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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

die buntgestickte Weste sind hiervon die nothwendigsten Bestandtheile. Turban, Dolch und Schwert aber, welch letzteres wie ein Stock in der Hand getragen wird, sind nur die Freien zu führen berechtigt.

Bei den Araberinnen und Suahelifrauen besteht das Festtagskleid in besonders reich gestickten Gesichtsmasken mit feinem Schleier und der gewöhnlichen türkischen Tracht aus Seide. Die Abbildung (S. 102) führt uns eine vornehme Araberin in ihrem Gemache vor, in orientalischer Weise auf persischem Teppiche sitzend und mit dem für unsere Verhältnisse äußerst dürftigen Komfort umgeben, der in seidenen Kissen, Schemel, einigen Tellern, Kaffe- oder Theekanne besteht. Auch bemerkt man die aus Holz geschnitzten hohen Sandalen, deren sich die Suahelifrauen in der Küche und auf dem Hofe zu bedienen pflegen. Indierinnen und Negerinnen hängen sich so viel Geschmeide um, als sie an Nase und Ohren nur anbringen können. Gleich wunderlich wie diese Ornamente ist der Haarputz der Schönen von Sansibar mit seinem hörnerartigen Flechtwerk. Ganz unentbehrlich zur Toilette erscheinen den dunklen Damen noch die verschiedenartigsten Hautfärbemittel. Die Augenbrauen werden mit Ruß geschwärzt, die Nägel mit anderen Ingredienzien geröthet. Bei den Sklavinnen ist namentlich das Bemalen des Gesichts und der sichtbaren Körpertheile mit einer gelblichen Salbe üblich. Es soll das nicht blos der Eitelkeit zu Liebe geschehen, sondern oft auch als Kur, da dem in der Salbe enthaltenen Pulver bei Kopfweh und Fieber große Heilkraft zugeschrieben wird.

Harem und Thurm am Hafen in Sansibar.

Was die Zuträglichkeit des Klimas von Sansibar für Europäer betrifft, so muß man zwischen der Stadt und dem Lande wohl unterscheiden. Das Innere der Insel ist zum größten Theile der Gesundheit der Europäer sehr nachtheilig, während die Stadt einen verhältnißmäßig recht gesunden Aufenthalt bietet, vorausgesetzt, daß man eine geräumige, luftige und trockene Wohnung besitzt. Die hohe Temperatur wird dem Fremdling weniger empfindlich, weil meistens erfrischende Seewinde wehen. Nur in den Monaten März und November, in denen vielfach Windstillen herrschen, wird die Hitze besonders des Nachts oft sehr lästig. Um diese Zeit treten auch Gewitter auf, die im Allgemeinen aber selten sind. Uebrigens übt das Sansibarklima seiner Feuchtigkeit und seiner warmen Nächte wegen, die sich nur wenig abkühlen, einen erschlaffenden Einfluß auf den Europäer aus. Die Regenzeit, die in den ersten Tagen des April einsetzt, ist von sehr verschiedener Dauer, anhaltender Regen besteht höchstens 14 Tage; dann sinkt die Temperatur mitunter Nachts bis auf 22 Grad des hunderttheiligen Thermometers; Temperaturen von 34 Grad gehören zu den Seltenheiten, sodaß die mittlere Wärme nicht mehr wie 28 Grad beträgt.

Bedeutend vermehrt haben sich die Beziehungen des Landes zu Europa und zwischen der sansibarischen Bevölkerung und den abendländischen Nationen nach der im Jahre 1860 von einer französischen Ordenskongregation ausgegangenen Gründung einer Missionsstation auf der Insel Sansibar. Den französischen Missionären und ihren Bemühungen ist es namentlich zu danken, daß gewisse Gewerbe und Kunstfertigkeiten im Lande vollkommen heimisch geworden sind und der Sinn für viele Kulturbedürfnisse bei den Eingeborenen geweckt wurde. Auch eine englische Missionsstation rivalisirt seit 1864 mit der französischen.

Am augenfälligsten läßt sich der Fortschritt von Land und Leuten in menschlicher Kultur an der Stadt Sansibar selbst wahrnehmen. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts standen daselbst nur einige Hütten und eine Burg, 1842 erst fünf Magazine; jetzt zählt der Ort über 3000 Häuser und zwar vielfach von überaus stattlicher massiver Bauart. Mehrere Konsuln fremder Staaten haben hier ihren Sitz. Was den Handel betrifft, so sind es nächst den Amerikanern erfreulicher Weise wieder die Deutschen und zwar Hamburger, welche besonders den auswärtigen Handel in Händen haben. Eine Angabe aus dem Jahre 1875 beziffert die Einfuhr Sansibars auf 2 768 000, die Ausfuhr auf 2 511 000 Maria-Theresiathaler. Letztere sind nämlich dort wie an vielen Punkten Ostafrikas und Westasiens die gangbarste Silbermünze, doch nur soweit die arabische Halbkultur reicht; im Innern herrscht ebenso wie in ganz Westafrika ausschließlich der Tauschhandel. Die zu Bagamoio – dem Ausgangs- beziehungsweise Endpunkt der meisten mit dem Innern Centralafrikas verkehrenden Karawanen, gegenüber der Stadt Sansibar – ansässigen Kaufleute senden ihre arabischen und suahelischen Vertrauensmänner mit Tauschwaaren, meist Baumwolle, Glasperlen, Steingut, Steingewehren, Pulver etc., landeinwärts und diese kehren von da mit Elfenbein, Kopal, Wachs etc. zurück.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_098.jpg&oldid=- (Version vom 14.3.2024)