Seite:Die Gartenlaube (1885) 336.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Blätter und Blüthen.

Die Wittwe des Märtyrers. (Mit Illustration S. 325.) Das allgemein Menschliche, das aus diesem Bilde spricht, fesselt uns zunächst an ihm: es ist das tiefe Leid der Wittwe, deren Trauer verklärt erscheint durch das Bewußtsein, daß ihr Gatte seine Pflicht erfüllt hat und für Das gestorben ist, was auch für sie heilig ist. Sie steht unter der wunderbaren Macht einer der großen Ideen, in denen die Menschen aufgehen, für die sie dulden und ihre eigenen Schmerzen gering achten. Die Menschheit braucht diese großen Ideen, welche die Welt bewegen und hohe Tugenden erzeugen, ohne sie würde das Leben kaum des Lebens werth sein und die Herzen müßten wehrlos bleiben gegen die Schläge des Schicksals. Auch bei der Wittwe auf unserm Bilde hat eine siegreich die Geister bezwingende Weltanschauung Wunder gewirkt. Die Verlassene murrt nicht und klagt nicht über den bitteren Verlust, sondern preist den Gott, der dem Todten die Dornenkrone des Martyriums verliehen, und läßt das Kind das Zeichen küssen, um dessentwillen Trauer in ihr Herz Einzug gehalten.

Die Umgebung der Gruppe bezeichnet deutlich die Zeit, in welcher diese Scene spielt. Der Sarkophag in dem dunklen, von einer Ampel nur matt erleuchteten Gange verräth die Katakomben, jene unterirdische Todtenstadt der ersten Christen in Rom. Die halb lateinische halb griechische Inschrift deutet auf jene Epoche des Christenthums, während welcher die früher in der Kirche alleinherrschende griechische Sprache der lateinischen zu weichen begann, und der Bilderschmuck auf der unteren Tafel des Sarkophags sagt uns, daß zu derselben Zeit im Gegensatz zu der heitern heidnischen die ernste christliche Kunst ihre Keime treiben ließ und in der Verherrlichung der Todten und dem Schmuck der Gräber ihre vornehmste Aufgabe fand. Die Palmenzweige und der Märtyrerkranz endlich erinnern uns daran, daß die Zeit der Christenverfolgungen noch nicht aufgehört hat, daß in dem großen Cirkus, über diesen stillen Gräbern, vielleicht jetzt eben die Cäsaren und das Volk den auf wehrlose Menschen losgelassenen Hyänen und Löwen jauchzenden Beifall spenden. – i.     


Am Kellersee bei Eutin. (Mit Illustration S. 333.) Holstein ist so reich an herrlichen Buchenwäldern wie an lieblichen Seen. Freilich können diese letzteren mit der großartigen Schönheit der Seen in den Bergen nicht wetteifern; aber so anheimelnd, so friedlich licht und heiter, wie im östlichen Holstein, findet man sie nirgends sonst. Weithin bekannt seiner prachtvollen Lage wegen ist der wald- und hügelumkränzte Ukleisee, nicht so eigenartig, aber doch auch herrlich schön der Dieksee und zwischen beiden der heitere Kellersee.

Der Kellersee liegt inmitten der reizvollsten Gegend des östlichen Holstein, die während der Sommerzeit das Ziel zahlreicher Touristen bildet. Zwischen dem Uklei- und dem Kellersee findet man an den Ufern des letzteren das freundliche Dorf Sielbeck, am entgegengesetzten Ostende des Sees das Kirchdorf Malente mit dem Godenberg, einem alten heidnischen Begräbnißplatze, auf welchem früher oft Aschenkrüge und viele der Steinzeit angehörige Gegenstände gefunden wurden. An der lieblichen Schwentine, die unsern See mit dem benachbarten Dieksee verbindet, trifft man auf Gremsmühlen, die am schönsten gelegene Ortschaft im ganzen östlichen Holstein. Nicht fern liegt zwischen den Eutiner Seen die Geburtsstadt Karl Maria von Weber’s, Eutin, ehemals Sitz des Fürstbischofs von Lübeck; zu der weiteren Umgebung gehört auch der Bungsberg, der höchste Punkt Ostholsteins, von dessen Spitze aus gegen dreißig Thürme umliegender Städte und Kirchorte zu übersehen sind.

Ein reizender Ausblick auf den See bietet sich vom Prinzenholze aus, doch sind zahllose weitere Partien ebenso anziehend und manche Walddurchsicht wetteifert mit der vom Künstler unseres Bildes wiedergegebenen. Ein kleiner Dampfer erleichtert die Verbindung zwischen den umliegenden Ortschaften und bietet Gelegenheit, die hervorragendsten Uferpartien auch vom See aus an sich vorüberziehen zu lassen.

Die silbern schimmernden Stämme der Buchen erscheinen wie Säulen, hier und da blickt aus üppigem Grün ein Haus, die freundlichen Dörfer sind umgeben von reichen Saatfeldern. Lachend blau wie der Himmel ist der See selbst und ohne Falsch wie die Menschen, die an seinen Ufern wohnen. Ein gemüthstiefer Dichter hat von dem See und seiner Umgebung ein Stimmungsbild entworfen, das poetisch schön und wahr zugleich ist: Johann Heinrich Voß, dessen Grünau in „Luise“ kein anderer Ort ist, als das reizvolle Kirchdorf Malente, und dessen ansprechendstes Landschaftsbild in der gleichen Dichtung fast allein von der südwestlichen Gegend des Kellersees entnommen ist. „Stehn wir ein wenig still? Mir klopfet das Herz!“ läßt er Luise sagen. Und bald fährt er fort:

 „Wie erfrischend
Ueber den See die Kühlung heraufweht! Und wie die Gegend
Ringsum lacht! Da hinab langstreifige, dunkel und hellgrün
Wallende Korngefilde; mit farbigen Blumen gesprenkelt!
O des Gewühls, wie der Roggen mit grünlichem Dampfe daherwogt!
Dort in fruchtbaren Bäumen das Dorf, so freundlich gelagert
Um den geschlängelten Bach, und der Thurm mit blinkendem Seiger!
Oben das Schloß hellweiß in Kastanien! Vorn auf der Wies’ hin
Röthliche Küh; und der Storch, wie vertraut er dazwischen einhertritt!
Dort die schimmernde Bläue des Sees um den waldigen Hügel!
Dort Heuschober gereiht, dort Mähende! Aber wir selbst hier,
Vom Buchweizen umblüht, im Gesums eintragender Bienen!
Schaut doch umher, ihr Kinder, und freuet euch!“ – –

Nur „oben das Schloß hellweiß in Kastanien“ ist vom Dichter eingelegt, im Uebrigen aber sein Stimmungsbild eine farbenfrische Schilderung auch des Kellersees von heute, der nichts von seinen Reizen eingebüßt hat und Naturfreunde heute noch ebenso durch seine Schönheit entzückt, wie zu des Dichters Zeiten. D. Th.     


Friedrich Christoph Dahlmann. Auf dem Friedhofe zu Bonn, wo neben Niebuhr die Schlegel, Bunsen, Arndt ihre letzte Stätte gefunden, ruht auch Friedrich Christoph Dahlmann. Seit seinem Tode am 5. December 1860 ist bald ein Vierteljahrhundert verflossen; der Tag seiner Geburt kehrt am 13. Mai d. J. zum hundertsten Male wieder. Dahlmann war ein hervorragender Gelehrter, dessen Werke, wie z. B. seine meisterhafte „Quellenkunde der deutschen Geschichte“, noch heute von Bedeutung sind; nicht minder aber auch ein namhafter Politiker. In Göttingen gehörte er zu den bekannten Sieben, die gegen die Aufhebung der Verfassung durch den König Ernst August energisch protestirten und in Folge dessen ohne Recht und Urtheil ihrer Aemter entsetzt wurden; und in der Nationalversammlung war er einer der Führer der Partei, welche den deutschen Bundesstaat mit preußischem Erbkaiserthume gründen wollte. Die Zeit, leider erst die nach seinem Tode, hat gelehrt, mit welchem Scharfblick er das einzig Richtige erkannt, wenn auch damals noch alle Bemühungen und Hoffnungen scheiterten.

Eine eingehende Biographie Dahlmann’s findet sich in den Nummern 11 und 12 des Jahrgangs 1861 der „Gartenlaube“. – th.     


Neue Karten von Afrika. Wir waren bis jetzt bemüht, unsere Leser über die Veränderungen der politischen Grenzgebiete in Afrika stets auf dem Laufenden zu erhalten. Unsere Karten können jedoch selbstverständlich keinen Anspruch auf Ausführlichkeit erheben, sie sind nur Orientirungsskizzen, wie z. B. die in unserer heutigen Nummer auf S. 329 abgedruckte. Dem Verlangen vieler unserer Leser dürften wir entsprechen, wenn wir jetzt auf einige gute Karten von Afrika hinweisen, in denen die neuesten Veränderungen berücksichtigt sind.

Eine kleine, aber recht übersichtliche Karte von Afrika ist zunächst in dem letzten Hefte von „Petermann’s Geographischen Mittheilungen“ erschienen. Vier vorzügliche Specialkarten lieferte ferner in letzter Zeit das Geographische und nautische Institut von L. Friedrichsen in Hamburg. Dieselben sind im Auftrage des Auswärtigen Amtes bearbeitet und beziehen sich auf sämmtliche deutsche Besitzungen in Afrika, sowie auf das centralafrikanische Freihandelsgebiet. Eine sehr interessante Kollektion von Specialkarten sämmtlicher deutscher Kolonialgebiete erscheint endlich im Verlage von Justus Perthes in Gotha; in diesen Karten werden namentlich unsere Handelsbeziehungen, Faktoreien etc. berücksichtigt.

Allen Lesern, die sich für das neue Afrika besonders interessiren, können wir die oben genannten Karten mit gutem Gewissen empfehlen. S–d.     


Allerlei Kurzweil.


Bilder-Räthsel.


Auflösung des magischen Tableaus „Der zerbrochene Spiegel“ in Nr. 18: Verbindet man die den Scherbenspitzen und Einbuchtungen gegenüberstehenden Buchstaben, von dem mit einem Punkt markirten G angefangen, zu Worten, so erhält man den Satz: „Glück und Glas, wie bald bricht das“. S. Atanas.     


Auflösung des Scherz-Räthsels in Nr. 18: Die Pfeilspitze trifft den Hals, die zunächst sich bildende Schlinge das Auge, die zweite Schlinge die Nase und die letzte die Stirn. Die Anfangsbuchstaben der genannten Gesichtstheile geben den Namen: „Hans“.


Kleiner Briefkasten.

Johannisbeerwein. Heinrich Semler giebt in seinem trefflichen von uns bereits empfohlenen Werke „Die Hebung der Obst-Verwerthung und des Obst-Baues“ folgendes Recept: „Ein sehr starkes Getränk erhält man, wenn man dem ausgepreßten Saft der Johannisbeeren die doppelte Menge Wasser zusetzt und dann zwei Eßlöffel Hefe einrührt. Zwei Tage läßt man den Saft gähren, seiht ihn dann durch ein Haarsieb, fügt für je ein Liter ein Pfund Zucker bei und läßt die Vergährung erfolgen. Wenn dieselbe nahezu beendet ist, wird Franzbranntwein, dessen Menge den vierzigsten Theil des Mostes betragen soll, in das Faß gebracht, das man zwei Tage nachher fest verspundet. In vier Monate[n] ist der Wein reif.“

K. L. in Hamburg, Fr. K. in Str. Nicht geeignet.


Inhalt: Die Frau mit den Karfunkelsteinen. Roman von E. Marlitt (Schluß). S. 321. – Gestörte Gastfreundschaft. Illustration. S. 321. – Eine Verschwörung. Von Johannes Scherr. S. 326. – Der Kongo und die Gründung des Kongostaates. Bericht über das neue Werk von Henry M. Stanley. S. 329. Mit Karte des Kongostaates. S. 329. – Unter der Ehrenpforte. Von Sophie Junghans (Fortsetzung). S. 334. – Blätter und Blüthen: Die Wittwe des Märtyrers. S. 336. Mit Illustration S. 325. – Am Kellersee bei Eutin. S. 336. Mit Illustration S. 333. – Friedrich Christoph Dahlmann. – Neue Karten von Afrika. – Allerlei Kurzweil: Bilder-Räthsel. – Auflösung des magischen Tableaus „Der zerbrochene Spiegel“ in Nr. 18. – Auflösung des Scherz-Räthsels in Nr. 18. – Kleiner Briefkasten. S. 336.


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_336.jpg&oldid=- (Version vom 26.3.2024)