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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

g’rad an einzigs hat – und rings drum ’rum, da stehen dreiß’g bluhweiße sammetne Strahlen.“

„Geh – das muß aber schön sein!“ seufzte das kleine Dirnlein.

„No, das glaub’ ich, daß so a Bleamerl schön is – wunderschön!“ betheuerte Veverl. „Ich selber hab’ freilich noch nie keins net g’sehn, aber mein Vaterl hat mir g’nau verzählt, wie’s ausschaut.“

Da legte Pepperl abermals die kleine Stirn in Falten und frug in beinahe drohendem Tone: „Is aber auch wahr, daß’s so a Bleamerl giebt?“

„No freilich!“ scholl jetzt von der Hausecke her die laute Stimme des Jägers, so daß die beiden Kinder erschrocken zusammenfuhren, während der Hofhund dem Jäger mit heulendem Gebell entgegenstürzte. Der Finkenbauer beruhigte das Thier, dann kam er mit seinem Gaste näher, der den verdutzt dareinschauenden Knaben lachenden Wortes ansprach: „No freilich is wahr, Du kleiner Thomasl, Du! Mir wirst es doch glauben! Weißt – ich hab’ selber schon eins g’funden, so a Bleamerl – ja. G’rad schad’ is, daß ich’s Dir nimmer zeigen kann – denn weißt, ich hab’s am Hut droben tragen, und da hat’s mir der Wind ’nunterg’weht über a Wand, daß ich’s nimmer hab’ finden können.“ Lachend wandte er sich zu Veverl, die sich erröthend erhoben hatte und den Jäger mit einem Blicke betrachtete, als suche sie aus seinem Gesichte zu ergründen, ob er scherze oder die Wahrheit spräche. „Aber schön kannst verzählen, Deandl! Schau – Dir möcht’ ich gleich selber zuhören, ganze Stunden lang.“

Veverl erröthete noch tiefer. Mit schüchterner Stimme beantwortete sie des Jägers Frage, wie es ihr ginge und wie sie sich auf dem Finkenhofe eingewöhnt habe – gut natürlich! Auch an die Kinder richtete der Jäger noch einige lustige Worte; dann stellte er den Bergstock an die Mauer und schritt mit dem Bauer in das Haus.

(Fortsetzung folgt.) 




Berühmte Weinfässer.

Von Ferdinand Hey’l-Wiesbaden.

„Kennt ihr des Kellers hohe Poesie?
Sie zu versteh’n, bedarf’s der Dichterader.
Zu Häupten sah ich schön’ren Himmel nie,
Als Wölbungen von fest gefügtem Quader,
Drinn einfach ruhig Faß an Faß gereiht,
Ein starkes, ritterliches Kampfgeschwader,
Im Panzerhemd von braunem Eichenkleid;
Sie fordern Dich heraus mit ernsten Mienen,
Als ob sie Zauberkraft zum Sieg gefeit,
Als wollten sie an Dir den Sporn verdienen.“

 Wolfgang Müller.

Der Zwerg Perkeo in Heidelberg.
Nach einer Photographie im Verlage von Edm. v. König in Heidelberg.

Wenn ein rheinischer Dichter den poetischen Zauber des wohlgefüllten Weinkellers besingt, so denkt er zumeist wohl an den Inhalt des „ritterlichen Geschlechts, der gottvollen Fässer“, und zu leugnen ist’s nicht: gemeinhin ist der Inhalt dem „braunen Eichenkleide“ vorzuziehen. Aber auch in letzterem, im Fasse selbst, liegt „da drunten in des Kellers tiefsten Gründen“ ein Stück Geschichte begraben.

Welche Wandlungen haben die Behälter für den edlen Rebensaft im Laufe der Zeiten durchgemacht! Viktor von Scheffel besang gelegentlich der Versammlung deutscher Philologen im Herbste 1865 das große Faß zu Heidelberg und nennt dieses Riesenfaß „ein Stück Kultur- und Sprachgeschichte“. Von den „Nilkanoben“ und den „Keilschriftthoncylindern“ kommt Scheffel auf den Gaisbockschlauch, dankt den Phöniciern für die pitschirten Flaschen, die sie uns geschaffen, und beklagt die „Kimmerier“, die noch kein großes Faß erbaut, sondern nur Bütte, Pott und Bottich hatten.

„Das echte Faß zeigt deutschen Schwung,
Es gingen die Germanen
Schon auf die Völkerwanderung
Mit Trinkglas, Faß und Hahnen.“

Und in der That, man darf wohl annehmen, daß die ersten Riesenfässer auf deutschem Boden gebaut und entstanden sind. Den Völkern des Alterthums war die Kunst, Fässer zu binden, durchaus fremd, und es wäre ein Irrthum, anzunehmen, daß Diogenes sich in eine Tonne nach heutigem Begriffe „mit philosophischer Ruhe“ zurückgezogen. – Wenn er in Wirklichkeit eine vollständige Wohnung in einer solchen bezogen, so war sein Heim doch offenbar nur ein irdenes Gefäß, denn Faßbinder kennt seine Zeit nicht, wohl aber Töpfer. Große irdene Krüge oder Schläuche von Ziegenfell waren damals die Weinbehälter, deren Inhalt indessen offenbar schon durch die Art der Behandlung ein anderer war, als unser Rebensaft ihn heute bietet. Offen stand der gegohrene Saft in irdenen Gefäßen, in Krügen und Amphoren, und unter den 100 000 Faß griechischen Weines, den nach Plinius der reiche Lucullus nach seiner Rückkehr aus Asien an das römische Volk vertheilt haben soll, sind wohl nur eben so viele Amphoren zu verstehen.

Haben wir aber den Faßbau nicht von den Alten gelernt, so ist uns doch ein Trinkgefäß von ihnen überkommen – das Trinkhorn, freilich in anderer Form der Anwendung, denn wir trinken oben aus der weiteren Oeffnung des Horns, die Alten bohrten in die Hornspitze ein Loch und ließen sich so den „rieselnden Bach“ angedeihen.

Hölzerne Tonnen finden wir zuerst bei den Deutschen, den Engländern und Franzosen, aber auch der letzteren Lehrmeister in dieser Richtung sind wir.

Die Hochschulen des Weinbaues selbst waren – die Klöster. Die fleißigen Mönche dachten dabei nicht allein an sich und den eigenen Genuß, sie fanden auch, daß der Weinbau nebenbei ein recht einträgliches Geschäft bildete. Deßhalb finden wir auch in den älteren geistlichen Gebäuden am Rhein auf und ab, in den aufgehobenen und noch bestehenden Klöstern die ungeheuren Keller und Lagerräume, in denen man sich im wahren Sinne des Wortes „verlaufen“ kann. Doch auch Fürsten und Ritterschaft pflegten und liebten den Saft, verkaufte doch Kaiser Wenceslaus seine Kaiserkrone um vier Fuder Bacharacher Weines an den Kurfürsten Ruprecht von der Pfalz beim Königsstuhl zu Rhense.

Und wenn man große Keller, große Humpen hatte – da brauchte man oder wünschte man doch auch große Fässer! Und diese „riesenbauchigen Schatzkasten“ finden wir auch heute noch am Rhein, zum Theil noch wohl erhalten, wenn die Faßriesen auch nicht mehr alle im Gebrauch sind.

Prunksucht und Nothwendigkeit schufen die älteren Riesenfässer. Im Rheingau dienten die großen Fässer zur Aufnahme von Zehentweinen, von Traubensaft, der aus den verschiedenen Weinbergslagen stammte.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 686. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_686.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)