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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

„Auch Schuhnägel vielleicht?“ fragte ich, weil mich einer davon durch die Schuhsohle in die Ferse stach.

„Schuhnägel, Messer, Stifte und Eisendrähte, das machen sie draußen bei Stadt Steier herum. Bei uns im Land machen sie in den Eisenhämmern Pflugscharen, Eggenzähne, Strohschneidemesser, Hacken, Aexte, Drähte, Nägel, Schlösser, Ketten, Pfannen und Allerlei, was Du aus Eisen an den Häusern und Werkstätten nur sehen und denken magst. Die kleineren Schmiede, die fahren damit auf die Jahrmärkte. Größere Hämmer giebt’s, die auch Zeug zum Leuteumbringen machen – mußt Du wissen. Das Wichtigste aber, was in den steirischen Hammerwerken gemacht und auch weit in fremde Länder verführt wird, sind Sensen und Sicheln. Millionen Stück werden Dir verschickt alle Jahr, und darum können die Hammerherren mit ihren Frauen so vornehm herumfahren mit flinken Rößlein. Und mit dem Geld prahlen sie, daß es nur so prasselt im Land, und wo ein übermüthig Stückel aufgeführt wird, da ist gewiß ein Hammerherr dabei. Ist ja alleweil so gewesen im Land: wo der Hammerschmied, dort gilt der Bauer nit. – Wird auch einmal besser werden, verhoff’ ich. Jetzt müssen wir noch froh sein, daß wir unsere Kohlen zu Geld machen können. Gar zu Gescheite sind gewesen, haben es mit Steinkohlen probirt, die thun’s aber nicht; das rechte Eisen muß mit Holzkohlenfeuer gearbeitet werden, sonst ist’s nichts nutz. Die Holzkohlen, die wir Bauern liefern, die machen es ja, daß steirisch Eisen in der Welt so gut estimirt wird. Kommen halt die polnischen und russischen Juden und türkischen Händler aus Ungarn und Böhmen, werden von den Hammerherren brav bewirthet und kaufen ihnen die Eisenwaaren ab, oft zu tausend Gulden auf einmal. Sollen da draußen in einer großen Stadt die Schmiede von der ganzen Welt einmal zusammengekommen sein um einen eisernen Tisch, und Jeder wollt’ die schärfsten Sensen haben, den feinsten Stahl drinn. Der steirische Schmied hat nicht mitgestritten, sondern soll zuletzt mit seiner Sense den eisernen Tisch mitten aus einander gehauen haben.“

„Wird sie wohl schartig worden sein, die Sense. Nicht?“

Ohne auf diese müßige Frage Antwort zu geben, fuhr der Vater – indem wir im Morgengrauen sachte thalab stiegen – fort zu sprechen:

„Wie die Anzeichen sind, wird’s nicht immer so dauern mit den Eisenhämmern. Man hört allerlei Sachen. Merkwürdige Sachen, mein Bübel, wie sie unsere Vorfahren nicht gehört haben. Da draußen auf dem flachen Land irgendwo – sie sagen im Mährischen oder wo – da bauen sie eine Eisenbahn.“

„Eine Eisenbahn? Was ist das?“

„Da legen sie auf der Straße hin und hin zwei eiserne Leisten, daß darauf die Wagenräder recht glatt und eben gehen können. Auf diese Weise sollen ein Paar Rösser schwere Wagen fünf und sechs auf einmal ziehen können. Es wird auch gelogen über die Sach’, daß sie eine Maschine erfunden hätten, die das Feuer treibt, anstatt der Fuhrmann, und die vor die Wägen gespannt wird und wie ein Roß ziehen kann. Sind dumme Sachen, ich sag’ Dir’s nur, daß Du’s nicht glauben sollst, wenn Du davon hörst.“

Siebenunddreißig Jahr ist es her, seit von einem zwar einfachen, aber vernünftigen Mann diese Worte gesprochen worden sind in Steiermark, wenige Stunden vom Semmering.

„Nein, Vater,“ antwortete ich, „das werde ich gewiß nicht glauben.“

„Aber das ist wahr,“ fuhr er fort, „daß sie jetzt viel mehr Eisen brauchen in der Welt, als vor Zeiten. Es werden da und dort auch schon große Eisenhämmer gebaut, wo mehr als hundert Schmiede beschäftigt sind, und wo sie extra noch mit Wasserdampf arbeiten sollen, was weiß ich, wie! In diesen großen Werken machen sie Alles, und weit wohlfeiler, als in den kleinen, und deßweg wird’s ein rechter Schade sein für unsere Eisenhämmer, und hört man, etliche sollen schon keine Arbeit mehr haben, zugesperrt oder an die großen Werke verkauft werden. Nachher ist’s traurig um uns. Weiß Gott, wie’s noch wird mit der Welt!“[1]

Mittlerweile war es licht geworden, und wo früher die feurigen Springbrunnen aus den Schornsteinen gestiegen waren, da flog jetzt dünner, brauner Rauch auf. Wir waren in das Thal gekommen, gingen an einem überquellenden Hammerbachfloß entlang und auf glattem kohlschwarzen Wege einer der Hämmerhütten zu, aus deren offenem Thor uns greller Gluthschein entgegenleuchtete.

Ueber dem Thore war das Bergmannszeichen, die gekreuzten Hämmer und Schlägel, über dem schwarzen Dache ragten die weißgetünchten Schornsteine auf, die an ihrer Mündung mit lenkbaren Klappen versehen waren, womit man, wie der Vater belehrte, den Luftzug regeln könne.

So waren wir der Schmiede ganz nahe gekommen. Ich sagte nichts, denn ich wollte in die Schmiede gehen und hatte doch Angst vor dem Lärm, der drinnen war, und vor den Funken, die durch die finsteren Räume flogen. Mein Vater sagte auch nichts, sondern führte mich hinein. Vor dem Thore hatte eine Tafel gestanden: „Fremden ist der Eintritt nicht gestattet!“ aber ein Mann, den mein Vater fragend angeblickt, sagte: „Nur zu!“

Was ich zuerst sah, das war ein sprühendes Stück Sonne, das von der brüllenden Esse mit Schwung herbeigebracht wurde und auf den Amboß geworfen, tonlos, als wäre es von Teig. Jetzt hob sich auf massigem Hebelbaume der Hammer und fiel nieder in die weiche Masse, daß ein Meer von Funken durch die Hütte schoß. Ich barg mich vor Schreck und Angst hinter den Rücken meines Vaters, aber die Funken waren bereits angeflogen an mein Leiblein, und ich war nur höchlich überrascht, daß ich nicht lichterloh brannte, ja nicht einmal einen Schmerz wahrnahm an den Händen, an welche die feurigen Mücken gesaust waren. Auch der zweite und dritte Hammerschlag jagte ein Heer von Schlacken und Funken hinaus, aber je platter das Eisenstück geschlagen wurde, je rascher der Hammer darauf niederfiel, desto weniger sprühte es. Ein Schmied stand da, der wandte mit langer Zange das Eisenstück hin und her, bis das Geschlacke von allen Seiten herausgehämmert war. Das weiße Glühen war immer rother und matter geworden, und endlich hatte das Stück nur mehr die graue Farbe des Eisens. Es wurde hingeschleudert, der Hammer stand still.

Ich war ein wenig dreister geworden und besah mir jetzt die Dinge, obwohl es ganz dunkel war, wenn das Feuer nicht leuchtete. Vor Allem fiel mir ein großer Lederkasten auf, der Athem schöpfte. Der Blasebalg war’s, welcher, von Wasserkraft aufgezogen, durch Röhren in die Essen blies. Auf der Erde lag allerlei altes Eisen umher. An den Wänden lehnten und hingen in ganzen Reihen Zangen, Hämmer, Schlägel, Feilen, Hacken, Beile und anderlei, was ich gar nicht kannte. Jetzt erst fielen mir auch die Schmiede auf, über deren rußige Gesichter und entblößte Brust die Schweißtropfen rannen. Wir gingen weiter und kamen zu anderen Essen, wo die Schmiede mit Eisenschaufeln Kohleu in die Gluth warfen, die sofort mit glanzloser, blauer Flamme grollend zu brennen begannen. In einer Esse glühte man Eisenstücke, die hernach unter kleinere, rascher pochende Hämmer kamen. Hier wurden sie – wie sie der Schmied wendete und drehte – in längliche Formen gehämmert, an denen ich nach und nach die Gestalt der Sense erkannte. Weil das Eisen bald kühlte und noch unrein war, so mußte es immer wieder in die Esse, aus der es glühend und sprühend hervorkam. So wiederholte sich’s, bis der Hammer und das kleine Handgehämmer der Schmiede endlich eine vollkommene Sense zuwege gebracht hatte, die dann schrillend auf einen Haufen von Sensen hinfiel.

War der Lärm in der Schmiede auf einen Augenblick verstummt, so hörte man von draußen das Rauschen des Wassers, das von hohem Floß auf die Räder niederstürzte. Aber der Lärm ging immer von Neuem los, und es geschah an den Essen und Hämmern immer dasselbe. Auch meine Sense, die ich werden sah, war lange noch nicht fertig. Sie wurde neuerdings geglüht

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verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_134.jpg&oldid=- (Version vom 31.3.2021)
  1. Die Aenderung ist vor sich gegangen, aber die steirische Eisenindustrie steht in größerer Blüthe als je. Die größten Eisenwerke des Landes sind heute Zeltweg, Donawitz, Neuberg, Graz, Köflach, Gußwerk. Mittlere Werke, wovon eines doch immerhin mehrere hundert Arbeiter beschäftigt oder beschäftigen kann, sind Krieglach, Wartberg, Kapfenberg, St. Michel, Rottenmann, Aumühl, Eibiswald, Storee, denen sich anschließen die Werke in Turrach, Judenburg, Murau, Zeiring, Knittelfeld, Thörl, Mürzzuschlag, Breitenau, Stanz, Eppenstein etc. Außerdem floriren auch noch unzählige kleine Eisenhämmer, wie sie hier beschrieben sind. Der Kammerbezirk in Obersteiermark vermag unter den heutigen Zuständen jährlich an 2 Millionen Meter-Centner Roheisen zu erzeugen, nahezu 50% des in den gesammten österreichischen Kronländern jährlich erzeugten Roheisens. Die Sichelfabrikation hat in Obersteiermark aufgehört, hingegen ist die Sensenerzeugung gestiegen. Gegenwärtig giebt es in Steiermark an 800 Sensenschmiede, welche jährlich gegen 2½ Millionen Sensen verfertigen. Die Produktion von anderen Stahlwaaren, Gußwaaren, Blechen, Drähten und Maschinen steht auf hoher Stufe. Der Verfasser.