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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

siebzehntägiger Fahrt winkte ein freundlicher Hafen. Hier landete man – aber von der Besatzung des Schiffes waren nur noch achtzig Mann am Leben; vierunddreißig „schliefen bereits den Todesschlaf auf dem Grunde des Meeres“.

Die Nahrungsmittel waren ausgegangen, die Hungersnoth drohte, und so beschloß Pizarro, mit dem größten Theil der Mannschaft an Ort und Stelle zu bleiben und das Schiff nach den Perleninseln zu senden, damit es frische Vorräthe bringe. Siebenundvierzig Tage harrte er auf dessen Rückkehr und kämpfte inzwischen mit den fürchterlichsten Gegnern, mit Hunger und Krankheit, denen wiederum zwanzig Mann erlagen, denn die blendende Pracht der tropischen Natur erwies sich trügerisch und wollte die Fremden nicht nähren. Seethiere, Muscheln, Eidechsen, saure und bittere Früchte bildeten ihre kümmerliche Nahrung – und die Ueberlebenden trennten sich von dem freundlich dreinschauenden Gestade, indem sie es Puerto del hambre, das heißt Hungerhafen, nannten. Endlich wurde ein von kriegerischen Kannibalen bewohntes Dorf erobert und darin einige Goldsachen gefunden, aber schon am nächsten Tage mußten die Spanier unter starken Verlusten der Uebermacht weichen.

Glücklicher war Almagro, der mit dem zweiten Schiffe Pizarro gefolgt und auf Dörfer mit reinlichen Wohnungen gestoßen war, auch etwas mehr Gold erbeutet hatte.

Mit ähnlichen Entbehrungen, aber mit glücklicherem Enderfolg war die zweite Fahrt nach Peru verbunden. Auf der hohen See traf Almagro ein großes Schiff, eigenartig gebaut, aus dicken, rohrartigen Stämmen einer leichten Holzart, welche mittelst Hanfstricken zu einem Floß zusammengefügt waren. Ein Häuschen stand darauf, an dünnen Stämmen waren Segel befestigt, große Steine dienten als Anker. Die Spanier trafen mit peruanischen Händlern aus der Stadt Tumbez zusammen. Die ersten Anzeichen einer eigenartigen Kultur traten ihnen entgegen; reicher Gold- und Silberschmuck, feine wollene oder baumwollene Kleider, in welche prachtvolle farbige Muster eingenäht waren, wurden eingetauscht, und Pizarro konnte sie jetzt seinem König vorlegen. Im Kodex 120 der Wiener Bibliothek ist eine ausführliche Liste jener zum ersten Mal eingetauschten peruanischen Waaren vorhanden.

Und trotzdem drohte dem Unternehmen ein schmachvolles Ende. Die Kunde von den zahllosen Menschenopfern, welche die Expedition forderte, veranlaßte den Gouverneur von Darien zu energischen Maßregeln. Er sandte ein Schiff nach der Gorgo-Insel, auf welcher die Spanier noch schlimmere Noth als in dem Hungerhafen zu dulden hatten, damit es Pizarro und seine Mannschaft zur Rückkehr nach Panama zwinge.

Die Leute Pizarro’s haben jene Insel „die Hölle“ genannt und waren gern bereit, der Aufforderung des Schiffskapitäns zu folgen. Da sprang Pizarro auf, zückte sein Schwert, zeichnete eine Linie auf dem sandigen Boden von West nach Ost und rief nach Süden zeigend: „Castilianer! Dieser Weg führt nach Peru und seinen Schätzen, jener nach Panama und an den Bettelstab. Wählt! Wenn Ihr auch Alle mich verlaßt, ich allein werde das Goldland erobern.“

Er überschritt die Linie; nur dreizehn folgten ihm, und die Geschichte Spaniens nennt sie „die berühmten dreizehn“ (Los trece de la fama).

Endlich wurde der Hafen von Tumbez erreicht. Staunend sahen die Spanier eine große von starker Veste überragte Stadt. „So weit das Auge reichte, erstreckte sich landeinwärts eine grünende, fruchtbare, von wohl angelegten Kanälen bewässerte Ebene, gleich einem Gemüsegarten.“

Gastfreundlich wurden die Fremden empfangen, und nach Begrüßung und Bewirthung eines in der Stadt gerade anwesenden Inka an Bord des spanischen Schiffes ging der Spanier Alonso de Molinas in Begleitung eines Negersklaven ans Land. Nach seiner Rückkehr pries er den Goldreichthum und die Wohlhabenheit der Einwohner, und sein Bericht veranlaßte Pizarro, anderen Tages einen zweiten Kundschafter nach Tumbez zu senden.

„Pedro de Candia, so hieß er, legte sein glänzendes Panzerhemde an, setzte einen funkelnden Helm auf, nahm den blitzenden stählernen Schild an den Arm, gürtete sein Schwert um und bewaffnete sich noch außerdem mit einer Arkebuse.

So ausgerüstet betrat er die Stadt, wo seine Erscheinung begreiflicherweise die höchste Verwunderung hervorrief. Hell leuchteten und blitzten Rüstung und Waffen in den Strahlen der tropischen Sonne: Das war ein Huirakotscha, ein wahrer ‚Sohn des Glanzes‘, den Blitz und Donner in seiner Hand! Pedro de Candia nämlich unterließ nicht, seine Donnerbüchse gegen ein Brett abzufeuern, daß die Holzsplitter umherflogen. Um aber doch den Halbgott näher auf seine himmlische Sendung zu prüfen, ließ man einen Jaguar auf ihn los.

Anstatt den Spanier anzufallen, soll sich der Tiger demüthigst zu seinen Füßen geschmiegt haben. Von nun an unterlag es keinem Zweifel: der Fremdling war ein Sohn des Sonnengottes und mußte als solcher nach dem Tempel seines Vaters geleitet werden.“[1]

Der Bericht Pedro’s de Candia überstieg noch die Mittheilungen des ersten Kundschafters. Der Tempel des Sonnengottes war inwendig von oben bis unten mit Goldplatten getäfelt; in dem Palast des Herrschers, der für seinen zeitweisen Aufenthalt in der Stadt bestimmt war, bestanden sämmtliche Gefäße aus lauterem Gold und Silber, und in dem diesen Palast umgebenden Garten sah man goldene und silberne Menschen- und Thierbildnisse, Bäume und Gesträuche aus gleichem edlen Metall. In der Stadt herrschte überall die trefflichste Ordnung. Durch die reinlichen Straßen zogen sich Wasserkanäle, wohlgepflegte Bäume beschatteten die Plätze. In den Häusern überall Ueberfluß an Nahrungsmitteln und fein gewebten Stoffen! Und Tumbez war nur die Hauptstadt einer entlegenen Provinz des großen Inkareiches.

Es war kein Zweifel mehr: das Goldland, von dem die Indianer fabelten, war entdeckt worden. Mit geheuchelter Freundschaft und geheuchelter Gesittung zogen die Spanier längst der fruchtbaren Küste heimwärts, um bald in größerer Zahl zurückzukehren und die Rechte der Eroberer geltend zu machen.

Auf Grund dieser Berichte erhielt Pizarro von Karl V. die nöthigen Vollmachten und zog drei Jahre später, 1531, an der Spitze von 180 Soldaten und 37 Reitern in Caxamarca ein. Mit dieser Handvoll tollkühner Abenteurer wagte er den Riesenmarsch über die Anden, wagte, den Inka inmitten seines 50000 Mann starken Heeres gefangen zu nehmen, und brachte es fertig, das „Reich der vier Sonnen“ und eine der eigenartigsten Kulturen der Welt im Laufe weniger Jahre zu vernichten. J.     


  1. Vergl. „Das Inka-Reich“. Von Dr. B. Brehm. Jena, Fr. Mauke’s Verlag.

Wie schützen wir uns vor giftigen Pilzen?

Ein Wort zur Bekämpfung des Küchenaberglaubens. Von Paul Kummer.

Der schlimmste Aberglaube ist derjenige, welcher alle Spuren seines dunklen Ursprungs, alle seine Beziehungen zu dem Teufel und sonstigem Geisterspuk längst abgestreift hat und nur als harmlose Lebensregel oder allgemein anerkannte schlichte Meinung uns entgegentritt. Er ist der schlimmste und gefährlichste zugleich. Ein solcher Aberglaube hat sich seit alter Zeit in unseren Küchen eingenistet und bringt noch heute sehr vielen leider – Tod und Verderben.

„Nur keine Furcht vor Pilzen!“ raunt dieser Kobold mit beruhigendem Tone der gewissenhaften und darum beim Ankauf von Pilzen mit Recht sehr ängstlichen Hausfrau zu, „man muß nur das überaus einfache Merkmal kennen, wodurch beim Kochen die giftigen sich jederzeit kenntlich machen. Thue einen silbernen Löffel hinein und achte sorgsam darauf, ob er beim Kochen durch die Pilze schwarz wird: ist das der Fall, so sind sie giftig, bleibt der Löffel weiß, so sind sie eßbar. Sage, was willst Du noch mehr? Giebt es ein einfacheres Mittel, Gutes und Böses zu unterscheiden? Und ein uraltes Mittel ist es, welches man Dir offen oder geheimnißvoll mittheilte, von Generation zu Generation verkündete es Einer dem Andern.“ Und doch ist dieses Mittel ganz trügerisch und hat den Gläubigen schon gar manches Unheil bereitet. So sagt z. B. der berühmte Chemiker Emil Boudier, welcher sich viel mit der Erforschung der Pilzgifte beschäftigte: „Diese bequemen Recepte sind wahrscheinlich die Ursache eines großen Theiles der Vergiftungen, die noch jedes Jahr zur Beobachtung gelangen.“

Das Schwarz des Löffels ist weiter nichts, als ein ganz harmloser chemischer Vorgang, den all und jeder Pilz bewirken kann, und zwar wird ein silberner Löffel häufig schwarz anlaufen, wenn der betreffende Pilz schon alt und deßhalb verdorben ist. Der schwarze Vorgang beruht nämlich darauf, daß die in jedem Pilze enthaltenen Eiweißstoffe bei verdorbenen Pilzen sich zersetzen und Schwefelwasserstoffgas entwickeln, das im frei gewordenen Zustande sich mit dem Silber zu einem schwärzlichen Stoff verbindet. Mannigfache schlimmste Giftpilze hat man im jugendlichen frischen Zustande versuchsweise zu dem Zwecke gekocht und niemals einen Löffel in der heißen Giftbrühe schwarz werden sehen. Wie nun also, wenn eine Hausfrau ihrem Mittel vertraut? Sie wird, wenn der Löffel sich nicht schwärzt, im besten Glauben solches Giftgericht den Ihren vorsetzen – und das ist öfter als einmal geschehen!

Allerdings ganz ohne schlimme Bedeutung ist die Schwärzung auch nicht, sie deutet uns nämlich in jedem Fall doch an, daß der Pilz, welcher sie verursachte, etwas verdorben und deßhalb nicht mehr zum Genusse geeignet sei; aber ob er giftig sei, das ist eine ganz andere Frage, damit hat die Schwärzung eben gar nichts zu thun.

Aberglaube der schlimmsten Art ist das, und zwar wirklicher Aberglaube! Fragen wir nämlich nach der Herkunft dieser so verderblichen Küchenmeinung, so weist uns die kulturgeschichtliche Antwort auf mittelalterliche Vorstellungen von dem Teufel und seinen argen Werken. In jener finsteren Zeit ahnte man in allen den Menschen schädlichen Vorgängen der Natur das Wesen und Wirken des dunklen Fürsten der Finsterniß. Aber zu einigem Trost der Abergläubigen war er doch vielfach gekennzeichnet, so daß man seine bösen Absichten rechtzeitig entdecken konnte. Vor Allem war das Schwarz die Farbe, welche er trug und oft auch an den Dingen bewirkte; besonders wenn die schwarze Farbe einmal irgendwo plötzlich auftrat, galt es, vor seiner feindlichen Macht auf der Hut zu sein. Wenn nun ein silberner Löffel, in eine Speise gestellt, schwarz anlief, mußte da nicht selbstverständlich des Teufels Hand mit im Spiel sein? Es galt darum für ganz zweifellos, daß solche Pilze, welche das bewirkten, sich als teuflische erwiesen, als giftige Satanspilze, denn alles Gift so gut wie Seuche und Hagelschlag stammte von dem Teufel.

Darum werden auch auf Grund der damaligen Volksauffassung noch heute einige der bekanntesten Giftpilze bezeichnet als Teufelspilz, Teufelsei, Satanspilz, Speiteufel, Hexenpilz etc. Im frischen Zustande sehen sie oft ganz verlockend aus, wie um zu täuschen, aber wenn sie gekocht werden, macht sich ihre Satansnatur jederzeit doch kund. Von dieser Anschauung ausgehend beobachtete man später jede Veränderung, welche irgendwelche Stoffe erlitten, die mit Pilzen gekocht wurden, und jede solche Veränderung galt als Beweis von der Giftigkeit der mitgekochten Pilze; so entstanden unter manchen andern die gleichfalls viel verbreiteten und ebenso unzuverlässigen Recepte, daß die Zwiebel unter giftigen Pilzen schwarz werden und das Eiweiß eine Bleifarbe annehmen soll.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 563. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_563.jpg&oldid=- (Version vom 29.3.2024)