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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Illustration dieser Verhältnisse bietet uns das Gemälde von A. Kappis, welches wir heute im Holzschnitt wiedergeben. Auf dem großen Bauernhofe, wo Hühner und Enten gackernd und schnatternd nach jedem Körnlein suchen, der Pfauhahn kühn einherstolziert, Freund Truthahn kollernd sein Rad schlägt, die Täubchen sich schnäbeln, ist die Dreschmaschine in voller Thätigkeit, getrieben von der Lokomobile, die ihren bläulichen Rauch hinauf zum lichten Aether sendet. Malerisch gruppiren sich an die alte Scheune mit dem großen Strohdache prächtige, hohe Laubbäume, in denen die Singvögel nisten und ihr Lied fröhlich aus der kleinen Kehle in den weiten Himmelsdom schmettern. Ein echt ländliches, gemüthvolles Bild! Unter dem Vorsprunge des einfachen, alterthümlichen Bauernhauses steht das steinalte Großmütterchen, kopfschüttelnd denkt sie vergangener Zeiten, wo noch der Ton der Dreschflegel im munteren Dreischlag von der Tenne herüberklang anstatt des Stampfens des rußigen Ungeheuers. Ja – die gute alte Zeit mit ihrer wundersamen Einfachheit, dem harmonischen Einklange und poetischen Hauche, sie ist vorüber. – Vorwärts, mit der Schnelle des elektrischen Funkens, der auf Drähten die Erde umfliegt, ist die Losung des heutigen Tages. Niemand hält den gewaltigen Kreislauf der Dinge auf, Niemand ändert ihn, das Alte vergeht und neues, frisches pulsirendes Leben entsteht aus ihm wieder in anderer vollkommenerer Gestalt.


Blätter und Blüthen.

Aus der Rumpelkammer eines Rathhauses. Daß selbst eine „Rumpelkammer“, zumal wenn sie die eines Rathhauses ist, zuweilen ganz beachtenswerthe Schätze enthalten kann, davon erzählt Professor Mohr in seinem trefflichen jüngst erschienenen Buche „Köln in seiner Glanzzeit“ (Köln, Ahn) ein interessantes Beispiel. Während der inneren baulichen Veränderungen im Kölner Rathhause, im Jahre 1859, war der damalige Archivar Dr. Ennen mit Aufräumen in der sogenannten Mittwochsrentkammer beschäftigt. Er ließ sich weder den Staub noch die Mühe verdrießen, Berge vergilbter Akten zu durchstöbern und mit kundigem Blicke zu prüfen, was ihm in die Hände kam. Aber nicht in den Akten, sondern unter denselben machte er zunächst eine interessante Entdeckung: es fand sich dort ein Richtschwert, eine ungewöhnlich schön gearbeitete Waffe aus dem 14. Jahrhundert. Da dasselbe seiner Zeit entblößt geführt wurde, so diente ein wenig ansehnliches Futteral, innen von dünnem Holze, von außen mit grauer Leinewand überzogen, als Scheide. Die Klinge, welche noch die Spuren des letzten Strafgerichtes trug, war von tadelloser Vollendung. Der schlanke, kreuzweise umwundene Griff hatte oben, entsprechend der Zeit, statt des Knaufes eine Medaille, zu beiden Seiten aber in vergoldetem Silber und in Email das Wappen der Stadt, die Kronen der heiligen drei Könige.

Dieser außergewöhnliche Fund ermunterte Ennen und den inzwischen hinzugezogenen Prof. Mohr zu weiteren Nachforschungen, und namentlich war es eine große schwere Kiste, welche sie anzog, trotzdem dieselbe dem Anscheine nach kaum mit anderem, als werthlosen Lappen angefüllt war. Da sie keinen Deckel hatte, so erschwerte der Staub von Jahrhunderten das Suchen außerordentlich. Das erste, was sich unter dem Wuste zeigte, war eine auf Leinwand gemalte unbedeutende Kirmeßfahne aus dem vorigen Jahrhundert. Doktor Ennen scherzte nicht wenig über das bescheidene Resultat und über das bestaubte Aussehen dieses Fundes. Dann aber folgte schon eine zweite, bessere Fahne auf Leinwand, mit einem wohlstilisirten Doppeladler aus dem 17. Jahrhundert, und endlich nach fortgesetztem Wühlen zeigte sich ein Fund, der selbst kühnere Erwartungen noch übertraf. Es war das ein Stück rother Seide mit einem Bruchstück der Kölner Wappenkronen des Dreikönigenbanners und zwar nicht nur in ansehnlicher Größe, sondern auch ausnehmend schön und auf goldenem Grunde gezeichnet, nach der Stilart des Kronenlaubwerks etwa der letzten Hälfte des 14. Jahrhunderts angehörig. Von dieser Fundstelle an war der ganze übrige Raum der mächtigen Kiste mit solchen, manchmal nur fingerlangen Theilen von verschiedenen Fahnen und aus verschiedenen Zeiten angefüllt. Namentlich aber zeigten sich noch so zahlreiche Stücke des Dreikönigenbanners, daß, in pietätvoller Würdigung eines solchen Schatzes, Prof. Mohr seitens der städtischen Behörde mit der Wiederherstellung dieser für die Geschichte der Stadt höchst wichtigen Fundstücke betraut werden konnte. – th.     


Nachtigal’s Grab auf Kap Palmas.

Markener Schulkinder. (Mit Illustration S. 597.) An der Westseite der Zuydersee liegen die malerischen Küstenstädte Monnickendam und Edam. Hell leuchten ihre Thürme im Morgensonnenscheine, selbst weithin sichtbar und prächtige Ausblicke gewährend bis nördlich nach Hoorn hinauf und östlich nach Marken hinüber, einer kleinen mit einem Leuchtthurme versehenen Insel. Täglich geht ein Markener Segelschiff nach Monnickendam und von dort nach der Insel zurück, und überraschend wirkt auf den Fremden der Anblick des originellen Hafens der Insel, in welchem oft Hunderte von Fischerbooten liegen, fast bewegungslos bei Sonnenschein und blauem Himmel, aber auf und ab gehoben und dumpf gegen einander gestoßen bei stürmischer See. Etwa 800 bis 1000 Einwohner zählt die Insel, ein kleines Völkchen, aber ein solches, das sich in Sitten und Gebräuchen manche Eigenart bewahrt hat. Kräftige, urwüchsige Menschen sind es, einfach und bieder, unermüdlich in ihrem Berufe als Fischer. Mit großer Liebe hängt der Markener an seiner von schilfbewachsenen Kanälen durchzogenen heimathlichen Insel, und die Stürme, die alljährlich über dieselbe dahinbrausen, die wogenden Wassermassen, die sie schäumend überschwemmen – sie schrecken ihn nicht, denn er kennt sie und weiß, daß sie fast ebenso schnell gehen, wie sie gekommen sind, und daß nach ihnen die Sonne so heiter vom Himmel hernieder lacht wie zuvor. Auf seiner Insel wird das Markener Kind erzogen, dort heirathet es, wenn es herangewachsen ist, und dort bleibt es, um in redlicher, ja harter Arbeit des Lebens Unterhalt zu erwerben.

Prächtig ist die Tracht der Markener und namentlich diejenige der Kinder. Buntfarbiger Kattun und Spitzen machen den Eindruck kostbarer Stickereien, die weiten, meist dunklen Pumphosen wirken im Gegensatz zu der helleren Gewandung des Oberkörpers überaus malerisch, ja selbst die kleinen Holzpantinen stimmen harmonisch zum Ganzen.

Zu dem Gewande dann ein fröhliches Herz und ein sinnendes oder lachendes Gesicht: kann es ein lieblicheres Bild geben? Kaum ein schöneres hätte der Maler festhalten können, als das der drei Markener Schulkinder, aus deren Augen helle Jugendlust uns entgegenlacht und deren malerische Tracht von dem dunkeln Schilfe sich nur um so wirkungsvoller abhebt. – th.     


Nachtigal’s Grab auf Kap Palmas. Nachdem die Nachricht von dem Tode des berühmten deutschen Afrikaforschers und Generalkonsuls des Deutschen Reiches Dr. Gustav Nachtigal zu uns gedrungen war, entstand bekanntlich der Plan, dem Verewigten ein Denkmal in seiner Heimath Stendal und ein anderes auf seinem Grabe an der afrikanischen Küste zu setzen. Vor Kurzem gelangten wir in den Besitz der ersten Photographie der letzteren Stätte, an die sich eine der großen Erinnerungen unserer Zeit knüpft, und obgleich wir über Kap Palmas bereits früher einen illustrirten Artikel gebracht haben (vergl. Nr. 23), so glaubten wir doch, daß das obenstehende Bild des schlichten Grabes den meisten unserer Leser willkommen sein dürfte und in den Spalten der „Gartenlaube“ einer Aufnahme werth sei. Der Tod im Dienste einer großen Idee verleiht seinen Opfern die Palme der Unsterblichkeit, und so soll uns auch jener einsame Hügel, der weit in die weiße Brandung des Oceans hinausschaut, nicht minder unvergeßlich und theuer bleiben, als die Heldengräber um Metz, Sedan und Paris.


An der Quelle. (Mit Illustration S. 609.) Tausendmal haben wohl die Künstler die in unserer Illustration wiedergegebene Scene behandelt, und doch fesseln uns stets jene Bilder der Mädchen und Frauen am Brunnen oder an der Quelle; denn in dem Wasserschöpfen durch Frauenhand liegt ein, wir möchten fast sagen tiefer, geheimnißvoller Zauber. Die Kunst braucht bei der Darstellung dieser tagtäglich wiederkehrenden Handlung nur einige poetische Lichter aufzusetzen, nur eine passende Staffage zu erfinden, um diesen Zauber vor unsern Augen bloßzulegen. Die sprudelnde Quelle erscheint uns stets als das Sinnbild des dahinrieselnden Lebens, und Dichter vernehmen in ihrem Murmeln Geschichten seltsamer Schicksale. Darum ist auch die Zahl der Lieder, die Quellen und Bäche besingen, seit uralten Zeiten eine unendliche gewesen. Aber auch die Maler schaffen Bilder, die als Gedichte aufgenommen und als Gedichte empfunden werden müssen, und ein Stück auf die Leinwand gebannter Lyrik ist sicher das von poetischem Hauch durchwehte Bild von E. Munier: jenes frohe Mädchenpaar am rieselnden Quell in der wilden Felsschlucht, deren Herzen und Seelen, von dem Schicksale des Lebens unberührt, noch klar und hell sind, wie das reine aus dem Felsen quellende Wasser.



Inhalt: [Inhaltsverzeichnis dieses Heftess, z.Zt. nicht übertragen.]


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 612. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_612.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2024)