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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

beschränkte Kopf, der er war, und dabei als von einem Ehrgeiz besessen, welcher zu seinen Fähigkeiten in einem geradezu komischen Gegensatze stand. Er steifte sich auf die große Partei, welche er, wie er wähnte und behauptete, im Senat und in der Armee hätte. Wäre das konsularische Regiment beseitigt, so würde die oberste Staatsgewalt unzweifelhaft in seine Hände gelegt werden. Pichegru bemühte sich umsonst, dem General diese thörichte Illusion auszureden und ihn zu überzeugen, daß nach Bonaparte nur die Bourbons übrigblieben. Davon wollte Moreau nichts wissen und blieb dabei, nach Bonaparte käme er, könnte niemand kommen als er. Von einem spontanen Handeln, von irgendeiner Initiative seinerseits war aber keine Rede. Er schien völlig überzeugt zu sein und zu erwarten, daß man ihm die Herrschaft über Frankreich so zu sagen auf einem Teller darbieten würde.

Pichegru ging von diesem Stelldichein sehr niedergeschlagen in sein Versteck zurück. Der Mittheilung, welche er Cadoudal machte, fügte er bei: „Auch Moreau ist ehrgeizig und herrschsüchtig. Auch er möchte Frankreich regieren. Der arme Mann! Nicht vierundzwanzig Stunden würde er die Herrschaft zu behaupten vermögen.“ Worauf der Chouanshäuptling herausfuhr: „Was, der? Wenn es doch einmal ein Usurpator sein soll, so ist mir der Bonaparte immer noch lieber als dieser Moreau, der weder Kopf noch Herz hat.“

Unter solchen Umständen mußte auch eine dritte Zusammenkunft Pichegru’s mit Moreau – sie fand in der Wohnung Cadoudals statt – ergebnißlos bleiben und demzufolge war die Enttäuschung und Entmuthigung der Gescheidesten unter den Verschworenen, also Pichegru’s und De Rivière’s, vollständig. Georges seinerseits war noch immer bereit, auch mit unzureichenden Mitteln das Attentat auf Bonaparte zu unternehmen, konnte aber auf die Frage seiner Mitverschworenen: Wozu dasselbe unter den obwaltenden Umständen dienen sollte? keine befriedigende Antwort finden. Hoffnungslos mußte übrigens auch er sein. Lag es doch jetzt am Tage, daß die ganze Verschwörung nur ein Schwindel, weil auf eitel Illusionen gebaut. Der Marquis und der General sannen ernstlich auf Flucht, auf die Rückkehr nach England. Sie, wie die Polignacs, hatten das Zusammensein mit den nichts weniger als feinen Chouans satt, übersatt. Allein zum Fliehen war es zu spät. Späher und Sbirren waren ihnen schon an den Fersen.

(Fortsetzung folgt.)

Das Paznaunerthal.

Mit Illustrationen aus dem Skizzenbuche von Mathias Schmid.


I.

Das Blankahorn.

Paznaunerthal? – Wo liegt das? – Die Frage wiederholt sich fast jedesmal, so oft von diesem reizenden Thale die Rede ist. Doch nicht lange mehr wird es in stiller Verborgenheit das Eldorado vereinzelter Naturschwärmer bleiben – durch die Arlbergbahn dem Verkehre näher gerückt, wird der bis jetzt fast unbekannte Erdenwinkel binnen Kurzem dem Fremdenzuge erschlossen und das Lob seiner eigenartigen Naturschönheiten aller Welt bekannt sein. Vorläufig bildet allerdings der theilweise schlechte und selbst gefährliche Weg noch ein Hinderniß für den häufigeren Besuch des Thales, und nur rüstige Fußgänger mit leichtem Ränzel können in dasselbe vordringen. Doch ist eine neue Fahrstraße im Werden, und da der Staat den schwierigsten und kostspieligsten Theil derselben übernommen hat, so wird das Thal nicht lange mehr der Zufahrtsstraße entbehren, die für dasselbe eine Lebensfrage geworden ist. –

Bei Tirols schöner Hauptstadt Innsbruck zweigt die neue Arlbergbahn ab und führt innaufwärts durch das an landschaftlichen Schönheiten reiche Oberinnthal. Schnell eilt das Dampfroß an den altbekannten Städten vorbei! Schon liegt Zirl, am Fuße der vielberühmten Martinswand, weit hinter uns, da ertönt der Ruf „Telfs, eine Minute Aufenthalt!“ In Telfs „eine“ Minute Aufenthalt! In der „guten, alten Zeit“, das heißt in diesem Falle noch vor Eröffnung der Oberinnthalerbahn, als noch der Stellwagen mit einschläfernder Langsamkeit die Landstraße dahinwankte, hätte wohl jeder Kutscher mit Entrüstung die Zumuthung zurückgewiesen, hier nur „eine Minute“ Rast zu halten. Und auch die Passagiere waren mit längerem Verweilen wohl zufrieden. Lag doch von je im Keller des „Löwen“ so manches Fäßchen edlen Tirolerweines, wie er in solcher Vortrefflichkeit nicht überall zu finden ist. Das wissen denn auch die fröhlichen Innsbrucker schon längst und wählen deßhalb für ihre Sängerausflüge, die immer so schöne Gelegenheit zum Trinken geben (bei dem sie trotz politischer Grenzen standhaft ihre Zugehörigkeit zum deutschen Stamme bekunden), meist den „Löwen“ in Telfs als Festort.

Rastlos eilt die Lokomotive weiter; die bequemen, elegant gebauten Aussichtswagen der Bahn gewähren einen herrlichen Ausblick nach allen Seiten. Die Hohe Mundi und die Mianinger Berge treten zurück, schon haben wir die Ausläufer des das ganze

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_345.jpg&oldid=- (Version vom 25.3.2024)