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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Nachricht, daß er mit einigen Genossen einen Kaufantrag an die fürstbischöfliche Mensa gestellt habe und daß man das Schloß zu alten Würden und Ehren bringen wolle.

Blick auf die Burgen Ried und Ravenstein.

Während man täglich auf den Kaufabschluß wartete, kam die Kunde, daß Erzherzog Salvator von Toscana die Burg erworben habe – und nach kurzer Zeit verbreitete sich „die frohe Mär“, daß Runkelstein in den Besitz Kaisers Franz Joseph übergegangen sei. Nach zehn Jahren war der Wunsch meines Promemoria in Erfüllung gegangen. –

Wir betreten den traulichen Schloßhof. Von dem Söller begrüßen uns die bekannten Triaden, welche die besten Kaiser und Könige, die bewährtesten Ritter und Liebespaare, die schrecklichsten Riesen und Riesinnen etc. darstellen. Welcher Freund mittelhochdeutscher Dichtung freut sich nicht, die gefeiertsten Recken der Heldensage: Siegfried, Dietleib und Biterolf, die besungensten Ritter der höfischen Dichtung Parcival, Iwein und Gawein neben den drei minniglichsten Frauen dargestellt zu sehen! Findet man in einer zweiten Burg ähnliche Bilder aus der mittelalterlichen Sagendichtung? Doch blicken wir aus der alten Burg hinaus ins Freie! Welch überreiches Bild südlicher Schönheit und Ueppigkeit gegen Südwesten, welch entgegengesetztes Bild einsamer, großartig wilder Thalschlucht gegen Norden! – Die schroffsten Gegensätze der Naturscenen findet man hier vereint. – Nachdem ich mit meinem Begleiter Alles besichtigt und bewundert, stiegen wir wieder herab in den Hof, setzten uns in der Nähe eines prächtigen Feigenbaumes und brachten ein donnerndes Hoch auf den neuen Herrn und hohen Beschützer des geretteten Runkelstein und wünschten unserer Wartbnrg Heil und Glück zur neuen Urständ auf ferne Zeiten.

Wer aber Runkelstein verläßt und noch Muße hat, der wandert nordwärts am linken Talferufer bis zum Zolle, beschaut sich das einsame Schloß Ried, bewandert das hochragende Ravenstein und die wilde Thalenge mit den senkrecht sich aufthürmenden Felswänden, von denen da und dort eine kleine Kaskade niederstürzt oder an denen reiche Epheuteppiche sich hinanschlingen. Die wilden Naturbilder der Talferschlucht üben große Zauberkraft auf Landschaftsmaler, die oft nur deßhalb so gerne Bozen besuchen.

Hocheppan.

Wie sieht das paradiesische Ueberetsch mit seinen Burgen, Dörfern und Weilern so verlockend herüber nach Runkelstein! Der Anblick wirkt wie der Gesang bethörender Sirenen. Unwillkürlich folgt man, – und wird in dies fromme Revier, das von der Burg Hocheppan stolz überragt und überwacht wird, hingezogen. Wie ein kühner Adler blickt die hohe Welfenburg trotzigen Blickes weit nach Norden, Süden und Osten, während die andern zahlreichen altersgrauen Burgen bescheiden zu ihren Füßen zerstrent liegen. Hocheppan ist das zerfallende Denkmal weitstrebender Macht und politischen Ringens,Runkelstein die Denksäule bescheidenen idealen Wirkens und Schaffens. Hocheppans mächtige Herrschaft ist für immer gebrochen, Runkelsteins gefeierte „blaue Blume“ blüht noch fort.

(Schluß folgt.)


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 476. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_476.jpg&oldid=- (Version vom 29.8.2023)