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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Blätter und Blüthen.

Atala. (Mit Illustration S. 109.) Chateaubriand († 1848), der freiheitbegeisterte große französische Schriftsteller und Staatsmann, den die Ermordung des Herzogs von Enghien zum Todfeinde Napoleons machte, hatte mit 22 Jahren sein Vaterland verlassen, um in den Urwäldern Amerikas seinem Drange nach Unabhängigkeit und ungebundener Freiheit leben zu können. Mit Indianern durchschweifte er das Land vom Niagara bis Louisiana, und dieser Zeit verdankt seine Erzählung „Atala“, durch welche er seinen dichterischen Ruhm begründete, ihre Entstehung. Atala, die Tochter eines Weißen und einer Indianerin, wird von ihrer Mutter, die dann später einen Häuptling der Muscogulgen heirathete, im Christenthume erzogen. Schakta, der Sohn eines Häuptlings der Natches, wird von den Muscogulgen gefangen und zum Feuertode verurtheilt. Atala rettet ihn davor unter eigener Lebensgefahr, und die beiden jungen, in Liebe zu einander entbrannten Leute fliehen. Unter unsäglichen Mühsalen in der einsamen Wildniß des Urwaldes gelangen sie endlich zur Hütte eines christlichen blinden Einsiedlers, der Schakta zum Christenthume bekehren und dann Beide als Gatten verbinden will.

Doch Atala ist durch einen Schwur, den sie ihrer Mutter auf dem Todtenbette geleistet, zur Ehelosigkeit und Entsagung verurtheilt und vergiftet sich, um in dem Kampfe ihrer Liebe und Leidenschaft gegen das Gelübde nicht zu unterliegen. Schakta ist zerschmettert von dem Entsetzlichen, rast und tobt und flucht dem Gotte der Christen, der so Unnatürliches zugelassen, wird aber von dem Einsiedler endlich beruhigt, und Beide schreiten zur Bestattung der lieblichen, so früh dahingerafften Menschenknospe.

Diese Beerdigung Atala’s hat das ergreifende Gemälde Courtois’, dessen Holzschnitt nach einer im Verlage von Braun u. Comp. in Dornach erschienenen Photographie ausgeführt ist, zum Vorwurf.

Unter dem Bogen einer natürlichen Brücke sollten die Ueberreste der so Heißgeliebten bestattet werden. Der Eremit hatte sie in ein Stück europäischer Leinwand gewickelt, die seine Mutter selbst gesponnen hatte und die – das Einzige, was ihm aus seinem Vaterlande geblieben – für sein eigenes Grab bestimmt war. Zu schlafen schien die Jungfrau, ihre Lippen, einer kaum geöffneten Rosenknospe gleich, schienen in süßem Verlangen zu lächeln. Ihre schönen Augen waren geschlossen, der herrliche Kopf, die Schultern und die Füße waren entblößt. So trug der verzweifelte Schakta den Leichnam der geliebten Braut zu der einsamen Stelle des vertrockneten Gießbaches, und in der Wildniß des Urwaldes lagen der junge Wilde und der alte Eremit auf den Knieen einander gegenüber und gruben ein Grab für ein unglückliches junges Mädchen, das durch den tragischen Konflikt zwischen Liebe und Pflicht in den Tod getrieben war. – Schakta blieb ein gebrochener Mann, er kehrte zu seinem Stamme zurück und nahm erst kurz vor seinem Tode das Christenthum an. –r.     


Weber’s „Silvana“. Es geht die freudig begrüßte Kunde durch die Zeitungen, daß eine „nachgelassene“ Oper von Karl Maria von Weber auf dem Hamburger Stadttheater mit Erfolg aufgeführt und sofort von großen Hof- und Stadtbühnen angenommen worden sei. Diese Oper ist kein „nachgelassenes“, sondern ein altes und vergessenes Werk des großen Meisters, das durch einen Dichter und einen Komponisten in zeitgemäßer Neugestaltung ins Leben zurückgebracht worden ist. Der Komponist ist Ferdinand Langer, der Dichter unser Mitarbeiter Ernst Pasqué, und diesem verdanken wir die nachstehenden Mittheilungen.

In seinem 22. Lebensjahre begann Weber die Komposition einer neuen Oper, „Silvana“, seines sechsten Bühnenwerks. Leider litt das Textbuch, von F. K. Hiemer zusammengestellt, ebenso an Inhalt wie an dramatischer Form. Dennoch vollendete Weber die Oper 1810 in Darmstadt. Aufgeführt wurde sie zuerst in Frankfurt am Main und dann an den meisten großen Theatern bis in die ersten dreißiger Jahre. Noch einmal tauchte sie 1855 in Dresden und 1858 in Berlin auf, um dann, durch die Schuld des Textbuchs, für immer unmöglich zu werden.

Dieses Werk ist es, an welchem die beiden genannten Männer den Versuch der Wiederbelebung machten. Pasqué legte der Weber’schen Komposition einen neuen Text unter. Er entnahm den Stoff der rheinischen Sagenwelt, insbesondere der Sage von den Burgen Sternberg und Liebenstein. Mußte nun der Dichter Situationen schaffen, welche Gelegenheit boten, die sämmtlichen Nummern der alten Silvana-Partitur anzubringen, so erstand, weil die reiche Handlung sich statt auf drei, auf vier Akte ausdehnte, für Langer die Aufgabe, den musikalischen Mangel für den neuen Text aus Weber’s reichen und mannigfaltigen Kompositionsschätzen, namentlich auch den Klavierwerken zu decken und eine Oper herzustellen, welche ausschließlich Weber’sche Musik darbietet, ohne an zu mosaikartiger Zusammensetzung zu leiden. Das kühne Unternehmen ist vollendet, hat seine Feuerprobe bestanden und tritt nun seine Reise über die deutschen Bühnen an. F. H.     


Bacillenfreies Trinkwasser. Die Furcht vor den winzigen Trägern und Verbreitern der ansteckenden Krankheiten hat unter Anderem auch das Entstehen einer neuen Industrie gefördert. Um die Menschheit vor aller Ansteckung durch verunreinigtes Wasser zu sichern, fabricirt man seit Kurzem bacillenfreies Trinkwasser. Bis jetzt rieth man, das Wasser zur Zeit der Epidemien zu kochen und so die Bakterien durch Hitze zu tödten oder unschädlich zu machen. Aber gekochtes Wasser ist bekanntlich kein besonders labender Trank.

In dem Pariser Laboratorium von L. Pasteur, in dem so viel Großes und manchmal auch Unbedeutendes über die winzigen mikroskopischen Pilze entdeckt, was dann mit gehörigem Pomp der Welt verkündet wurde, hat nun Dr. Chamberland eine Entdeckung gemacht, die der Menschheit den Genuß frischen und doch bacillenfreien Wassers sichert. Er hat Filter

konstruirt, die alle Mikro-Organismen zurückhalten, aus Cylindern von porösem Porcellan bestehen und darum auch Bougies Chamberland genannt werden. Diese Erfindnng ist bereits praktisch verwerthet worden, denn wie der in Genf erscheinende „Fortschritt“ berichtet, hat dort ein Herr Joly mit Beihilfe von Professor Monnier ein Etablissement eingerichtet, in welchem durchaus bacillenfreies Trinkwasser fabricirt oder filtrirt wird. Bis jetzt ist dieses „reinste“ Trinkwasser nicht besonders billig, da ein Liter acht Centimes, also etwa sechs Pfennig kostet. Für die großen von Epidemien bedrohten Volksmassen dürfte somit dieses gesundheitliche Fabrikat noch lange ein unerschwingliches Luxusgetränk bilden. –i.     


Zu nützlich, um erschossen zu werden. Auf den von den Nordamerikanern während des Bürgerkrieges errichteten 24150 Kilometer Feldtelegraphenlinien wurden 6 500 000 Militärtelegramme ausschließlich mit Klopfapparaten empfangen, und es liegen keine Klagen über Verstümmelnng der Depeschen oder über irgend ein Mißlingen vor, das den militärischen Unternehmungen durch unrichtig beförderte Depeschen bereitet worden wäre. Im Gegentheil sind genügend Berichte vorhanden, welche auf den Vorzug des Klopfsystems hindeuten, wenn sich derartige Apparate in den Händen ausgebildeter Telegraphisten befinden. Im nordamerikanischen Kriege haben Klopftelegraphisten wiederholt in Ermangelung irgend eines Apparats Telegramme mit der Zunge empfangen. Aus den vielen derartigen Fällen sei nur der folgende erwähnt: Telegrapheninspektor Fuller erhielt Befehl, in großer Eile eine Telegraphenlinie von Lebanon nach Columbia zu errichten, um daselbst mit der Division des Generals Boyle telegraphische Verbindung herzustellen. Nachdem Fuller Columbia mit der Telegraphenlinie erreicht hatte, stellte es sich heraus, daß der Stationsapparat abhanden gekommen war. General Boyle, der gerade wichtige Depeschen zu befördern hatte, gerieth über das Ausbleiben des Stationsapparates dermaßen in Zorn, daß er drohte, Fuller erschießen zu lassen. Dieser dagegen nahm ruhig die Telegramme des Generals entgegen, telegraphirte sie in Ermangelung eines Telegraphenschlüssels mittelst Berührung der Enden des durchschnittenen Drahtes und empfing alle Antworten korrekt durch Anlegen beider Enden ober- oder unterhalb der Zunge. General Boyle, hierüber im höchsten Grade erstaunt und vielleicht auch beschämt, wandte sich an Fuller, indem er ihm auf die Schulter klopfte, mit den Worten: „Sie sind zu nützlich, schon jetzt erschossen zu werden!“ E. K.     


Wem verdanken wir den Fingerhut, jenen Helfer in den Nöthen aller Näharbeiten? Vor zweihundert Jahren hat ihn ein holländischer Goldschmied, Nikolaus van Benschoten, erdacht und zum ersten Mal fabricirt. Aber dem Erfinder galt er nur als Luxusartikel, und erst im Laufe der Zeit wurde der hohe Werth dieses Spielzeugs von der Frauenwelt anerkannt. –i.     

Allerlei Kurzweil.

Magisches Tableau:
Das geflügelte Rad.


Auflösung des Karneval-Räthsels in Nr. 6: Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang etc.


Kleiner Briefkasten.

O. F. in Nürnberg. Die Allgemeine deutsche Pensionsanstalt für Lehrerinnen und Erzieherinnen, welche ihren Sitz in Berlin hat, dürfte Ihnen zu empfehlen sein. Dieselbe, unter dem Schutze der deutschen Kronprinzessin 1875 begründet, nimmt ohne Unterschied des religiösen Bekenntnisses alle staatlich geprüften Lehrerinnen auf, die an öffentlichen oder privaten, Anstalten, in Familien oder sonstwie den Lehrberuf ausüben. Die Beiträge bemessen sich nach dem Alter der Eintretenden und der Höhe der versicherten Pension. Vorsitzender des Centralausschusses ist zur Zeit der Ministerialdirektor Greiff, Berlin W. Behrenstraße 72.

H. K. in S. Gewöhnliche „Deutsche Marken“ von 1871 bis jetzt sind nicht anzubringen; das Elisabeth-Krankenhaus in Berlin nimmt sie aber, für mildthätige Zwecke geschenkt, an.

Skat-Gesellschaft in Düsseldorf. In einigen Gegenden gestattet es der Brauch, in anderen dagegen nicht.

Ein Abonnent von Linz. Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_123.jpg&oldid=- (Version vom 8.12.2020)