzten Jahren so vielgenannte Riesenfaß zu Hattenheim. Und welche fröhlichen Stunden verlebten hier die Vertreter der deutschen Presse am Tage der Einweihung dieses Kolosses im gastlichen Hause A. Wilhelmj, bei Gelegenheit des Deutschen Journalisten-Tages im Jahre 1876! Verfasser dieses hatte selbst die Leitung der Expedition nach Hattenheim an jenem Tage übernommen und ein fröhlicheres Kellerfest, eine poetischere Weinprobe ist wohl am Rhein noch nicht erlebt worden. Mitten im gesegneten Rheingau, umgrenzt von Rauenthal, Marcobrunn Hattenheim und Johannisberg, inmitten seiner eigenen ausgedehnten Weinbergbesitzungen liegt das gastliche Haus Wilhelmj, dem jeder in Wiesbaden tagende Kongreß ebenso wie dem Hause Sturm in Rüdesheim seinen Besuch abstattet, seien es die Herren Mediciner, die Naturforscher, Journalisten oder Philologen. Wer sich einen Begriff von der Gewinnung des Weines, der Kelterung, Gährung und Kellerung verschaffen will, der wandere hierher – und bringe dem Weingott seine Devotion! Vater und Sohn Wilhelmj haben sich einen Namen erworben, der weit über des Vaterlandes Grenzen hinausreicht – der Vater begeistert zur Poesie durch seine feurigen Gaben – der Sohn

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 689. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_689.jpg&oldid=- (Version vom 22.8.2018)