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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

bekommen. Kein Wunder, daß besonders Künstler gern den schattigen Waldweg nach Küepach wandeln, die Aussicht bewundern, nach dem Karfunkel im Verließe forschen oder im Hofe schallende Tjoste und Buhurte vor minniglichen Frauen aufführen. („Tjost“ bedeutete im Mittelalter ritterliches Kampfspiel, in dem Mann gegen Mann stand, „Buhurt“ dagegen ein solches, wo Haufe gegen Haufe losrannte. Gewöhnlich war Buhurt blos Spiel und Kurzweil, das man bei hôchgezîten fürstlichen Personen zu Ehren gab. Statt der Schwerter wurden dabei Stäbe gebraucht. Anm. d. Red.)

Schönes romantisches Leben auf dieser romantischen Stätte! Doch auf dem Heimwege soll manch verkappter Ritter, wenn die Geisterstunde nahte, auf eine Irrwurzel getreten oder von neckischen Kobolden zu Falle gebracht worden sein. – Ein guter Freund weiß davon eine ganz absonderliche Geschichte zu erzählen, die aber schon in das Fach der Spiritisten gehört.

Oestlich von Bozen am Eingange des an dichten Waldungen reichen, wegen seiner alten romanischen, mit sehr werthvollen Fresken geschmückten Helenakirche berühmten Eggenthales thront das stattliche Schloß Karneid, auf senkrechter Felsenwand. Einst den Herren von Greifenstein gehörig, kam es im 14. Jahrhundert an die Lichtensteiner, ward von Friedrich mit der leeren Tasche erstürmt, blieb aber im Besitze der gedemüthigten Lichtensteiner bis 1760. Seitdem kam die schöngelegene Burg in die Hände verschiedener Herren. Nachdem jüngst der Herr von Mayer in München mit den Prädikaten von 25 Burgen selig im Herrn entschlafen ist, erwarb das wohlerhaltene Schloß Herr Erzgießerei-Direktor von Müller in München, um hier Sommeraufenthalt zu nehmen. Auch dies Schloß gewährt herrliche Rundschau, auf Bozen und dessen Gefilde, auf das weitgedehnte Eppan mit seinen Burgen und das grünende Gelände des Rittener Berges. Die gemächerreiche Burg erfreut sich selbst im Hochsommer angenehmer Kühle wegen der Luftströmung aus der Waldschlucht des Eggenthales und des weiteren Eisackthales, auf das sie so trutzig niedersieht. Karneid gehört schon in das engere Bereich der vielen Eisackburgen, deren Bekanntwerden wir bestens wünschen.

Die Haselburg.


Unruhige Gäste.

Ein Roman aus der Gesellschaft.
Von Wilhelm Raabe.
(Fortsetzung.)


9.

Nach kaum einer halben Stunde war der Doktor zurück, und zwar in einer erklecklichen Aufregung trotz aller langjährigen Praxis und Lebenserfahrung, trotz allem angeborenen und zuerworbenen Phlegma.

„So etwas ist mir doch in meinem ganzen Leben noch nicht passirt!“ rief er schon von Weitem. „Auf nichts soll man sich verschwören. Der reine, pure Satan! Und da rühmt man sich, während eines zwanzigjährigen Landphysikats einen Einblick in ihre Seelen hier gewonnen zu haben, und muß sich durch solch einen Kerl, solch einen Tollhauskandidaten angrinsen und die Faust unter die Nase halten lassen!“

Nun saß er wieder mit am Tische, schnaubend, schwitzend, ergrimmt und doch zugleich zusammengedrückt, sozusagen klein gemacht und mit bedeutend gedämpfter und klagender gewordenen Rede-Organen.

„Ja, wenn man noch behaupten könnte, daß Einem das Thier in seiner Unvernunft oder dem, was es seine Berechtigung nennt, nicht imponire!“ seufzte er. „Da rede man Sanitätspolizei, wissenschaftliche Erfahrung und wohlthätige staatliche Absichten zu solch einem Wilden im Walde. Er weiß auch mir gegenüber nichts Anderes, als was er wahrscheinlicher Weise auch den Herrschaften hier und dem Vorsteher – jedem nach dem Maße seiner Zuneigung zu ihm, vorgetragen haben wird: wir haben die Familie Fuchs im Leben nicht unter uns haben wollen, sie will jetzt im Tode nichts mit uns zu schaffen haben. Lieber auf dem Miste als auf dem Kirchhofe bei den Anderen! Jeder für sich, und der böse Feind – mit Ihrer Erlaubniß, Pastore – für uns Alle! Und Tinte und Feder? Es ist lächerlich, um Feder und Tinte sollte ich da nun den Räkel in seinem Baue auf der Vierlingswiese von Rechtswegen ersuchen, um ihm den Todtenschein seines Weibes an Ort und Stelle für das Civilstandsregister auszustellen! Papier? Es ist mir selten so deutlich gemacht worden, Herr Professor, wie wenig man dann und wann damit leistet, daß man die Papiere in Ordnung hält. Ja freilich, für mich in meiner Amtsverantwortlichkeit könnte die Sache eigentlich natürlich erledigt sein, wenn ich jetzt den Herrn Pastor um das nöthige Material anginge, ihm und dem Vorsteher bezeugte – schriftlich – daß die Fee mausetodt sei und es ihnen überließe, sich auf diesen ihren Schein zu stellen. Es ist und bleibt eine heillose Historie nach allen Richtungen, und übrlg bleiben wird nach meiner nunmehrigen Okularinspektion der Sachlage wahrscheinlich wirklich nichts weiter, als daß man ein Kommando Landjäger so rasch als möglich heraufcitirt aus dem Thale auf die Vierlingswiese, wenn dieser Wahnsinnige nicht binnen der nächsten drei Stunden noch gütlich herumgekriegt ist. Sie erlauben wohl, Pastor, daß ich den vorhin erwähnten Schein an Ihrem Schreibtische ausfertige; nachher bitte ich Sie, ihn dem Vorsteher zuzustellen. Was ich sonst hinzu thun könnte, weiß ich wahrhaftig nicht.“

Der Pfarrer nickte zustimmend, was seinen Schreibtisch und sein Tintenfaß anbetraf; dann rief er unmuthigst in seiner eigenen Rathlosigkeit:

„Dieses ist freilich schlimmer als sonst etwas, das ich bisher sah, hörte und mit zu tragen hatte! Gott habe Geduld mit uns Allen und mit diesem Wüthenden, und gehe mit ihm nicht ins Gericht um seiner Lästerungen willen. Es ist mir entsetzlich; aber es wird uns nichts übrig bleiben, als das Schwert gegen ihn anzurufen. Er hielt mir seine Flasche im Hohn hin gestern Nacht, und ich habe daraus getrunken, um mich gegen ihn stark

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 494. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_494.jpg&oldid=- (Version vom 27.3.2024)