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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Lieblingsobjekte der Landschafter, wie überhaupt das reizende Mittelgebirge „Ueberetsch“ eine Fülle von Studien den Malern gewährt, die besonders im Herbste hier gerne verweilen.

Bald erreicht der Wanderer das wegen seiner gothischen Kirche weitbekannte Dorf St. Pauls, welches ein beliebter Herbstaufenthalt fremder Gäste, besonders ein Stelldichein von Künstlern ist. Von hier steigt man in dreiviertel Stunden nach dem herrlich gelegenen Schlosse Hocheppan empor. Die einst so mächtige Burg, die „mit dem Falkenauge nach Meran, Brixen und Salurn blickt“, liegt nun in Trümmern. Nicht weniger als achtunddreißig Schlösser erblickt man von ihrer Stelle. Leuchtete vom Wartthurme, der von der Burg etwas entfernt aufragt, das Kreidefeuer, so sah man es auf dem Schlosse Tirol bei Meran, auf der Haderburg bei Salurn, auf dem Schlosse Prösels im Eisackthale. Hocheppan war eines der stärksten Kastelle im Gebirge und galt im Mittelalter als uneinnehmbar.

Burg Karneid, von dem Eggenthal aus gesehen.

Ueber das Alter der Burg gehen die Ansichten aus einander. Manche möchten hier schon ein vorrömisches Bollwerk sehen, andere mit mehr Recht ein römisches, denn der Name Appianum ist römischen Schlages. Im Mittelalter begegnen wir der Form Eppan, neben der die romanische Benennung Piano sich zeigt. Im 11. Jahrhundert saßen hier schon die Grafen von Eppan, nächst den Grafen von Tirol die mächtigsten Herren im südlichen Tirol. Beide Geschlechter rangen in blutigen Kämpfen und Fehden, mit offener Gewalt und Hinterlist um das Uebergewicht – bis endlich die Eppaner unterlagen. Einer der bekanntesten Männer dieses Geschlechtes war Egno, Bischof von Trient und Brixen, der zu Padua als Flüchtling 1237 starb. Wer sich über diesen merkwürdigen Fürsten und dessen Kämpfe genauer unterrichten will, dem empfehlen wir J. Durig’s gediegene Schrift: „Beiträge zur Geschichte Tirols in der Zeit Egno’s, Bischofs von Brixen und Trient.“ Gotschalk, der Letzte des berühmten Geschlechtes, endete sein Leben zu Trient 1300. B. Weber macht die treffliche Bemerkung: „Ein sonderbares Schicksal hatte über dem mächtigen Hause gewaltet. Ahnenfeinde des Hochstiftes Trient, wurden sie zuerst Dienstmannen, dann eifrige Verfechter desselben, endlich in ihrem letzten großen Sprossen (Egno) mit der früher verfolgten Kirche identisch. Ihr Haß gegen Tirol erlosch nur in ihrem Grabe. Ihre reichhaltige Geschichte böte dem Dichter mehr als ein Feld, den Namen des Heldengeschlechtes im Liede zu verewigen.“ – Nach meiner Ansicht gäbe der Untergang der Eppaner geeigneten Stoff zu einer Tragödie, und wie Major Freiherr von Teimer, „der Sieger von Wilten“, zum Besitze der alten Welfenburg in diesem Jahrhundert kam, die Fabel zu einem heitern Schauspiele. Wen das günstige Geschick nach dem gärtenreichen Bozen führt, der unterlasse ja nicht, das fernschauende Hocheppan zu besuchen. Es bietet eine der mannigfaltigsten und reichsten Aussichten in Tirol.

Eine Stunde südlich von Bozen liegt auf steilabfallendem Felsen die Halbruine Haselburg oder Küepach. Der Weg dahin führt theilweise durch einen Mischwald von Kastanienbäumen und Föhren. Kein zweiter Pfad in der Nähe unserer Handelsstadt kann sich kühleren Baumschattens rühmen, wie dieser, und deßhalb ist er ein Lieblingsgang aller, die sich vom Staube anderer Steige fort nach Kühle und Schatten und dem Säuseln der Bäume sehnen. Am anmuthigsten ist er aber, wenn die Erika blüht und aus dem Buschwerke die blauen und rothen Anemonen den Waldgänger begrüßen. Auf dem Burgstalle überrascht aber weitreichende Sicht. Der Blick beherrscht das gesegnete Etschthal von Meran bis Salurn mit seinen zahlreichen Dörfern, Burgen und Kirchen. Gefeierte Berge, wie Monte Baldo, Monte Róen, die Mendel, die Laugenspitzen und andere bewunderte Größen bilden die Mauern des südtirolischen Edens, das man hier erblickt. Und wie heimlich und lauschig ist es im stillen, freundlichen Burggärtchen!

Blick von den Trümmern der Altenburg auf das Schlößchen Wart.

Einst saßen hier die Ritter von Halbach, die schon frühe aus der Geschichte verschwanden. Ende des 13. Jahrhunderts waren die Greifensteiner und gegen 1500 die Herren von Küepach im Besitze der Burg, die vom Volke nun gewöhnlich Küepach genannt wird. Hugo von Küepach soll, ehe er nach Palästina fuhr, seine Schätze an Gold und Silber in eiserne Kugeln gegossen und diese in den Schloßgraben geworfen haben, damit sie unbeachtet und sicher wären. In seiner Abwesenheit kamen aber geistliche Herren aus Bozen zu seiner Gattin und baten um einen Beitrag zu den neuen Glocken für die Pfarrkirche der Stadt. Die milde Frau gestand jedoch verschämt, daß sie wenig Geld besitze und Nichts spenden könne, als die eisernen Kugeln im Schloßgraben. So kamen die Schätze in fromme Hände, wie es hier zu Lande sehr oft geschieht, wurden in die Glockenspeise eingegossen und deßhalb klingt die große Glocke im schönen Pfarrthurme „so voll, so hell, so rein“. Gold und Silber sind längst von Küepach verschwunden, aber tief im Thurme blinkt manchmal ein karfunkelrother Hort, den Sonntagskinder und bevorzugte Geister zu heiligen Zeiten zu sehen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 493. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_493.jpg&oldid=- (Version vom 30.5.2021)