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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Streit und Kampf! Hier mit den Rivalen um den Besitz der Weibchen, dort mit den Feinden für den Schutz der Familie und der Nachkommenschaft!

Wer aber dies sagt, deutet zugleich auf die nothwendige Folge, auf die stete Ausbildung der Angriffs- und Vertheidigungswaffen, auf die Erhöhung der Muskelkraft und der Energie des ganzen Organismus hin. Und so sehen wir mit der Ausbildung des Brut- und Familienschutzes das Männchen kräftiger, größer, gewaltiger werden; wir sehen, wie sich die Sporen der Hähne, die Geweihe der Hirsche, die Hörner der Stiere, die Eckzähne der Affen und Raubthiere, die Hauer der Schweine stärker entwickeln beim Männchen als beim Weibchen und wie in Uebereinstimmung mit dieser Ausbildung der Waffen der ganze Organismus kräftiger und stärker wird, sodaß schließlich das ursprüngliche Verhältniß zwischen beiden Geschlechtern sich umkehrt und sich in der Weise gestaltet, wie wir es bei der Menschengattung und den uns besser bekannten Säugethieren und Vögeln hergestellt sehen.

Ich konnte hier nur Andeutungen geben, die vielleicht manchen Leser zu weiterem Nachdenken veranlassen werden. Ein weites Feld für fernere Beobachtungen steht hier noch offen. Unsere heutige Naturforschung verlangt nicht nur Thatsachen, sondern auch die Verknüpfung derselben zur Erfassung der Gesetze, aus welchen die Thatsachen hervorgehen.


Deutschlands Kolonialbestrebungen.

Sansibar.[1]
Von Oscar Canstadt[WS 1].

Die Sansibar- oder Suaheliküste war schon in früheren Jahrhunderten unserer Zeitrechnung den Handel treibenden Völkern des Abendlandes bekannt und lange die Hauptbezugsquelle der gesuchtesten afrikanischen und indischen Produkte, wie Reis, Gewürznelken, Kopal, Orseille, Sesam, Pfeffer, Kokosnußöl, Elfenbein etc. Schon Vasco da Gama hatte in jener Gegend reiche und ansehnliche Städte vorgefunden, deren Bewohner nicht nur aus dem Innern Afrikas Waaren jeglicher Art in großen Mengen bezogen, sondern ebenso einen regen Handel mit Indien und den Inseln der südlichen Zonen unterhielten. Politisch hat sich seitdem in den Landesverhältnissen unendlich Vieles geändert. Der portugiesischen Herrschaft, die seit der Landung der ersten Ostindienfahrer 1498, beziehungsweise vom Jahre 1503 bis zum Ausgange des 17. Jahrhunderts, von den heimischen mohammedanischen Stämmen anerkannt wurde, folgte die Landesoberherrlichkeit des Imam von Maskat und in neuester Zeit, vom Jahre 1856 ab, das unabhängige Sultanat eines illegitimen Sohnes des Imam mit Namen Saïd Medschid, nach dessen Tode, am 7. Oktbr. 1870, des Sultans jüngerer Bruder Bargasch Ben Saïd den Thron von Sansibar bestieg. Die Größe des Reiches, über welches dieser orientalische Souverän sein Scepter schwingt, ist so leicht nicht mit Genauigkeit zu bestimmen, weil die uns zu Gebote stehenden Zahlenangaben durchweg nur auf annähernder Schätzung beruhen. Geographisch fällt unter die Bezeichnung der Sansibar-, Zanzibar- oder Zanguebar-, auch Suaheliküste alles Land meilenweit landeinwärts vom Kap Delgado gegen Norden bis zur Stadt Makdeschu (10° 42′ südlicher bis 2° 2′ nördlicher Breite) und man giebt der Strecke ohne Bedenken eine Flächenausdehnung von 87 500 Quadratkilometer. Das würde also etwa der Hälfte des Königreichs Bayern gleichkommen.

Sklavinnen beim Reinigen von Orseille.

Viel wichtiger jedoch als das gesammte Festlandterritorium von Sansibar ist die Insel gleichen Namens mit der Landeshauptstadt, welche seit dem Jahre 1828 von den Sultanen der neuen Dynastie zur Residenz erkoren wurde und von Jahr zu Jahr als Handelsplatz einen mächtigeren Aufschwung nimmt. Die Insel Sansibar, die gleich den benachbarten Eilanden Pemba und Mafia kaum 30 Quadratmeilen haben mag, ist zugleich der Sammelpunkt der Bevölkerung. Will man es gelten lassen, daß die Zahl der Unterthanen des Sultans von Sansibar im Ganzen etwa 350000 beträgt, so treffen davon gut zwei Drittel auf den Centralpunkt des Reiches: Stadt und Insel Sansibar. Wie schon aus der Geschichte des Landes erklärlich, ist diese Bevölkerung von sehr verschiedener Abstammung. Speciell die Ureinwohner der Insel, die Suaheli-Neger, haben eine unleugbare Beimischung arabischen Blutes. Sie sind gewöhnlich kräftig und gut gebaut; ihre Gesichtsbildung zeigt eben so große Verschiedenheiten wie ihre Hautfarbe: man begegnet Leuten, welche die charakteristische Negerphysiognomie haben, und anderen, die den scharfgeschnittenen feinen orientalischen Typus zeigen, man sieht die hellgelbe, den vornehmen Arabern und Indiern ähnliche Hautfarbe neben der tiefschwarzen des Negers. Zwischen diesen Kontrasten sind die mannigfachsten Uebergänge bemerkbar; doch ist die helle Hautfarbe durchaus nicht immer mit der edleren Gesichtsform korrespondirend. Der Kopf wird der arabischen Sitte entsprechend vollständig rasirt, sowohl bei Männern wie Frauen, doch sieht man bei letzteren auch nicht selten das krause negerartige Haar in kurze Zöpfchen gedreht, die dem Kopfe dicht anliegen. Die Zähne sind in der Regel schön, doch vom Betelkauen röthlich gefärbt. Ueber den Charakter der Suaheli sind die Meinungen getheilt. Die Mehrzahl der Europäer schildert sie als gutmüthig, doch aufbrausend, als gastfreundlich und tolerant, allein auch als höchst gewinnsüchtig, lügnerisch und treulos.

Die Araber, die hier die Aristokratie bilden, setzen sich aus verschiedenen Stämmen zusammen; die vornehmen Maskataraber, denen auch der Sultan selbst angehört, sind von hellgelber


  1. Die Illustrationen zu diesem Artikel sind sämmtlich nach Originalphotographien hergestellt worden. Wir verdanken dieselben Herrn Dr. G. Fischer, der sich jahrelang in dem jetzt so viel genannten Sansibar aufgehalten hat und vor Kurzem nach Deutschland zurückgekehrt ist. D. Red.     

Anmerkungen (Wikisource)

  1. eigentlich: Canstatt
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_096.jpg&oldid=- (Version vom 14.3.2024)