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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

No. 26.   1885.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Trudchens Heirath.
Von W. Heimburg.
(Fortsetzung.)


Im Saale versammelte sich still die kleine Hochzeitsgesellschaft, die Mutter, Arthur, Jenny, die Tante Stadträthin und Onkel Heinrich; zwei junge Kousinen in weißen Tüllkleidern boten den einzigen lichten Anblick unter dem düsteren Schwarz.

„Um Gotteswillen, macht nicht so trostlose Gesichter!“ bat Onkel Heinrich, der aussah, als wäre ihm die Hochzeit wieder auf den Magen gefallen, „’s ist schon trübselig so wie so –“

Nun öffnete sich die Thür, der alte Prediger trat herein, und Onkel Heinrich ging zu ihm hinüber und begrüßte ihn sehr laut, dann verschwand er mit ganz ungewohnter Eile, um das Brautpaar zu holen. – Der Schein der Nachmittagssonne fluthete voll in das reiche Gemach und überstrahlte die Kerzen auf dem Kronleuchter und den Kandelabern, und diese Strahlen schimmerten und webten auch um das Paar vor dem Altare. Mild und klar scholl die Stimme des Geistlichen: Im Gotteshause hätten sie sich zum ersten Male in die Augen gesehen, sagte er, sichtbarlich habe der Herr sie zusammen geführt, und was Er so geeinet, das solle der Mensch nicht scheiden. Von der Liebe sprach er, die Alles erduldet, erhofft und erträgt. Trudchen hatte sich den Text selbst gewählt.

Dann wechselte der Geistliche die Ringe; sie knieeten nieder zum Segen, und nun waren sie Weib und Mann.

Sie traten zur Mutter hinüber. Franz Linden ging es wie Trudchen vorhin, er sah Alles anders in dieser Stunde. Er streckte die Hand aus, und weil er keine Worte fand, wollte er mit diesem Händedruck geloben, die ihm eben Angetraute zu schützen, zu halten wie seinen Augapfel sein Leben lang. Aber Frau Baumhagen küßte die junge Frau zierlich auf die Stirn, legte einen Moment ebenso zierlich die Finger in seine ausgestreckte Rechte und wandte sich dann zu dem Prediger, der ihr glückwünschend nahte. Das junge Paar sah sich an, und als er in ihre bangen Augen blickte, drückte er den Arm fester, der in dem seinigen lag, und da ward sie ruhig, fast heiter.

Onkel Heinrich hatte, wie nicht anders zu erwarten war, das Hochzeitsdiner angeordnet. Im Eßzimmer, das nach Norden gelegen, waren die Vorhänge geschlossen und die Lichter angezündet, der ganze Silberschatz des Hauses blitzte und funkelte auf der Tafel. Der alte Herr verstand es; er hatte in der letzten Zeit zwar schlaflose Nächte darum gehabt, aber dafür war das Menu auch raffinirt, wie er sich ausdrückte. Schade nur, daß er, die Tante Stadträthin und Arthur die Einzigen waren, die es zu würdigen verstanden, nach seiner Meinung. Man kam doch nicht über die frostige Stimmung hinaus, nicht einmal bei Onkel Heinrich’s Toast, nicht einmal beim Sekt; der alte Egoist verzweifelte fast.

Als man sich zum Kaffee erhob, suchte Trudchen ihr Zimmer auf. Nach einer Viertelstunde trat sie in anderer Toilette in den Flur; dort stand er, ihrer wartend. Von drinnen scholl nur das gedämpfte Sprechen der Tischgesellschaft heraus, hier war es lautlos still. Sie blickte sich nochmals um und nickte der alten Dielenuhr zu. „Adieu Sophie!“ sagte sie dann, als sie an seinem Arme die Treppe hinunter schritt und die Alte


Alfred Meißner.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 417. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_417.jpg&oldid=- (Version vom 2.7.2021)