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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

No. 7.   1885.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Die Frau mit den Karfunkelsteinen.

Roman von E. Marlitt.
(Fortsetzung.)


Grete saß in der dunklen Wohnstube und sann; und zu Allem, was durch den jungen Kopf flog, sagte die alte Uhr ihr ruhiges, gleichmäßiges Ticktack und ebnete gleichsam die hochgehenden Wogen in der Seele. Reinhold’s Gehässigkeit und sein und der Großmama Hochmuth machten ihr das Blut wallen; aber es wurde niedergekämpft – nein, die Heimkehr in das väterliche Haus ließ sie sich absolut nicht verbittern! Fort mit der unerquicklichen Wahrnehmung! ... Da war das Gesicht der schönen Dame vom Hofe, das hatte nichts Aufregendes! Sie mußte sehr überlegenen Verstandes oder eine phlegmatische Natur sein, die herzogliche Nichte mit der unbeschreiblichen Ruhe und Gelassenheit in Zügen und Geberden ... Früher hatte man kaum um die Existenz der schönen Heloise von Taubeneck gewußt. Prinz Ludwig hatte einen hohen preußischen Militärposten bekleidet und seinen Wohnsitz in Koblenz gehabt. Nur selten war er an den heimischen Hof gekommen, und das den apanagirten Prinzen des herzoglichen Hauses zu Verfügung gestellte Landschlößchen, der Prinzenhof, hatte lange Jahre unbewohnt gestanden. Es lag außerhalb der Stadt, am Fuße eines ehemaligen Burgberges, den noch einzelne Mauertrümmer krönten, und war ein einstöckiger Rokokobau mit Mansarde und den nöthigen Remisen und Stallungen, die unter dem Laubdach herrlicher alter Nußbäume völlig verschwanden, während sich vor der geschnörkelten Vorderfront ein hübsches, mit Blumengruppen und Statuen geschmücktes Rasenparterre hinzog. Vom Dambacher Pavillon aus konnte man ja den Prinzenhof fast greifbar nahe liegen sehen.

Nun war er wieder bewohnt, und Tante Sophie hatte in Berlin viel von dieser Veränderung gesprochen. Die Wittwe des Prinzen Ludwig war froh gewesen, nach seinem Tode hier „unterkriechen“ zu können, wie sich der Kleinstädter insgeheim drastisch genug ausdrückte; denn an Barem hatte der Verstorbene so gut wie nichts hinterlassen, und die Wittwenpension war keine allzugroße. Wie man aber wußte, hatte das herzogliche Paar eine warme Zuneigung zu der langen, verwaisten Nichte gefaßt, und vorzugsweise aus dem Grunde mochte es wohl geschehen, daß den beiden Damen Subsistenzmittel zuflossen und Vorrechte zugestanden wurden, auf die sonst nur Ebenbürtige Anspruch hatten.

Nun, die Equipage, die eben über den Markt heranbrauste und draußen vor der Thür hielt, war elegant genug, um ein fürstliches Geschenk zu sein. Der offene Wagen funkelte und glitzerte im Gaslichte, und das feurige Gespann schnaubte und stampfte vor Ungeduld. Es währte geraume Zeit, bis man sich droben entschloß, aufzubrechen, bis das Stimmengeräusch der Gesellschaft die Treppe herabkam und der große Flügel des Hausthores zurückgeschlagen wurde, um auf das Trottoir draußen den starken Lichtschein der Flurlampen strömen zu lassen.


Kinderscherze. 0Nach dem Gemälde von Th. Schmidt.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_105.jpg&oldid=- (Version vom 22.3.2024)