Seite:Die Gartenlaube (1885) 642.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

in die Tinte getrocknet? Jetzt wisse sie oft nicht, was sie hier oder dort antworten solle, sie sei keine Gelehrte und verbitte sich derartige Katechesen. Ich sei in dieser Rolle des Mentors nichts weniger als verführerisch – sie bitte um die alten Themata.

„Liebe sei der Inbegriff – auf das And’re – – pfeif’ ich“ – sagt ein deutscher Dichter, und meine kleine Herzensflamme empfand, wie ich verdrießlich und gezwungen lachend erkannte, auf griechisch das Gleiche. Ja, was war da zu thun? Oft saß ich mit der Feder in der Hand und starrte wie ein Unglücksmensch auf das grüne Tuch meiner Schreibunterlage, auf welcher der Brief lag, den ich an „sie“ absenden wollte, und kein Weiser der Erde, selbst wenn er mit dem auserlesensten Scharfsinn begabt gewesen wäre, würde in mir einen der Gottbegnadeten gesucht haben, der eben im Begriffe steht einen Liebesbrief zu schreiben. Meine Physiognomie ließ eher auf die Unterzeichnung eines Todesurtheils schließen, und während ich bemüht war, echt pädagogisch zu handeln und meine Belehrungen in das Gewand einer harmlosen Plauderei zu kleiden, summte mir beständig das kleine neckische Lied in den Ohren, dessen ich oben schon einmal gedachte:

„Als ich jüngst von ungefähr – durch den Wald spazierte,
 Kam ein kleiner Vogel her – sang und trillerirte.
 Was der kleine Vogel pfiff – fühl’ ich und begreif’ ich –
 Liebe war der Inbegriff – auf das And’re – – pfeif ich!“

Der T ..... mochte wissen, wer es gedichtet hatte, aber mir erschien es wie ein Hohn auf meinen Zustand, und wenn ich den Verfasser gleich da gehabt hätte …

Endlich that ich das Aeußerste – das Letzte. Ich schrieb Zacharula in der schonendsten Weise meine Besorgnisse und legte ihr überzeugend klar, daß die Welt, in der ich zu leben gezwungen sei, andere Ansprüche an ein Weib stelle, als die Welt, die sie geboren habe. Ich bat sie, ihren Kenntnissen noch etwas nachzuhelfen, sich die nöthigsten gesellschaftlichen Umgangsformen anzueignen und zu diesem Zwecke ein Jahr zu ihrer Schwester Jone nach Paris zu gehen, die ja auch aus Liebe zu Abbott noch als Frau ein renommirtes Pensionat besucht habe und heute noch die theuersten Lehrer bezahle, um zu lernen – aber Zacharula wollte davon nichts hören. Sie könne ihre Mutter, die schon durch die Trennung von Jone schwer leide und vor Sehnsucht nach dieser fast vergehe, jetzt nicht auch schon verlassen – im Uebrigen begreife sie mich nicht. Sie sei noch die gleiche Zacharula wie sonst und mir ja früher als solche gut genug gewesen. Sie sehe in diesen ewig sich wiederholenden Aussetzungen an ihrer Person, in diesen fortgesetzten Belehrungen und Forderungen mehr als ich vielleicht ahne, und fühle sehr wohl heraus, daß ich bereue, dieses Verhältniß mit ihr, dem armen, kleinen Landmädchen, überhaupt angeknüpft zu haben. Das könne sie nun freilich nicht ändern ... Sie sei nun einmal so ... Sie wolle sich auch nicht aufdrängen; wenn ich der Meinung sei, daß sie mir nicht genügen könne, so solle ich das nur offen sagen. Dieser Brief verdroß mich furchtbar. Ich beantwortete ihn mit bärbeißiger Unliebenswürdigkeit und – – sie schrieb nie wieder.

So war nach zwei Jahren mein Traum zerronnen, aber die schöne Griechin zu vergessen, wollte mir durchaus nicht gelingen, und wenn es mir auch in den darauffolgenden Jahren an verheißungsvollen Blicken aus manchem hellen Augenpaar nicht gefehlt hat, ich wurde meiner alten Liebe nur vorübergehend untreu. Sie thronte noch immer in meinem Herzen: Zacharula.

*  *  *

Hier brach das Manuskript ab, das ich, wie von einem inneren Drange getrieben, in einem Zuge niedergeschrieben hatte, um damit die Schuld abzutragen, welche ich durch den unbedachtsam herbeigeführten Verlust eines Vielliebchens auf mein Haupt geladen hatte. Die darin berichteten Vorfälle sind wahr, denn das war eine der Bedingungen, zu deren Innehaltung ich mich der schönen und eleganten Mademoiselle Virginie de Ferréol durch Handschlag so fest und noch fester verpflichtet hatte, als wenn ich dies Versprechen durch Schwur und Ehrenwort besiegelt hätte.

Der Leser erräth, daß ich eine alte Bekanntschaft erneuert hatte.

(Schluß folgt.)

Die Karolinen.

Von Dr. O. Finsch.

Unsre Zeit ist dem Studium der Erdkunde in ganz besondrem Maße förderlich. Täglich tauchen Namen auf von Ländern und Orten, von denen wir in der Schule kaum vorübergehend hörten und die wir mit so vielen andren seitdem längst gern vergaßen. Wer unter uns kümmerte sich bis vor kurzem viel um den entlegenen Archipel der Karolinen, wie viele hatten jemals von einer Insel Yap gehört? Und heute ist sie gar wichtig geworden, zwei Völker streiten um ihren Besitz.

Die Inselgruppe der Karolinen ist über einen gewaltigen Meeresraum verstreut, sie erstreckt sich durch 32 Längen- und 4 Breitengrade, ganz Nordfrankreich, Holland und Belgien nebst Norddeutschland ließen sich in ihm unterbringen, aber dieser Raum wird zum bei weitem größten Theile von Wasser eingenommen, nur ein verschwindend kleiner Theil kommt auf eine Anzahl von meist ganz winzigen Landbrocken, die, zum kompakten Ganzen zusammengeschweißt, das Herzogthum Sachsen-Altenburg an Größe kaum übertreffen dürften. Und von diesem Areal entfällt noch mindestens ein Drittel auf öde und unbewohnbare Korallenriffe, deren nackte, rauhe Oberfläche nur hier und dort eine Gruppe grünender Kokospalmen verschönt.

Der staunenswerthen Thätigkeit jener unermüdlichen Baumeister der Südsee, der Korallenthierchen, verdankt eine ganze Reihe der Karolinen ihre Existenz. Langsam, aber dauerhaft bauen Milliarden jener kleinen Lebwesen ihre mächtigen, dem Ungestüm des Oceans trotzenden Steinwälle von Grund des Meeres bis zu seinem Spiegel auf; da aber erlahmt ihre Thätigkeit, denn aus dem Seewasser ziehen sie ihr Baumaterial, den Madreporenkalk, und außerhalb des Meeres endet ihr Dasein. Aber der Gott der Tiefe hilft nach. Aus den Flanken der aufstrebenden Riesenmauern reißt er gewaltige Blöcke und schleudert sie auf das Riff. Da sammeln sie sich an, bis die Fläche sicher über die brandende Fluth emporragt. Nun entsendet die Tropensonne ihre glühenden Strahlen, die mächtigen Blöcke zerbersten und lösen sich endlich in weißen schimmernden Korallengries auf. Noch rollt die Fluth die Stämme herbei, welche sie anderen Gestaden entrissen, vermodernd mischen sie sich mit dem zerfallenden Gestein, und bald sprießen aus dem geschaffenen Humus die Saaten, Geschenke der Winde und Wellen, zu anmuthigen Hainen auf.

So sind Hunderte dieser kleinen Inseln entstanden, die aber dennoch in ihrer Gesammtheit nur einen kleinen Theil des ganzen Areals ausmachen, von welchem volle zwei Drittel auf fünf größere Inseln entfallen, die, durch vulkanische Thätigkeit vermuthlich bereits unter dem Meeresspiegel entstanden, ihre abgerundeten, dichtbewaldeten Kuppen jetzt hoch über die blaue Fluth erheben.

Der Anblick dieser fünf Inseln: Kuschaie, Ponape, Ruk, Yap und Palau, ist von unvergleichlicher Lieblichkeit. Eigentlich sind es nicht Inseln, vielmehr Inselgruppen, verbunden durch niedrige Korallendämme, über welche die Fluth oft hoch genug hinwegfegt. Und es ist nicht die Mannigfaltigkeit und Eigenart der Vegetation, vielmehr ihre wunderbare Mischung und Gruppirung, welche diese Inselwelt mit einem Reiz umkleiden, wie wir ihn anderswo selten antreffen.

Eine der anmuthigsten Inseln der Gruppe ist das jetzt vielgenannte Yap, bei dessen Besetzung das deutsche Schiff dem spanischen Konkurrenten zuvorkam, ein Eiland von etwa vier Quadratmeilen Umfang oder vielmehr eine durch einen schmalen Isthmus verbundene Doppelinsel, auf welcher die ursprünglichen Urwälder durch schöne Haine von Fruchtbäumen und Palmen ersetzt werden, während die über 400 Meter aufsteigenden vulkanischen Kuppen nur mit Gesträuch, Farrenkräutern und Gras bedeckt sind. Die circa 200 Quadratkilometer große Insel zählt etwa 2500 Einwohner in nicht weniger als 67 von einander unabhängigen Ortschaften, und fast immer stehen einige der kleinen Potentaten einander feindlich gegenüber. Freilich sind die Verluste durch solche Kämpfe nicht groß, vorsichtig wirft man Erdwälle auf, um aus deren sicherer Deckung die gezähnten Speere hervorzuschleudern, auch

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 642. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_642.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2024)