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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

No. 25.   1885.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Trudchens Heirath.

Von W. Heimburg.
(Fortsetzung.)


Acht Tage später kehrten die Eisenschimmel mit dem geschlossenen Wagen in scharfem Trabe vom Kirchhofe zurück. Im Fond saß, neben dem Onkel, Arthur Fredrich mit verweinten Augen; gegenüber Linden. Sie hatten Trauerflor um die Hüte und Trauerflor am linken Arm.

Der Winter war vor dem Scheiden noch einmal in voller Herrlichkeit erschienen; es schneite, und die großen Flocken legten sich auf ein kleines frisches Grab in der eisenumgitterten Familiengruft der Baumhagen. Jenny’s blonder Liebling war todt!

Im Wagen sprach Niemand ein Wort, und als die drei Herren ausgestiegen waren, ging jeder nach einem stummen Händedruck seinen eigenen Weg; Onkel Heinrich, um einen Kognak zu nehmen, Arthur zu seiner trostlosen jungen Frau und Linden hinauf zu Trudchen. Er fand sie nicht in der Wohnstube; sie war wohl noch bei der Schwester. Dann glaubte er nebenan etwas rascheln zu hören; er schritt über den weichen Teppich und trat in die geöffnete Thür des Erkerzimmers.

„Trudchen,“ sagte er bestürzt, „um Gotteswillen, was ist das?“ – Sie lag knieend vor ihrem kleinen Sofa, den Kopf in ihre Arme geborgen; ein wunderliches Zucken und Beben ging durch ihren Körper, wie wenn man weint ohne Thränen.

„Trudchen!“ Er faßte sie und wollte sie emporziehen, da hob sie den Kopf und stand auf. „Aber sprich doch, sprich, was ist denn geschehen?“ forschte er, „giebst Du Dich so dem Schmerze um den kleinen Liebling hin? Ich bitte Dich, Trudchen, nimm Dich zusammen, fasse Dich – Du machst Dich krank!“

Sie hatte nicht geweint, sie sah nur leichenblaß aus und ihre Hände lagen eisigkalt in den seinen.

„Komm,“ sagte er, „erzähle mir, weine Dich aus!“ Und er zog sie an sich.

Sie schmiegte sich fest in seine Arme, wie sie es noch nie bisher gethan. „Nun bin ich bei Dir,“ flüsterte sie, „nun ist es gut.“

„Hast Du Dich gefürchtet? Hat Dir Jemand etwas gethan?“ fragte er zärtlich.

Sie nickte. „Ja!“ sprach sie hastig, „vorhin – da hörte ich ganz zufällig ein paar Worte an zwischen Mama und der Tante Stadträthin – sie kamen von Jenny herauf, sie vermutheten mich wohl nicht hier – ich weiß es nicht. Mama weinte noch immer sehr um den Kleinen und – dazwischen sagte sie, Jenny müsse aus dem Hause – sie müsse zerstreut werden – diese apathische Ruhe sei so gefährlich. Du weißt ja, sie hat seit drei Tagen noch kein Wort gesprochen – und – ich müsse sie begleiten auf eine längere Reise – damit ich –“ Sie stockte und biß die Lippen auf einander.

„Damit Du mich womöglich vergessen sollst?“ fragte er ernst.


Bad Landeck in Schlesien.


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verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_401.jpg&oldid=- (Version vom 26.3.2024)