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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Andreas Achenbach.

Mit Illustrationen S. 656 und 657.

Als einer der leuchtendsten Sterne strahlt dieser Name am Himmel der Kunst, und nur wenige Zeitgenossen werden sich finden, welche einer so allseitigen Anerkennung und Verehrung nicht nur im deutschen Vaterlande, sondern weit über dessen Grenzen hinaus, im großen, die ganze civilisirte Welt umfassenden Vaterlande der Kunst sich zu erfreuen hätten.

Kein Wunder also, daß in den weitesten Kreisen der Wunsch rege wurde, den 29. September 1885, den siebzigsten Geburtstag Andreas Achenbach’s, als sein fünfzigjähriges Malerjubiläum zu einem allgemeinen frohen Festtage zu gestalten, um dem verehrten Künstler die begeisterte Anerkennung seiner hohen Verdienste feierlich zu bethätigen.

Die Stadt Düsseldorf wollte sich das Vorrecht nicht nehmen lassen, ihrem großen Mitbürger, mit dem sie die längsten, die treuesten Beziehungen gepflogen, auch vor allen ihre Huldigung darzubringen. Sie beschloß, Andreas Achenbach in die Reihe ihrer Ehrenbürger aufzunehmen und ihm die Urkunde dieser Auszeichnung am Jubiläumstage feierlich zu überreichen. In wetteiferndem Bestreben trat aber gleichzeitig der Künstlerverein „Malkasten“ auf mit der ebenso vollgültigen Berechtigung, sein berühmtestes Mitglied nach Gebühr zu feiern. Die Inscenirung eines würdig schönen Festes lag also in guten Händen.

Als Kernpunkt desselben wurde von vornherein eine große Achenbach-Ausstellung in der Kunsthalle ins Auge gefaßt und mit allem Eifer ins Werk gesetzt. Betrachten wir diese Ausstellung, welche ein ebennso treues als überraschendes Bild von dem wunderbaren Entwicklungsgang und der eminenten Vielseitigkeit des Meisters giebt.

Da sehen wir zunächst „sein erstes Bild“ – als solches wenigstens vielfach bezeichnet – „Die alte Münze in Düsseldorf“. Der junge Andreas hat allerdings schon manches Bild vor diesem gemalt, und das wirklich erste mag schwerlich zu ermitteln sein, da das „Wunderkind“ schon in den frühesten Jahren in der Malerei Aufsehen erregende Versuche gemacht hat. (Ueber diese Jugendzeit ebenso wie über die spätere Entwicklung Achenbach’s giebt der ausgezeichnete mit dem Portrait des Jubilars geschmückte Artikel von Fr. Pecht („Gartenlaube“ Nr. 23, 1882) sehr interessante Aufschlüsse, denen nur wenig hinzuzufügen ist.)

Den staunenswerthen unermüdlichen Fleiß, welchen schon der Knabe im Zeichnen alles dessen, was ihn umgab, entwickelte, wissen noch jetzt seine Studiengenossen und näheren Bekannten nicht genug zu rühmen. Selbst während des Essens hatte er oft ein Blatt Papier neben sich liegen, und was auf dem Tische stand, wurde mit lebhafter Auffassung und schnellem Stift abkonterfeit. Als er nun mit 10 Jahren auf die Kunst-Akademie kam und hier vor lauter Beschäftigung mit der frischen Natur dem „langweiligen Gipszeichnen“ keinen Geschmack abgewinnen konnnte, malte er bald auf eigene Faust allerhand Landschaften, auf Leinewand oder Brettchen hingeworfene Skizzen; diese wurden flottweg „verklopft“ oder verloost und dann im Kreise fideler Genossen auch ebenso flott vertrunken, auf dem „Stockkämpchen“ in solennem Kaffee, wie es damals unter seinen Kameraden üblich war, und erhielten daher den Namen „Kaffeebildchen“. Diese gutherzige Freigebigkeit, aus dem Füllhorn seiner reichen Gaben die karger Bedachten ohne Bedenken mit genießen zu lassen, ist auch charakteristisch geblieben für den gereiften Mann.

Um nun aber wieder auf „Die alte Münze in Düsseldorf“ zurückzukommen, so kann dieselbe trotzdem Andreas Achenbach’s „erstes Bild“ in so fern genannt werden, als es das erste war, welches der damals siebzehnjährige Maler an den Kunstverein verkaufte. Dasselbe ist von einem Fenster seiner elterlichen Wohnnung aufgenommen und bekundet in seiner naiven, aber überzeugenden Lebenswahrheit den künftigen großen Realisten. Namentlich in der Auffassung des zur Darstellung gelangten bunten Straßenlebens birgt das Bild eine solche Fülle des Interessanten und Bedeutenden, daß es wohl verdient, als ein Grundstein der Entwicklung des Meisters betrachtet zu werden.

Und was dieses Erstlingswerk versprach. wie überaus glänzend ist es von dem hochstrebenden Genius erfüllt worden, den es in stolzem Selbstgefühl unermüdlich treibt, seiner Schaffenskraft stets die höchsten Aufgaben zu stellen! Die mehr als achtzig Nummern der Ausstellung, eine köstlicher als die andere, legen dafür das beredtste Zeugniß ab: die strenge Erhabenheit der norwegischen Bergesriesen, die ungebändigte Urkraft brausender Wasserfälle. die bestrickende Anmuth des italienischen Himmels, das farbensatte Getümmel der holländischen Handelsstädte, die stille Poesie des deutschen Waldes, die schaumgekrönte Schönheit des sturmdurchtobten Meeres – wo gäbe es größere Kontraste in der Stimmung der Natur, wo höhere wechselreichere Aufgaben für den nachbildenden Künstler, und wo wären sie mit so grandioser Meisterschaft gelöst wie von dem Einzigen – Andreas Achenbach!

Ja, welch eine übersprudelnde Fruchtbarkeit, welch eine Vielseitigkeit echt künstlerischer Gestaltungskraft bietet uns schon der Anblick dieser Ausstellung, und doch repräsentirt dieselbe nur einen ganz geringen Theil von der gesammten rastlosen Thätigkeit Achenbach’s! Wie manche seiner genialen Leistungen haben überhaupt nie eine Ausstellung gesehen und sind darum weniger bekannt – so seine Wandmalereien, viele seiner Studien, Aquarelle und Zeichnungen, seine Radirungen und Portraits, dann seine Dekorationen für festliche Aufführungen, seine ergötzlichen Karikaturen, seine Entwürfe zu Möbeln und dergl., seine Kompositionen für Thürfüllungen und Schränke etc. etc.

Ein paar vorzügliche Proben seiner Wandmalerei birgt ein Gut in der Nähe Düsseldorfs (im Tannenwäldchen), zwei Motive aus der römischen Campagna von entzückend großartiger Konception. Diese Bilder malte Achenbach im Juli des Jahres 1847 während eines Besuches als Bräutigam in der kurzen Zeit von zehn Tagen, leider werden diese kostbaren Kunstwerke zu wenig vor den schädlichen Witterungseinflüssen geschützt. Das „Schiff im Sturm“, welches der Meister Andreas für die „Gartenlaube“ auf Holz zeichnete (Seite 657), bringt die ganze erstaunliche Kühnheit der Achenbach’schen Auffassung und Kompositionsweise, die eminente Beherrschung der tollsten Bewegung klar zur Anschauung. Muß dieser wunderbare Künstler nicht einen photographischen Apparat für Momentaufnahmen im Auge haben? Und wie überzeugend spricht dieses Bild für die unverwüstliche, urgesunde Schaffenskraft des jugendlich frischen Jubilars!

Von dem übermüthig kecken Humor der früheren Brausejahre zeugt ein Kunststückchen, das er in einer Weinschenke in der Düsseldorfer Altstadt anbrachte, indem er die Wirkung der durchs Fenster hereinscheinenden Sonne auf Wand und Fußboden malte. Die bei trübem Wetter eintretenden Fremden waren nun immer, zum Ergötzen der Anwesenden, höchst erstaunt, wie hier so plötzlich die Sonne ins Zimnner scheine.

Dem im großen Ganzen so ernst schaffenden Künstler steckt überhaupt, als echtem Deutschen, doch der Schalk im Nacken, und der ist selbst mit den Jahren, wenn auch bedächtiger, doch nicht alt geworden. In jüngeren Jahren aber war er ein recht toller Durchgänger, der überall jubelnde Heiterkeit hervorzuzaubern verstand. Was war das beispielsweise ein Leben damals zum Düsseldorfer Karneval! Da war der „tolle Andres“ die Seele des lustigsten Treibens, überall mit Rath und That einwirkend, mit flotten Kostümzeichnungen unterstützend und mit höchst originellen witzreichen Einfällen belebend und erheiternd. Auf dem Bazar in der Lindenallee errichtete er seine Schaubude, selbst vor derselben den rastlos animirenden Ausrufer machend, und welch endlos fröhliches Lachen erscholl in allen Tonarten unter den herbeiströmenden Zuschauern beim Anblick der schelmischen Ueberraschungen! Das waren blendende Raketen und Schwärmer des echten rheinischen Humors. Auch bekundete sich derselbe in zahlreichen, mit Leichtigkeit hingeworfenen Karikaturen und Schnurren. Solche brachten seiner Zeit namentlich die vielverbreiteten „Düsseldorfer Monatshefte“, aber auch manches einzelne Blatt, Aquarell oder Radirung, fand seines zündenden Geistes wegen kaum weniger Verbreitung.

Und wie Bruder Humor und Schwester Satire meist zusammen gehen, so führte auch letztere gern dem neuen Simson den Stift zu kecken Strichen, so daß mancher dürre Philister

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 654. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_654.jpg&oldid=- (Version vom 29.3.2024)