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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Die Waldschnepfe.

Unter den in Deutschland heimathberechtigten Schnepfenarten hat die Waldschnepfe für den Jäger wohl das höchste Interesse. Abgesehen von der Vortrefflichkeit des Wildbretts und dem daraus sich ergebenden Werthe des Vogels, bieten die verschiedenen Jagdarten auf denselben soviel des Spannenden, daß er schon um deßwillen als der Liebling des deutschen Waidmanns gilt.

Die Waldschnepfe ist ein Zugvogel, welcher Anfangs März zu uns kommt, um uns im November wieder zu verlassen, wobei die Zeit des Wieder- und Abstrichs etwa je vier Wochen währt. Ihr eigentlicher Lieblingsaufenthalt ist der Wald. Die in Würmern bestehende Nahrung findet sie meist auf den an den Holzrändern sich hinziehenden Wiesen, die sie aufsucht, um danach stets wieder in das gewohnte Waldesdunkel zurückzuflüchten.

Kaum einen zweiten Vogel dürfte es geben, über dessen Lebensgewohnheiten bei den Naturforschern noch bis vor Kurzem die Ansichten derart aus einander gingen, wie bei der Waldschnepfe. Ihr scheues, abgeschlossenes Treiben in Verbindung mit ihren abgeschiedenen Aufenthaltsorten schützte sie vor den Nachforschungen der Menschen, und wir verdanken die gründliche Kenntniß dieser Wildgattung erst der Epoche, da der Naturforscher selbst zur Flinte griff und wie Brehm, der der Waldschnepfe in seinem berühmten Werke „Das Leben der Vögel“ einen vortrefflichen Artikel widmet, durch eingehendes Selbststudium in der Natur sich Kenntniß von ihrem Leben verschaffte, ohne sich auf die oft recht abenteuerlichen Beschreibungen der Jünger Dianens zu verlassen.

Von den Jagdarten auf die Waldschnepfe mögen hier die interessantesten Erwähnung finden. Zuvörderst sucht man sie mit einem sicheren, mit einer Klingel versehenen Vorstehhunde, wobei es sich empfiehlt, daß zwei Jäger einander sekundiren. Während der Eine vorsichtig hinter den Hund tritt, sobald dieser steht, umgeht der Andere in weitem Bogen die Stelle, auf welcher der Blick desselben das Wild vermuthen läßt, um darnach von vorn auf die Hundenase zuzukommen. Hierdurch wird die Schnepfe gezwungen, in die Höhe zu steigen, und kann verhältnißmäßig leicht geschossen werden, während sie sonst, unmittelbar am Boden hinstreichend, zwischen dem Gestrüppe des Unterholzes ein überaus schwieriges Zielobjekt bildet.

Neben der Suche mit dem Hunde benutzt man den Ansitz an feuchten Sumpflöchern, sogenannten Suhlen im Walde, zu denen die Schnepfe am Abend und Morgen zur Aesung zieht. Hoch über den Wipfeln der Bäume sehen wir sie kreisen, ehe sie sich plötzlich pfeilschnell, mit pfeifendem Flügelschlage niederläßt. Längere Zeit bleibt sie darauf still auf einem Flecke stehen, den langen Schnabel zur Brust gesenkt und mit den hervortretenden Augen scharf sichernd, bis sie sich überzeugt hält, daß ihr keine Gefahr droht, worauf sie das Stechen nach Würmern beginnt. Von diesem Augenblicke an scheint sie jede Scheu verloren zu haben. Oftmals habe ich mit einem Gefährten an derselben Suhle gesessen und mit ihm Beobachtungen über den augenblicklichen Stand des Vogels mit lauter Stimme ausgetauscht, da wir des dunklen Erdreichs wegen ihn nicht erkennen konnten; er ignorirte das Geräusch, welches wir machten, vollständig und fuhr unbekümmert in seiner interessanten Beschäftigung fort. —

Indem ich nur kurz das Treiben der Schnepfen durch Treiber, wo undurchdringliche Dickungen es nicht gestatten, dem Hunde zu folgen, erwähne, komme ich auf die beliebteste Jagdart, den Anstand gelegentlich des Schnepfenzuges, der eigentlichen Paarungs- oder Balzzeit im Frühjahr am Morgen und Abend, zu sprechen; letztere Tageszeit wird der längeren Dauer des Zuges wegen mit besonderer Vorliebe gewählt. Der bekannte Jagdmaler Deiker hat auf nebenstehendem Bilde unsern langschnäbeligen Lieblingen einen Augenblick ihres Treibens zur Dämmerstunde getreulich abgelauscht.

Von den Wiesen steigen die Nebel auf, und der laue West nimmt sie in seine Arme, um sie dem dunklen Waldrande zuzuführen und sie spielend und kosend um die Wipfel der Erlen und Birken zu schlingen, deren junge Triebe durstig das Naß einsaugen. Wie ein sanfter, seliger Schauer fliegt es über das Moor mitten in den finsteren Rahmen des Forsts. Es kommt ja der Lenz gezogen, und werden auch noch Wochen vergehen, bis seine Liebeswerbung die Natur voll beglückt, so fühlt sie doch jetzt schon den süßen, berauschenden Athem, der seinem Kommen voraneilt. Und mit ihr empfinden seine Nähe all ihre gefiederten Kinder in Busch und Wald, die ihn mit schmetterndem Gesang jubelnd und jauchzend begrüßen.

In stummer Andacht stehen wir und lauschen. Wie das zwitschert und flötet, zirpt und schmettert! Eine unendliche Mannigfaltigkeit des Gesanges und dennoch nur ein einziges Motiv, welches jeder Einzelne der kleinen Künstler seinem Liede untergelegt hat, das er in seiner Weise variirt: sie singen das Lied von der Liebe. Vom Süden sind sie zurückgekehrt, bei uns wollen sie ihr Nest bauen, ihre Heimath ist der Norden.

Dunkler wird es um uns her, und mit dem hereinbrechenden Abend verstummen allmählich die Sänger. Nur noch die Drossel läßt ihre sehnsüchtigen, schmelzenden Weisen hören, bis auch ihr Flöten durch längere Pausen unterbrochen wird, bis auch sie endlich ihr Gefieder sträubt und das Köpfchen unter den schützenden Flügel steckt, um von des Frühlings Liebe und Lust zu träumen.

Stille ringsum; erloschen ist das Licht des Tages, und mit ihm sind die rothen und goldigen Säume der Wolkenschäfchen im Westen verblichen. Das Himmelsgewölbe über uns, eben noch hellgrün leuchtend, ist jetzt in lichtes Blau getaucht, auf dessen Grund eben, kaum erkennbar noch, ein kleiner, glänzender Punkt sichtbar wird: der Abendstern, vom Jäger mit frohem Hoffen begrüßt.

Aufhorchend steht er da. Quaor — quaor — langsam sieht er sie, der seine Andacht gilt, näher ziehen an dem Waldrande hin. Schon hebt er die Flinte, da — pfuitz — pfuitz; ein zweiter Schatten ist neben dem ersten, und nun wirbelt es in wilder Jagd pfeilschnell an ihm vorüber, einander überstürzend und sich zu haschen suchend. Er hat nicht zu schießen vermocht, weil die Umrisse der Vögel beim hastigen Fluge zur Erde im Schatten derselben verschwunden gewesen; und dennoch athmet er froh auf. Die alte Jägerregel hat sich von Neuem bestätigt: „Okuli, da kommen sie“; die ersten Schnepfen sind da.

Wir aber möchten dem Verslein eine dritte Strophe hinzufügen: „Schieß’ jetzo sie nie!“ Leuchtet doch der Abendstern ihnen zur beglückenden Liebesfahrt; wollen doch auch sie bei uns ihr Nest bauen. Eugen Friese.     


Deutsches Bier in Paris.

König Gambrinus ist wohl der größte Eroberer des neunzehnten Jahrhunderts, und wie er jenseit des Oceans und im tropischen Süden Siege auf Siege zu verzeichnen hat, so wußte er auch in die stark befestigte Hauptstadt des Weinlandes Frankreich einzudringen, in der bis jetzt Bacchus der Alleinherrscher war. Dort hat er auch ein Wunder vollbracht; er verschaffte dem deutschen Bier das Bürgerrecht der Seinestadt. In der That ist es für den ständig in Paris lebenden Deutschen eine besondere Genugthuung, zu wissen, daß sein durstiger Landsmann hier einen „Stoff“ findet wie nur irgendwo in München oder in Nürnberg, daß man hier ein ebenso gutes Glas Bier trinkt wie irgendwo in aller Welt. Freilich, das Vergnügen, seinen Durst zu löschen, ist hier etwas kostspieliger als daheim; denn man zahlt in Paris für das halbe Liter 40 Pfennig. Aber darüber tröstet man sich schon, indem man beispielsweise in Gedanken mit der Hälfte dieser 40 Pfennig das Extravergnügen bezahlt, das deutsche Bier hier als immer siegreicheren Eroberer zu sehen, einen Eroberer, der bereits einen Theil der Pariser Gesellschaft aus einer weintrinkenden zu einer biertrinkenden gemacht hat.

Betrachtet man diesen Eroberungszug des deutschen Bieres etwas genauer, so läßt sich unschwer zeigen, daß er noch keineswegs an seinem Ende angekommen ist, daß an dem Tage, an welchem es gelungen sein wird, das deutsche Bier hier mit 25 oder 30 Pfennig das halbe Liter zu verkaufen, ganz Paris zu seinen Füßen liegt.

Wir wollen zu diesem Zwecke einige Zahlen anführen: Im Jahre 1855 betrug der gesammte Pariser Bierkonsum 130000 Hektoliter. In dieser Ziffer spielt aber das elsässer Bier und namentlich das sogenannte petite bière (einfaches), das in den nördlichen Provinzen Frankreichs seit jeher gebraut wird, die Hauptrolle. Auf Biere bayrischer und österreichischer Herkunft kamen keine 30000 Hektoliter. In den sechsziger Jahren, namentlich im Ausstellungsjahre, steigt der Konsum dieser Biere allerdings beträchtlich, namentlich auch des österreichischen Bieres durch Gründung einer ganzen Zahl Dreher’scher Bierhallen. Im Jahre 1870 aber und in den folgenden fällt die Einführung deutschen Bieres beständig, bis sie von 1875 an schnell emporsteigt. Im Jahre 1879 beträgt der Import deutschen Bieres 270134, im Jahre 1880 gar 330990 Hektoliter und in dem eben vergangenen dürfte er bereits über 400000 hinausgegangen sein. Dem gegenüber beträgt die Einfuhr österreichischen Bieres nur noch etwa 12000 Hektoliter jährlich, während England ungefähr 20000 des seinigen über den Kanal schickt.

Der bei Weitem größte Theil des nach Frankreich exportirten deutsches Bieres kommt nach Paris, das im Jahre 1880 allein schon 300000 Hektoliter Bier trank, worunter allerdings das heimische „Einfache“ inbegriffen war. Dieses letztere hat überhaupt dazu gedient und dient noch heute dazu, den Eroberungszug unseres Bieres zu hemmen, indem es mit diesem vermischt und natürlich trotzdem als echtes Münchener, als bière de Munich, das hier offenbar das beliebteste ist, kredenzt wird. Ja, die Pariser Fälscher gehen soweit, daß sie, um das Oktroi, das heißt die Steuer, die alle die Pariser Festungsmauer passirenden geistigen Getränke zu zahlen haben, zu sparen, innerhalb der Stadt aus

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verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_184.jpg&oldid=- (Version vom 15.3.2024)