Seite:Die Gartenlaube (1885) 586.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

einen kräftigen Körperbau hat, er ist mehr Fürsprache für sie als die größte Schönheit; denn „das glatte (schöne) Gesicht kann man nicht essen“, und ein „spillerig Ding“ (schwächlich gebautes Mädchen) kann nicht arbeiten, wie es einer Bäuerin geziemt.

Ist das „Besehen“ zur Befriedigung des interessirten Theiles ausgefallen, so wird „die Sach’ gleich ’wiß gemacht“ und zu diesem Behufe die „Löfft“ (Verlobung) verabredet. Dieselbe findet stets auf dem Hofe statt, von dem Braut oder Bräutigam weg heirathen, während die Köst dagegen immer auf dem anderen Hofe abgehalten wird.

Auch bei diesem Feste tritt der praktische Sinn des Hansjochenwinklers zum Vorschein. Wohl zieht das Jungvolk des Dorfes am „Löfftabend“ vor die Hausthür und zerwirft dort Scherben und schießt hinter den Fenstern, wofür es von Braut und Bräutigam auf dem Hofe mit einem „Pöttchen“ (Topf) voll Grog und mit Butterkuchen bewirthet wird; wohl werden zum ersten Male silberne oder goldene Ringe gewechselt und Liebesgaben zwischen den Neuverlobten ausgetauscht, aber schon diese Brautgeschenke haben einen praktischen Werth, denn sie bestehen zumeist aus „Erbthalern“ und „Doppelpistolen“ (Friedrichsd’or). Das ist das „Verlobungsgeld“, welches die späteren Eheleute ihr ganzes Leben lang sorgfältig aufbewahren, „weil dann das Vieh gut gedeiht“. In erster Linie aber wird auf der Löfft „Alles beschnackt“, das heißt das Nähere über die Bedingungen der Uebergabe des Hofes an das „jung Volk“ verabredet, was allerdings später noch durch eine gerichtliche „Beschreibung“ bekräftigt wird.

Bis dahin sollte eigentlich alles geheim gehalten werden, und erst nach der „Löfft“ haben sich die Verlobten öffentlich zu zeigen und fahren deßhalb gemeinsam „zu Markt“, zumeist zum Dionysius-Markt in Salzwedel. Dort werden „goldene“ Gesangbücher, „Halsgeschirr“, Uhrketten etc. gekauft. Für einige Distrikte muß dieser Dionysius-Markt auch wohl die Gelegenheit für die „Brautschau" abgeben, also für das erste Bekanntwerden des jungen Paares.

Anhalten des Brautwagens.

Wenn man die inneren Vorbereitungen zum Einfreien nach allen Seiten hin getroffen hat, so denkt man auch an die äußeren. Diese werden im Wesentlichen auf dem Hofe des Brautvaters vorgenommen. Dort arbeiten Tischler für den „Kistenwagen“ die Möbel, Schneider die Kleidungsstücke, „Neisterinnen“ (Näherinnen) aus „selbstgemachtem“ Linnen die Wäsche. Endlich ist der Hochzeitstag nahe gerückt, der bei erstmaligen Heirathen in der Regel ein Dienstag, bei Heirathen solcher Personen aber, von denen „ein Part verwittwet“ war, ein Freitag sein muß. Am Donnerstag vor der Köstwoche" werden vom Hofe des Brautvaters Mastochsen, Schweine, Hammel, Gänse, „Kiepen voll Hühner“, „Moller“ (Säcke mit Mehl zu Kuchen und Brot), Grütze, Butter, Eier, gebackene Pflaumen, Bohnen, ja selbst Salz und was dergl. m. auf den Hof des Bräutigams gebracht. Am Freitag wird dort geschlachtet, am Sonnabend und Montag gebacken. Ganze Berge von zubereiteten Backwaaren, von Fässern mit Braunbier und „Schluck“ (Branntwein) werden aufgestapelt, denn die Zahl der Gäste beträgt manchmal mehr als ein halbes Tausend. Endlich ist der Sonntag vor der „Köst“ gekommen, und der interessanteste Theil der Hochzeit nimmt seinen Anfang: es werden Braut- und Kistenwagen gefahren. Der Brautwagen von früher unterschied sich wesentlich von dem von heute; denn während man zu demselben jetzt eine Kalesche oder Kutsche mit zwei Pferden davor nimmt, verwendete man dazu in früheren Zeiten einen großen Erntewagen mit Sprossenleitern, den man mit Tannenreisig und Blumengewinden bekränzte. Derselbe wurde auch erst am Hochzeitstage gefahren; sechs Pferde zogen ihn.

Auf dem „nasken“ (linken) Vorderpferde saß der nächste Verwandte der Braut, also gewöhnlich ihr Bruder, auf dem „hotten“ (rechten) Deichselpferd derselbe Verwandte des Bräutigams. Im Falle ein Bräutigam in einen Hof „freite“, war dies Alles just umgekehrt. Dem Hinterfuhrmann steckte man auf jeder Schulter ein großes buntes Frauentuch fest, dem Vorderfuhrmann ein solches nur auf der rechten Schulter. Jedem Pferde war auf dem Kopfe ein künstlicher Blumenstrauß mit schmalen, rothen Seidenbändchen befestigt. Auf dem Wagen saßen vorn die Musikanten, hinter diesen die jungen „Kerle“, welche zur Köst „genöthigt“ waren. In der Mitte des Wagens auf dem geschnitzten und gedrechselten „Brautstuhle“ saß die Braut. Um sie herum standen die jungen „Dirnen“ so dicht, daß dieselbe von den Zuschauern bei Leibe nicht gesehen werden konnte, denn wenn man die Braut von unten sah, so war der Wagen nicht voll, die

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 586. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_586.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2022)