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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Flamme gewisser aus besonderen Oelen hergestellter Gase noch besseren Ruß giebt, und auf Grund dieser Erfahrung schuf die Fabrik von Gebrüder Jänecke und Schneemann die übermodernste Rußgewinnung, die sogar an Reinlichkeit und Eleganz nichts zu wünschen übrig läßt. Aus der Gasanstalt der Fabrik, in der die Mineralölgase bereitet werden und die wie alle ähnlichen Anstalten mit Retorten, Gaswaschapparaten, Gasometern etc. ausgestattet ist, führen weitverzweigte Röhrenleitungen in zwei große „Rußsäle“, die in der ersten unserer Abbildungen wiedergegeben sind. Gewaltige Reihen sinnreich konstruirter Apparate treten uns hier entgegen. Ueber den zahllosen mit dem oben erwähnten Gase gespeisten Brennern schweben gußstählerne Scheiben, die sich fortwährend in horizontaler Lage drehen. Die Flammen lecken die nach unten gekehrten glatten Flächen und lagern dort ihre unverbrannten Kohletheilchen, den Ruß ab, welcher durch einen scharf an die Scheibe gestellten Schaber abgestrichen und in die unten stehenden Cylinder, die sogenannten Sammelkammern, geleitet wird. Damit nun diese künstlichen Rußfänge (der Techniker nennt sie Batterien) sich nicht erhitzen, sind sie von einem ganzen Geäst von Eisenröhren überspannt, aus denen fortwährend kaltes Wasser auf ihre nach oben gekehrte Fläche herniederträufelt.

Hat man nun endlich den Ruß erlangt, so ist er doch noch nicht sofort verwendbar: er muß noch calcinirt, d. h. ausgeglüht werden, wobei Alles, was nicht reiner schwarzer Färbstoff ist, verbrennt. Dieses Calciniren geschieht in eisernen Cylindern in eigens hierfür gebauten Oefen, und zwar ein- bis dreimal, je nach dem Grade der Feinheit, welchen der Ruß erlangen soll.

Mit so viel Umständen wird hier der schwarze Geselle behandelt, der sonst in der weiten Welt, unter Menschen, verhaßt ist, gegen den die Hygieniker donnern, wenn er in schwarzen Rauchmantel ganze Städte einhüllt, über den sich unsere lieben Frauen so gewaltig ärgern, wenn er in kleinen Flocken unsichtbar in der Luft wirbelt und sich auf die glänzend weiße, zum Trocknen aufgehängte Wäsche heimtückisch niederläßt. Hier in der Fabrik zeigt er sich uns von seiner bessern Seite, er soll ja mit dienen und mit helfen im Werke der Bildung und Aufklärung.

Buchdruckfarbenfabrik von Gebrüder Jänecke und Fr. Schneemann in Hannover.

Mit derselben Sorgfalt wählt und behandelt der vorsichtige Fabrikant sein zweites Rohmaterial, das Leinöl. Er sammelt es zunächst in großen viele Hunderte von Centnern Oel fassenden Cisternen, in denen dasselbe lange Zeit ruhig lagern und alle Unreinigkeiten absetzen kann. Aus diesem alten abgelagerten Oel muß er dann Firniß sieden, in kupfernen Blasen, wie in alter guter Zeit. Das Sieden erfolgt aber nicht mehr unter blauem Himmel, und auch von fetten Brötchen ist dabei keine Rede mehr. In massiven rauchgeschwärzten Gewölben reiht sich Blase an Blase, strenge Ordnung herrscht überall, und ein großer Feuerlöschapparat steht immer bereit da, mit dessen Hilfe eine bei den vorzüglichen Einrichtungen aber kaum noch vorkommende Feuersgefahr sofort beseitigt werden kann.

Aus den Siedeblasen gelangt der fertige Firniß durch Röhrenleitungen in Bassins, um dann je nach Bedarf in große Mischbottiche gebracht zu werden, wo durch Dampf getriebene Rührwerke den Ruß in denselben hineintreiben. Die Druckfarbe erlangt hierdurch etwa den Grad des Fertigseins, welchen ihr die Drucker von ehedem mittels ihres primitiven Verfahrens zu geben vermochten. Heute beginnt hier erst der Raffinirproceß, in welchen uns unser zweites, ebenfalls der Jänecke und Schneemann'schen Fabrik entnommenes Bildchen einen Blick thun läßt. Ein großer Saal – ein drei Mal so großer ist im Bau eben vollendet – ist ganz gefüllt mit Reibwerken, die zwei, drei oder auch vier Stahlwalzen besitzen, die zu verarbeitende Schwärze wird in einen Trichter gebracht und fließt aus diesem auf die Walzen, um bei oft vielfach wiederholtem Durchgange zwischen denselben durch scharfe Verreibung den erforderlichen Grad von Feinheit zu erlangen. Beiläufig sei bemerkt, daß bei ganz feinen Druckfarben, namentlich bei bunten, deren Reinheit eine längere Berührung mit der metallischen Oberfläche der Reibwalzen ungünstig beeinflussen könnte, geschliffene Marmorwalzen das Geschäft des Verreibens besorgen. Ist dies geschehen, so wird das fertige Fabrikat in Fässer, in Blechbüchsen, oder – bei allerfeinsten Sorten – in Malertuben gefüllt und wandert sodann entweder ins Lagerhaus oder wird dem Käufer zugesandt.

An diese Hauptwerke reiht sich in großen Buchdruckfarbefabriken noch ein beträchtlicher Nebenapparat, der dann dem Ganzen den Anstrich einer Industriestätte ersten Ranges verleiht. So finden wir z. B. in der etwa 25 Gebäude umfassenden Fabrikanlage zu Hannover eine 40pferdige Dampfmaschine, neben welcher jetzt sogar eine von 100 Pferdekraft aufgestellt ist, die auch die Kraft für die elektrische Beleuchtung der Fabrik liefert, ferner vier Dampfkessel und einen Gasmotor, eine eigene Böttcherei zur Anfertigung der Versandfässer und eine Klempnerwerkstatt zur Erzeugung von Blechbüchsen, ein chemisches Laboratorium, Druckerpressen zur praktischen Prüfung der Farben, große Expeditions- und Komptoirräume etc. All das sind Dinge, von denen sich wohl die wenigsten unserer Leser hätten träumen lassen bei Betrachtung des Tüpfelchens über dem i, dessen unwägbarer Schwärzegehalt doch all die hier kurz geschilderten Processe durchgemacht, den ganzen weitläufigen und kostspieligen Apparat in Bewegung gesetzt hat, bevor er auf das Papier gelangen konnte.

Solchen Musteranlagen verdankt die Buchdruckerkunst einen nicht geringen Theil ihrer heutigen Vollendung. Mit Hilfe der hochfeinen theueren Druckfarbesorten ist es möglich geworden, jene mit den vollendetsten Holzschnitten geschmückten Prachtwerke herzustellen, die den Stolz und die Ehre unseres Buchhandels bilden.G.     


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_426.jpg&oldid=- (Version vom 18.3.2024)