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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

sind nur aus dem Grunde diesen Vertrag eingegangen, weil sie nunmehr als rechtmäßige Besitzer die erbeuteten Waaren unbehindert in dem nahe gelegenen Aden verwerthen können.

Den zweiten dieser Volksstämme, welcher südlich und westlich von den Somali wohnt, bilden die Gala, unter denen ich auch einige Monate zubrachte. Früher den Massai an Wildheit gleich, hat der südlichere Zweig dieses Stammes, wiederholt durch die Somali besiegt, sehr an Kraft eingebüßt und ist umgänglicher in dem Verkehr mit Fremden geworden, während der nördlichere noch immer ein unbändiges kriegerisches Volk ist, das zahlreiche Pferde besitzt und beritten in den Kampf zieht. Den dritten Stamm endlich bilden die zwischen den ostafrikanischen Schneebergen und dem Viktoria Nyanza wohnenden Massai und die ihnen nahe verwandten Kuafi. In Körperbildung, Sprache, Sitten und Gebräuchen sich ähnelnd sind diese vier Stämme doch unter einander die erbittertsten Feinde. Wir wollen jetzt die Lebensweise der Massai als des urwüchsigsten und noch in keiner Weise von der Kultur beeinflußten Volkes etwas genauer betrachten.

Massai-Krieger im vollen Kriegsschmuck.

Das ganze Leben dieses Volkes dreht sich gleichsam nur um einen Gegenstand, nämlich das Rind. Von ihm lebt der Massai ausschließlich. Um des Rindes willen zieht er in den Kampf, und alles, was er thut, steht in irgend einem Zusammenhang mit dem Thiere, ohne das er nicht zu existiren vermag. Da die jüngeren Leute, die Krieger, nur die Milch und das Fleisch des Rindes genießen – Ziegenfleisch und Ziegenmilch ist für die Weiber – so ist der Verbrauch ein so großer, daß er durch die Zucht allein nicht gedeckt werden kann. Es bedarf daher häufiger Raubzüge zu den benachbarten Negerstämmen, zumal es das Bestreben eines jeden Jünglings ist, eine möglichst große Menge Vieh zu erbeuten, um dann behaglich leben und heirathen zu können. Denn dem Kriegerstand ist die Ehe nicht gestattet, auch enthält er sich des Genusses von Tabak und alkoholischen Getränken, um nicht an Widerstandskraft einzubüßen. Der Krieger legt alles darauf an, einen recht abschreckenden und wilden Eindruck auf seinen Feind hervorzurufen, deßhalb putzt er sich zum Kampfe in der verschiedensten Weise heraus. Auf unserer Abbildung, welche nach einer photographischen Aufnahme angefertigt ist, sehen wir einen langen geschmeidigen Krieger in vollem Kriegsschmucke. Um das Gesicht die in einen Rahmen von Rindshaut eingenähten Straußenfedern; auf der Spitze prangt der weiße Schwanz eines Affen. Die Backen sind mit weißer Thonerde bestrichen, in der Hand trägt er den langen mächtigen Speer, um die Hüften ein kurzes Schwert, und eine Keule, aus dem Horne des Rhinoceros geschnitzt, steckt an der rechten Seite. Den linken Oberarm ziert ein Armband aus Perlen; an der rechten Hand sehen wir einen langen den Mittelfinger schildartig bedeckenden Ring von Eisen. Die Unterschenkel tragen einen Schmuck aus dem schwarz-weißen Fell eines Affen, und von der Schulter herab wallt ein Mantel aus dünnem Baumwollenstoffe, der von den mohammedanischen Kaufleuten in dieser Weise dem Geschmack der Massai entsprechend in den Handel gebracht wird. Der mächtige aus Ochsen- oder Büffelhaut verfertigte Schild ist schwarz-weiß-roth mit verschiedenartigen Mustern bemalt. Die Krieger lieben auch – tout comme chez nous – klingende Geräusche, besitzen aber, was musikalische Instrumente betrifft, nur einen Gegenstand, den man höchstens mit unserem Schellenbaum vergleichen könnte, nämlich länglich geformte Schellen, die um den Oberschenkel geschnallt werden. Um das Fußgelenk legen sie winzige Schellchen, welche beim Gehen ein dem Sporengeklirre täuschend ähnliches Geräusch hervorbringen. Die gemeinen Soldaten gehen fast unbekleidet, nur eine kleine Haut aus Ziegenfell hängt auf der Brust herab.

Ohne ein Zeichen von Unbehaglichkeit zu äußern, erschienen diese Jünger des Mars in solch dürftiger Uniform selbst des Morgens bei einer Temperatur von 7° R. in unserem Lager. Im Kampfe sind sie unwiderstehlich und fürchten den Tod nicht. Die Mohammedaner erzählen, daß, wenn man sich einem verwundeten Massai nähere, er seinen Feind mit wüthendem Blicke auffordere, ihn zu tödten. Der Massai kämpft nur mit der Lanze als Stoßwaffe; das Feuergewehr verachtet er und ist sich dessen Gefahr noch nicht recht bewußt. Vor einigen Jahren wurde eine Abtheilung von 60 Mann einer Elfenbeinkaravane von den Massai aufgerieben. Nachdem alles Lebende getödtet war, errichtete man einen Scheiterhaufen, um sämmtliche unnützen und gefährlichen Gegenstände zu vernichten, darunter vor allem die Gewehre. Nun beging man aber die Unvorsichtigkeit, die letzteren zum Theil mit der Mündung nach außen zu stecken, und als das Feuer die noch geladenen Gewehre ergriff, wurden auf diese Weise mehrere der umstehenden Massai verwundet.

Den Hauptschmuck der Männer bilden Ohrringe aus Metall, Perlen oder geflochtenen Bastfasern, welche bei einzelnen Leuten oft so groß sind, daß sie bis auf die Schultern reichen. (Vergl. unsere Anfangsvignette S. 210.) Sogar die vor meinem Zelte aufgehangenen Thermometer versuchte man als Ohrschmuck zu verwenden. Die Weiber legen den meisten Werth auf dicken Eisendraht, der in dichten Spiralen um Ober-, Unterarm und Unterschenkel gewunden wird. Auch um den Hals wird dieser Draht getragen, jedoch in lockeren Windungen, die wie eine mächtige Halskrause weit abstehen. Das Gesammtgewicht eines solchen Eisenschmuckes beträgt mindestens 25 Pfund. Außerdem hängen aber noch an den Kopfseiten der verheiratheten Frauen große Doppelscheiben aus spiralig gewundenem dicken Messingdraht, die an den bei allen Individuen enorm ausgedehnten Ohrläppchen befestigt und so schwer sind, daß sie noch durch ein besonderes über den Kopf laufendes Riemchen gehalten werden müssen, wodurch mit der Zeit ein tiefer Einschnitt in die Haut verursacht wird. Man sieht, daß auch diese Damen um der Mode willen viel zu ertragen vermögen, besonders wenn man bedenkt, daß sie mit all dem Zierrath auch noch sehr angestrengt arbeiten müssen.

Kinder, Weiber und alle verheiratheten Männer rasiren sich den Kopf vollständig. Nur bei den dem Kriegerstande angehörigen jungen Männern ist es üblich, das Kopfhaar zu pflegen und in zierlichen und auffallenden Frisuren zu zeigen. Hier kann man die schönsten Zöpfe und Chignons sehen. Eine eigenthümliche, aber auch bei anderen afrikanischen Stämmen beliebte Frisur wird in der Weise hergestellt, daß man die Haare des Vorderkopfes in drei mit Bast umwickelte Hörnchen zusammenflechtet, die über der Stirn etwas vorspringen und sich dann nach oben und hinten biegen.

Wenn die Entwickelung der Kochkunst einen Rückschluß auf die Kulturstufe eines Volkes gestattet, so befinden sich die Massai auf einer sehr niedrigen. Man genießt nur Milch und an Holzspießen oberflächlich geröstetes Fleisch, welches Rinder, Schafe und Ziegen liefern. Geflügel, Wildbrett und Fische werden durchaus verschmäht. Nur im Falle der Noth bequemt man sich dazu, vegetabilische Nahrung zu genießen. Trotz der großen Einfachheit der Speisen bestehen dennoch besondere Regeln in Bezug auf Zubereitung und Genuß derselben, die zum Theil an die semitischen Vorschriften erinnern. Milch und Fleisch dürfen niemals zusammen genossen werden, sondern man lebt eine Zeitlang (10 bis 15 Tage) nur von Milch und dann wieder eben so lange ausschließlich von Fleisch. Erstere darf niemals gekocht werden, auch ist es nicht erlaubt für Fleisch und Milch dasselbe Gefäß zu benutzen. Man ist so ängstlich bemüht eine Berührung dieser beiden Nahrungsmittel zu vermeiden, daß man sogar, bevor man von einem zum anderen übergeht, ein Brechmittel nimmt.

Der Glaube an Zauberkräfte besonders im bösen Sinne, der selbst in unserem aufgeklärten Europa noch nicht ganz verschwunden, ist bei diesem Volke noch ein allgemeiner. Besonders fürchtet man sich vor dem bösen Blick, und man gebraucht verschiedene Schutzmittel, um ihm zu begegnen: junge Mädchen tragen einen aus dem Holze einer bestimmten Baumart geschnitzten Halsschmuck, während die Krieger glauben, sich durch Rindermist sichern zu können, der auf Backen und Stirn aufgetragen wird. Eine besondere Kraft scheint dem Speichel zugeschrieben zu werden, wenigstens reichen die jungen Krieger den Leuten ihres Stammes, welche den Ruf haben, Wunderkräfte zu besitzen, die Hand hin, damit jene darauf speien, und auch von mir verlangte man dies mitunter in einem Maße, daß bei der starken Hitze die Speicheldrüsen ihren Dienst versagten. Die Mohammedaner, die übrigens selbst kaum weniger abergläubisch sind, wissen den Aberglauben der Eingeborenen, mit denen sie einen regen Elfenbeinhandel treiben, geschickt für sich auszubeuten, indem sie die verschiedensten werthlosen Gegenstände, unter denen beschriebene Papierstreifchen eine Hauptrolle spielen, mit Erfolg gegen bösen Blick, Krankheiten und alle möglichen Uebel ausbieten.

Es wird nämlich das Massai-Land, seitdem das Elfenbein so bedeutend im Preise gestiegen, alljährlich von mehreren oft 600 bis 1000 Mann starken Karavanen aufgesucht. Diese haben mit vielen und großen Entbehrungen und Gefahren zu kämpfen. Die fast ausschließlich an vegetabilische Nahrung gewöhnten Küstenbewohner sind für längere Zeit nur auf

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_211.jpg&oldid=- (Version vom 16.3.2024)