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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Aerzte, Apotheker, Thierärzte und Zahnärzte, als auch der Maschinisten und Steuerleute in der Handelsmarine. – Alle drei Bücher werden einen willkommenen und nothwendigen Rathgeber für alle die Eltern bieten, welche vor die Entscheidung der obigen Frage gestellt sind. – th.     


Theodor von Frerichs. †. Die Berliner Universität hat den Verlust einer ihrer stolzesten Zierden, die deutsche Medicin den Verlust einer ihrer größten Autoritäten zu beklagen. Der berühmte Arzt, der so viele Opfer dem frühzeitigen Tode entrissen, ist selbst von dem unerbittlichen Schicksal ereilt worden: Theodor von Frerichs ist am 14. März an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. Freilich hat er ein hohes Alter erreicht, in dem die Todesstunde den Meisten zu schlagen pflegt, und doch erschien Vielen die Trauerkunde unverhofft, denn Frerichs stand noch auf dem Gipfel seines Wirkens und Schaffens. Erst im vorigen Jahre feierte er das fünfundzwanzigjährige Jubiläum seiner akademischen Lehrthätigkeit, und kaum drei Jahre sind verflossen, da er den Kongreß für innere Medicin zum ersten Male nach Wiesbaden berief und den Aerzten einen neuen segensreichen Mittelpunkt zum Austausche ihrer Erfahrungen und Kenntnisse schuf.

Am 24. März 1819 zu Aurich geboren, widmete Frerichs sich in Göttingen und Berlin medicinischen Studien, und nachdem er die weite Welt bereist hatte, um seine Kenntnisse zu erweitern, habilitirte er sich zunächst als Privatdocent in Göttingen. Von hier folgte er einem Rufe nach Kiel und ging im Jahre 1851 nach Berlin, wo er als Professor der Pathologie und Kliniker bald die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Welt auf sich lenkte. Nach Schönlein’s Tode wurde ihm in Berlin die Professur für innere Medicin und die Direktion der Charité im Jahre 1859 übertragen. In dieser Zeit entstand sein bedeutendstes Werk „Klinik der Leberkrankheiten“, welches sofort in mehrere fremde Sprachen übersetzt wurde und seinen Ruf auch im Auslande begründete. Tausende von Kranken aus aller Herren Ländern suchten bei Frerichs Rath und Hilfe, und er war ein wahrer Wohlthäter der Menschheit, dem für lange Zeiten in den Herzen Vieler ein dankbares Andenken gesichert bleibt. – i.     


Ronde-Tarantella.0 Nach einer alten Zeichnung von J. J. Grandville.


Spaziergang vor dem Thor. (Mit Illustration S. 229.) Wer möchte es wagen, dieses lebensvolle Bild besser erklären zu wollen, als der Dichter es gethan, dessen Gestalten der Künstler uns vorführt? Uns erfreut der Anblick des Kunstwerkes um so mehr, je mehr der lieben alten Bekannten aus Goethe’s herrlicher Dichtung wir in der bunten Menge begegnen. Goethe’s Meisterschaft in der Behandlung des Volkslebens hat das Erquicklichste in jener Scene des Faust geschaffen, die er „Vor dem Thor“ überschreibt und deren Gesammtbild er den Faust in den Versen schildern läßt:

„Aus dem hohlen, finsteren Thor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern;
Sie feiern die Auferstehung des Herrn;
Denn sie sind selber auferstanden,
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern – –
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern – –
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht. – –
Ich höre schon des Dorfes Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet Groß und Klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“

Und sehen wir uns in der Menge der Spaziergänger um, so erkennen wir sofort die schmucken „Bürgermädchen“, denen der eine „Schüler“ zustrebt, auf die „Mägde“ zürnend, denen der andere der „schönen Knaben“ nachläuft. Die Kinder jubeln den stattlichen „Bürgern“ voraus, die über „Krieg“ und möglichst fernes „Kriegsgeschrei“ politisiren. Und dies Alles zeigt Faust seinem pedantischen Wagner, dem der Ausdruck der Volksfreude ein „verhaßter Klang“ ist.

Wie tief hat Goethe in die deutsche Volksseele geblickt und welche Schätze aus diesem ewig frischen Born gehoben! Wenn erst dieses Volk selbst ihn kennen und schätzen gelernt hat, wird die Volksbildung einen großen Schritt vorwärts gethan haben. F. H.     


Die Kosmetik des elektrischen Lichtes. Die Damenwelt, welche das Sonnenlicht haßt, da es das Gesicht mit kräftigen Farben „verunstaltet“ und den zarten rosenrothen Anflug der weißen Wangen durch bäuerliches Roth ersetzt, wird wohl dem elektrischen Lichte ewige Feindschaft schwören, wenn sie erfährt, daß dieses in der kosmetischen Wirkung sogar der Sonne über ist. Die Gelehrten haben es ja entdeckt: schon das Licht einer elektrischen Lampe, dessen Stärke nur 1000 bis 2000 Kerzen beträgt, verändert unsre Gesichtsfarbe nach einer Stunde, und Lampen von 10000 bis 20000 Kerzen sollen in kurzer Zeit die Haut intensiv röthen. Wenn die elektrische Lichtfluth in den Theatern noch mehr zunimmt, so wird vielleicht noch eine neue Krankheit entstehen: „elektrische Sprossen“ als Pendant zu den berüchtigten „Sommersprossen“. Doch trotz der genannten Entdeckung steht noch die Gefahr jener Lichtfluth im weiten Felde. Die Damenwelt kann ruhig sein, denn sie wird genugsam geschützt durch den sparsamen Sinn der Theaterdirektionen. – i.     


Von des deutschen Reiches Westmark, aus Metz, kommt uns eine Bitte zu, der wir hier gern Raum gewähren. Der dortige Turnverein, der als ein Vorposten des Deutschthums auf neuerworbenem Reichsgebiete erfolgreich bemüht ist, ein versöhnendes Verbindungsglied zwischen den alt- und neudeutschen Bestandtheilen der Bevölkerung Lothringens zu werden, entbehrt einer eigenen Turnhalle. 1872 gegründet, hat der Verein bis jetzt mit den schwierigsten Verhältnissen zu kämpfen gehabt, bald mußte ein Schuppen, bald auch nur, selbst im Winter, ein offener Hofraum als Turnplatz genügen; erst in den letzten Jahren gelang es ihm, für drei Wochenabende je einundeinhalb Stunden das nicht heizbare und nur zu Militärzwecken eingerichtete Turnlokal der Kriegsschule zu miethen, doch kann dieses Verhältniß von der Militärbehörde jederzeit gelöst werden und der Verein stände dann plötzlich ohne turnerisches Heim. Unter diesen Umständen kann das Turnen sich nur mühsam entwickeln, und natürlich leidet der patriotische, echt nationale Zweck vornehmlich darunter. Metz dem Deutschthum gewinnen zu helfen, der deutschen Turnsache in Lothringen den Weg zu bahnen, die Bildung neuer Turnvereine anzuregen und zu fördern (in Lothringen wurden in den letzten Jahren in Ars, Diedenhofen, Forbach und Saargemünd Turnvereine gegründet), das gehört mit zu dem angestrebten Ziele. 50000 Mark ungefähr sind erforderlich für den Bau einer Turnhalle, nur ein geringer Theil dieser Summe ist erst vorhanden. Es muß daher die werkthätige Beihilfe aller Gleichgesinnten angerufen werden. Möge die Bitte nicht ungehört verhallen, auch die geringste Gabe wird willkommen sein. Geldsendungen sind an C. Jonas, kaiserl. Kassen-Rendant, in Metz zu richten. – r.     


Ein hübsches Qui pro quo. Die „Deutsche Studentenzeitung“ hatte eine Preiskonkurrenz für das beste Studentenlied ausgeschrieben, und den ersten Preis, einen vom Lahrer „Allgemeinen deutschen Kommersbuch“ gestifteten silbernen Pokal, erwarb ein Gedicht „Am Rhein“ von F. Schanz Dieser Dichter nun ist unsere geschätzte Mitarbeiterin Frida Schanz, an deren zarten lyrischen Poesien sich unsere Leser schon erfreut haben. Und so werden denn in Zukunft Füchse und bemooste Häupter mit ihren alten Herren bei Kommersen einen „cantus steigen lassen“, den ihnen – eine wahrhaft poetische Fügung Äpoll’s – eine deutsche Jungfrau schenkte. – r.     


Nachklänge der Hygieine-Ausstellung. Ueber die allgemeine deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygieine und des Rettungswesens, die im Jahre 1883 in Berlin stattgefunden hat, wird von Dr. Paul Börner ein wissenschaftlicher Bericht herausgegeben, der sehr interessant zu werden verspricht. Soeben sind Vorwort und Einleitung zu demselben im Verlage von S. Schottländer in Breslau erschienen. – i.     


Nochmals eine humoristische Notenzeichnung. (Mit Abbildung.) Die originelle Notenzeichnung J. J. Grandville’s „Barcarole“, die wir in Nr. 1 dieses Jahrganges gebracht haben, hat einen so großen Beifall vieler unserer Leser gefunden, daß wir, um ihren Wunsch zu erfüllen, heute eine zweite Zeichnung nachfolgen lassen. Auch diese „Ronde-Tarantella“ ist ein kleines Meisterstück und ebenso leicht zu enträthseln, wie der erste musikalische Scherz. – k.     


Auflösung des Zweisilbigen Räthsels in Nr. 13: 0 Diebstahl.


Kleiner Briefkasten.

J. M. in Dresden. Ein ganzer Stoß von Zuschriften liegt vor uns, welche in gleichcr Weise wie die Ihrige der Entrüstung über dieses „Heldenstück“ Ausdruck verleihen. Der Angriff steht tief unter dem Niveau aller anderen in der letzten Zeit gegen uns gerichteten, und wir können uns nicht entschließen, in der „Gartenlaube“ auch nur ein Wort auf denselben zu erwidern.


Inhalt: Osterzeit. Gedicht von Hermann Lingg. Mit Illustration S. 221. – Die Frau mit den Karfunkelsteinen. Roman von E. Marlitt (Fortsetzung). S. 222. – Frühlingsglaube. Illustration mit Gedicht von L. Uhland. S. 224 und 225. – Zum sechszigjährigen Professoren-Jubiläum Leopold von Ranke’s. Von Max Lenz. S. 227. Mit Portrait S. 228. – Eine Mägdeherberge in Berlin. Von Frau Tiburtius-Hirschfeld (Berlin). S. 232. – Unter der Ehren-Pforte. Von Sophie Junghans (Fortsetzung). S. 234. Mit Illustration S. 237 – Unsere Genußmittel. I. Fleischbrühe und Fleischextrakt. Von Dr. O. S. 238. – Blätter und Blüthen: Die Korvette „Alexandrine“. Mit Abbildung S. 239. – Der Kinder Osterfest. S. 239. Mit Illustration S. 233. – Was soll der Junge werden? S. 239. – Theodor von Frerichs. †. S. 240. – Spaziergang vor dem Thor. S. 240. Mit Illustration S. 229. – Die Kosmetik des elektrischen Lichtes. – Von des deutschen Reiches Westmark. – Ein hübsches Qui pro quo. – Nachklänge der Hygieine-Ausstellung. – Nochmals eine humoristische Notenzeichnung. Mit Abbildung. – Auflösung des zweisilbigen Räthsels in Nr. 13. – Kleiner Briefkasten. S 240.


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_240.jpg&oldid=- (Version vom 22.3.2024)