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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

sich plötzlich weinend über das Geländer beugte, „grüß’ sie Alle noch tausendmal!“

Hell erleuchtete Fenster schimmerten ihnen entgegen, als Franz sie in Niendorf aus dem Wagen hob und die Stufen hinaufführte. Wolkenverhangen war der Himmel und wunderbar weich und duftig die frühe Lenzluft.

„Tritt ein!“ bat er und öffnete die altersbraune Hausthür.

„O, soviel Rosen!“ kam es entzückt von ihren Lippen. – Das Geländer der Treppe, die Thürrahmen, die Ketten, an welchen die Lampe hing, Alles wär verschwenderisch mit Rosen geschmückt, und bei dem matten Lichte glühten und leuchteten sie aus dem dunklen Grün in lebendiger Pracht. Gute Tante Rosa!

Und Hand in Hand stiegen sie die Treppe empor und schritten den Korridor entlang; es waren nur Gipsfliesen, aber ganz mit duftenden Tannen bestreut.

„Und hier unser Wohnzimmer, Trudchen, bis das Deine eingerichtet ist.“

Sie war auf die Schwelle getreten und sah hinein mit neugierigen Augen. Uneudlich traut und heimlich lag es vor ihr, das niedrige Gemach, freundlich erhellt vom Lampeschein, und winselnd vor Freude sprang der schöne Jagdhund an seinem Herrn empor, den er heute den ganzen Tag entbehren mußte. Sie trat hinein an seiner Hand in banger Glückseligkeit.

„O, der schöne Hund! Und dort Dein Schreibtisch, da die Bücherschränke, und welch liebes altes Frauengesicht im Goldrahmen – Deine Mutter, Franz? Ja, so mußte sie aussehen, so habe ich sie mir gedacht! Und wie wunderhübsch der Theetisch mit den zwei Kouverts! Ach Liebster!“ Und das verwöhnte stolze Kind des Reichthums lag weinend an seiner Brust. „Hier – so soll es bleiben Franz, hier ist’s warm und hell, hier kann kein bitteres Wort gesprochen werden!“

„Denke nicht mehr daran,“ tröstete er. „Alles Böse ist hinter uns geblieben. Hier haben wir das Hausrecht und dulden nur Frieden und Freundlichkeit.“

„Ja,“ sagte sie, unter Thränen lachend, „Du hast Recht, was geht uns die Welt da draußen an!“

Sie standen zusammen vor seinem Schreibtische; dort prangte eine Majolikaschale voller Frühlingsblüthen. „Der köstliche Veilchenduft!“ flüsterte sie tiefathmend und wand sich aus seinen Armen. Eine Visitenkarte lag in den Blumen; Beider Hände streckten sich danach aus.

„Die herzlichsten Glückwünsche zur Vermählung sendet
 C. Wolff, Agent.“

lasen sie.

„Woher kennst Du ihn? Wie kommt er dazu?“ fragten ihre Augen.

Aber er warf die Karte achtlos auf den Tisch und küßte sie auf die Stirn.




Es ist köstlich, mit seinem Glücke dem Lenz entgegen zu gehen. Blatt um Blatt trieben die Bäume im Niendorfer Garten, wie grüne Schleier hing es über dem sprossenden Walde und überall blühten die Veilchen, in Trudchens ganzem Revier duftete es nach den blauen Frühlingskindern. Wie Lerchenschlag drang die Stimme der jungen Frau durch das alte Haus, und wenn Franz sonnenverbrannt vom Felde heimkehrte, flatterte oben aus den blinkenden Fenstern ein weißes Tuch, und kam er auf den Hof, so flatterte es auf der obersten Treppenstufe in ihrer Hand. „Liebster, da bist Du!“ sagte sie dann innig.

Und die Spaziergänge im Walde, die Abende, wenn er vorlas, und dann die Einrichtung des Hauses! Wie süß war es, zusammen zu berathen, auszuwählen, einzukaufen, und wie freuten sie sich Beide, wenn sie just das Nämliche gedacht!

So putzte sich allmählich das Haus, Tapezierer und Handwerker schafften darin, nur Taute Rosa’s Zimmer blieb unbehelligt und das traute Stübchen des Hausherrn, in dem sie ihre glücklichsten Wochen verlebt hatten.

Und heute war Alles fertig, gemüthlich und wohnlich, aber ohne jegliche Prätension. Die niedrigen Räume eigneten sich nicht zur Schaustellung kostbarer geschnitzter Möbel – so hatten sie Beide im richtigen Gefühl nur einfache Sachen gewählt.

„Wenn wir uns später ein neues Wohnhaus bauen, Trudchen,“ meinte er, und sie nickte. „Erst die Wirthschaft, Franz; uns gefällt es ja so gut in den lieben Räumen.“

Der Gartensaal war zum Speisezimmer umgeschaffen; daneben ein Salon mit dunklen Tapete und weichen Teppichen, an der Längswand das Hochzeitsgeschenk Onkel Heinrich’s, zwei große Oelbilder – eine sonnendurchleuchtete Waldlandschaft und eine Seeküste bei Gewitter. Hinter grünen üppigen Blattpflanzen leuchtete eine edle schöne Hermesbüste. Sofas, Sessel und Sesselchen überall, und wo es irgend anging, befand sich eine gefüllte Blumenschale.

Oben neben des Hausherrn Gemach war das der jungen Frau hergerichtet, dort stand jetzt des Vaters Bild hinter dem Nähtischchen am Fester. Die Thür, die die Gemächer verband, stand offen, und bunte, türkischgestreifte Vorhänge, weit zurückgeschlagen, ließen Trudchen von ihrem Fensterplätzchen just den Schreibtisch sehen, an dem er arbeitete. Und aus dem Fenster konnte der Blick hinausschweifen über den grünenden Garten zu den bewaldeten Bergen, und weit und weiter bis dort, wo sich der ferne Brocken in Wolken verhüllte.

Die junge Frau hatte alle Spinde eingeräumt, in der Küche war das letzte Stückchen des neuen Geschirres an die Haken gehängt und blinkte und glitzerte in dem hereinfallenden Sonnenstrahl, als wäre Alles eitel Gold. In der Speisekammer standen Büchsen und Töpfe in Reih’ und Glied, und mit glücklichem Lächeln drehte sie den Schlüssel im Schlosse und that ihn in das fuukelnagelneue Körbchen an ihrem Arme. „Komm, Franz,“ sagte sie, nachdem er diese Herrlichkeit hatte bewundern müssen, „nun wollen wir noch einmal durch alle Stuben gehen!“

„Es sind nicht viele, Trudchen,“ lachte er.

„O, genug für uns, Franz, wir brauchen nicht mehr.“

Und sie gingen durch den Gartensaal und freuteu sich über das stattliche Buffet und über die Lampe aus polirtem Messing, die über dem großen Eßtische schaukelte. Sie traten in den Salon und freuten sich wieder an den Bildern, welche die Sonne so schön beleuchtete, und dann blieben sie stehen, sahen sich in die Augen und küßten sich.

„Das ist Alles so, wie ich es gern habe, Franz,“ sagte sie, „einfach und gediegen; nur nichts Falsches, nichts Nachgemachtes. Ich hasse den Schein. es soll Alles echt sein, so echt und wahr wie meine Liebe und wie Dein Herz, Du großer lieber Mensch. – Und in der Wirthschaft ist jetzt Alles komplet,“ fuhr sie fort und nahm ein Fäserchen vom Teppich auf, „gar nicht zum Wiederkennen, es ist das schmuckste kleine Gut weit und breit. Franz, sieh, und das Alles hat noch lange nicht soviel gekostet, wie Jenny’s Aussteuer und Hochzeitsreise.“

Sie waren in die offene Saalthür getreten und der junge Mann sah mit leuchtenden Augen über den Garten hinweg und zu den Wirthschaftsgebäuden hinüber, die ihr schadhaftes Ziegeldach mit bläulich glänzendem Schiefer vertauscht hatten.

„Du hast Recht, Trudchen, es ist ein hübscher Anblick, wir wollen oft hier sitzen. – Und übermorgen beginnt der Bau der neuen Scheune; sie soll fertig sein, wenn wir den ersten Roggen einfahren.“

„Du,“ fragte sie neckend, „denkst Du noch immer so wie damals, acht Tage nach unserer Hochzeit, als wir zum ersten Male dieses Thema besprachen und Du Dich recht kindisch betrugst und absolut nichts von dem nehmen wolltest, was Dir von Gottes- und Rechtswegen zukommt? Und es lieber den Kühen in den Futtertrog regnen lassen wolltest und den Knechten in die Betten?“

„Nein,“ sagte er, „nicht mehr, Trudchen.“

„Warum, Du Eisenkopf?“

„Weil wir uns lieben, namelos lieben.“

„Das Beiwort ist gar nicht nöthig,“ tadelte sie.

„Glaubst Du nicht, daß man namenlos lieben kann?“ fragte er scherzend.

„Es klingt wie eine Phrase!“

Er lachte jetzt hell und zog sie an die Brüstung der Veranda. „Unser Heim,“ sagte er, „komm, laß uns durch den Garten und ein Stückchen in den Wald gehen!“

Und andern Tages öffnete Trudchen die Fenster der Logirstube und rüstete dort Alles aufs Beste. Festlich gedeckt stand die Tafel im Saale, und Franz fuhr mit der neuen Equipage nach der Stadt, um den Amtsrichter vom Bahnhofe abzuholen. Sie freute sich, ihn kennen zu lernen, Franz hatte ihr soviel

erzählen müssen von dem Freunde, sie hatte sich königlich amüsirt

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