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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)


Sonntag in Holland.
Nach dem Oelgemälde von Klaus Meyer.




vom Wasser her, doch sie bringt deinem Ohr keinen Jauchzer. Die Leute, die außerhalb des Marmors wohnen, sammeln sich am schmutzigen Strand vor ihren Hütten, um deine Rückkehr aus dem Zauberhaine der Armida zu erwarten und dich anzubetteln.

Daß allenthalben Marmorbilder in den Nischen, in den Sälen, in den Wölbungen der Laubengänge, an Brunnen, auf herbeigeschleppten Felsstücken stehen, weiß Jeder, der im südlichen Lande solch einen Prunkpalast gesehen hat. Schon Mignon thut ihrer Erwähnung. Es ist da eine absonderliche steinerne Gesellschaft zusammengekommen. Venus und Flora, unter dem Meißel Monti’s entstanden, schauen den Bildnissen von Menschengestalten unserer Tage in die Augen. Mancher von den Schwärmern hat auch der schwebenden Gärten von Isola Bella Erwähnung gethan. Es sind dies treppenförmige Absätze, zehn an der Zahl, einer über dem anderen. Auf ihnen stehen ebenso viele schmale Obelisken, Pyramiden und Bildsäulen, als Bäume. Man möchte das Ganze, durch welches sich die Marmortreppen hinaufziehen, mit einem jener breitwuchtigen Pagodenthürme vergleichen, wie sie an den Ufern indischer Ströme in die Höhe steigen. Zu oberst auf dem ausgedehnten Steinwerke erhebt sich das geflügelte Einhorn, das Wappenthier der Borromäer.

Unverständlich bleibt es den Italienern, begreiflich aber den Nordländern, daß es immer Leute gegeben hat, welche von der steinernen Mosaikherrlichkeit solcher Gärten nicht viel wissen wollen. Unter diesen Sonderlingen befinden sich zwei, denen die Welt ein feines Gefühl für die Gestaltungen der Natur zuerkennt, Rousseau und Saussure. Manchem Leser ist jene Stelle der „Geständnisse“ erinnerlich, in welcher der Genfer Philosoph behauptet, die Kunst habe hier auf Kosten des Naturschönen zu viel gethan. Was jedoch Saussure anbelangt, so ist dieser noch weiter gegangen, indem er sagte, daß er sein Leben lieber in einem weltvergessenen Felsenthale, zwischen Wäldern und Wasserfällen zubringen wolle, als immerfort auf diesen geradlinigen Terrassen zwischen den Obelisken, den steinernen Drachen, Tritonen und Meerungeheuern herumzugehen. Gleichwohl gesteht auch er zu, daß es ein großer Gedanke war, einen nackten Felsen in einen Garten zu verwandeln, in welchem den Blumen und Gewächsen verschiedener Zonen ein Stelldichein gegeben wurde. In dieser Hinsicht freilich wird Isola Bella weit von der benachbarten Isola Madre übertroffen. Dort glüht es allenthalben im Vorfrühlinge von Kamelien, im Hochsommer von Granatblüthen und von den Blumenkelchen der haushohen Oleander. Der Garten dort ist weniger abgemessen, weniger beschnitten, mehr von Ziererei und Schnörkeln verschont geblieben.

Nur an den Seen Oberitaliens, welche noch im Schutze der Alpen liegen, kann der Fremdling sich eine Vorstellung von jenem Pflanzenwuchse machen, der erst weiter südlich, jenseit des Apennin, beginnt, von jenem Pflanzenwuchse, den man die Vegetation des Mittelmeerbeckens nennt. Weiter draußen, in der lombardischen oder venetianischen Ebene, ist von dieser nur wenig mehr zu verspüren. Aber an den felsgeschützten Gestaden der Seen giebt es manches Bild von Wachsthum, welches an die Gärten von Pegli oder Bordighera gemahnt. Man sieht das

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_313.jpg&oldid=- (Version vom 18.5.2019)