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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Der Marienplatz in München vor Weihnachten. (Mit Illustration S. 840.) Der Verkauf der Christbäume findet in München wie an den meisten Orten auf offener Straße statt, und wo es die Verkehrsverhältnisse einigermaßen gestatten, entstehen kleine Waldanlagen, die einen lebhaften Gegensatz zum winterlichen Gepräge der Umgebung bilden. Mit dem frühesten Morgen finden sich die meist ärmlichen Verkäufer bei ihrer Waare ein und bieten unermüdlich jedem Vorübergehenden „an schöna Christkindlbaam“ an. Je näher der Festtag heranrückt, desto lebhafter gestaltet sich der Handel, besonders in Centrum der Stadt entfaltet sich ein eigenartiges Treiben, das bis in die Nacht hinein dauert, und dies hat unsern Künstler wohl veranlaßt, einen der belebtesten Handelsplätze der bayerischen Residenzstadt bildlich darzustellen. Wir sehen vor uns den Marienplatz, also benannt nach der in Mitte dieses Platzes befindlichen Mariensäule, die an sich schon ein sehr hübsches monumentales Bildwerk darstellt, dabei aber auch der Gegenstand beständiger gläubiger Verehrung ist; es finden sich vor der Umfriedigung dieser Säule stets Andächtige beiderlei Geschlechts ein, um Hülfe zu erbitten, die von den Menschen nicht gewährt werden wollte oder konnte. Das große Gebäude in der Ecke links stellt das prächtige neue Rathhaus dar, das nach den Entwürfen des Architekten Hauberisser im gothischen Stile erbaut ist und ein wahres Juwel der Architektur genannt werden kann. Ganz im Hintergrunde des Platzes steht das alte Rathhaus mit seinen reizenden Spitzthürmchen, dessen historische Vergangenheit allerdings bedeutender als diejenige des neuen Gebäudes ist.

Vor dem neuen Rathhaus befindet sich der figurenreiche denkwürdige Fischbrunnen, der in den Zunftannalen der Münchener Fleischer eine so große Rolle spielt, denn dies ist der Brunnen, bei welchem der originelle Metzgersprung vor sich geht. Das zwischen den beiden Rathhäusern liegende stattliche Gebäude mit dem Erkerthürmlein ist ein Privathaus, wohl eines der ältesten dieses Platzes, der so viele bedeutende Momente der bayerischen Geschichte gesehen hat. Der Platz trug noch vor einigen Decennien die Bezeichnung Schrannenplatz, weil damals der Getreidemarkt auf demselben abgehalten wurde; ältere Abbildungen zeigen auch stets die im Freien lagernden Säcke nebst den dazu gehörenden Verkäufern. Jetzt ist ein Theil desselben von den Fiakern besetzt, die mit scharfem Blick die hier einmündenden Straßen beobachten, ob nicht etwa aus einer derselben ein „Pataschehr“ angesegelt komme.

Im Erdgeschosse des neuen Rathhauses befinden sich die Localitäten der Hauptwache, vor denen Mittags die Wachtparade abgehalten wird. Der Künstler hat seinem Bilde die effectvollste Stimmung gegeben: schöner präsentirt sich der Platz kaum, als bei Mondbeleuchtung, und die angezündeten Gaslichter genügen gerade, um die schattengleich hin- und herhuschenden Figuren zu beleuchten. Das Geschäft blüht eben außerordentlich, wahrscheinlich geht der Markt schon seinem Ende zu; der Abend ist ferner eine außerordentlich günstige Einkaufszeit, denn der Christbaum läßt sich unbemerkt in die Wohnung prakticiren und die kleinen Neugierigen werden sich in den meisten Fällen den Kopf darüber zerbrechen, wie wohl das Christkind den großen Baum mit den schönen Sachen durch das kleine Fenster hereingebracht haben mag. B. R.     


Weihnachten auf dem Posten. (Mit Illustration S. 841.)

„Steh’ ich in finstrer Mitternacht
So einsam auf der stillen Wacht,
Dann denk’ ich an mein fernes Lieb,
Ob mir’s auch treu und hold verblieb,“

hat der Soldat auf dem hübschen Bilde von Rob. Haug wohl doppelt Ursache vor sich hinzusummen, wenn er am Weihnachtsabend – wie der Christbaum hinter dem Fenster beweist – gerade vor dem Hause zu schildern hat, in welchem seine Herzallerliebste „dient“. Wird sie sein „fernes“ Lieb bleiben oder ihm wieder „treu und hold“, wie so oft schon, erscheinen als Spenderin „einiger Brosamen von des Herrn Tische“? Schon steigen leise Zweifel in seiner hoffenden Seele auf, da – klingt’s wie Schritte – sie ist’s: die Geliebte naht mit einem heute absonderlich umfangreichen Paket in der Hand. Lüstern ist er schon zur Empfangnahme desselben bereit, da – klingt es nochmals wie Schritte, diesmal die Straße herab, und – urplötzlich muß er der Frage gedenken, die noch heute Morgen sein Unterofficier in der Instructionsstunde an ihn richtete:

„Was darf der Soldat auf Posten nie nicht?“

„Rauchen, – sich in Gespräche einlassen, – Geschenke annehmen,“ lautete die Antwort.

Und jetzt? Jetzt war er im Begriff, gegen diese Vorschrift der grauen Theorie zu sündigen! Wehe, wenn er in flagranti ertappt würde, wenn es ein Officier war, der die Straße herabkam!

Doch er hat sich umsonst geängstet: die Schritte verhallen. Etwas beruhigter streckt er die Hand aus und nimmt die „fromme Liebesgabe“ in Empfang. Mehr aber, namentlich sich in ein Gespräch mit der geliebten Spenderin einzulassen, wagt er nicht. Ein flüchtiges „danke!“ flüstert er ihr zu, dann schildert er weiter und

„Schnell war ihre Spur verloren,
Sobald das Mädchen Abschied nahm.“


Auf dem Weihnachtsmarkt. (Mit Illustration S. 844 und 845.) Kein schönerer Gang als „unter den Buden“ für Alt und Jung im ganzen Jahr! Da beherrscht nur ein Gefühl all die da Wandelnden, die reinste und lohnendste Lust: für die Freuden Anderer und vor Allem der Kinder zu sorgen. Und wie herrlich führt unser Bild uns in die Erinnerung an all die Zeiten ein, in denen wir selbst „unter den Buden“ herumschwärmten! Da fehlt nichts von dem, was uns als Kinder entzückt und beglückt hat. Nur wem alle Kindlichkeit des Herzens entwichen, wer sich nicht mehr wie ein Kind freuen kann, dem bleibt das Paradies der Weihnacht verschlossen. Gottlob, sind deren so wenige, daß unser Weihnachtsmarktbild Augen genug finden wird, die sich an ihm erquicken.


Auflösung der Räthsel-Geschenke in Nr. 50: I. „Otto“ (Lotto). – II. Bezeichnet man die Buchstaben des Wortes „Adelheid“ der Reihe nach mit den Zahlen 1-8, so giebt die Signatur der Kiste: „Kleid“. – III. „Papagei“ (Papa – Geis).


Kleiner Briefkasten.

Marlitt-Verehrerin in M. Wir können Ihnen zu Ihrer Beruhigung die bestimmteste Versicherung geben, daß der neue Roman von E. Marlitt schon in Nr. 1 des neuen Jahrgangs zu erscheinen beginnen wird.

Alter Abonnent in Essen. Da uns die Zusammensetzung der beiden von Ihnen erwähnten Tincturen nicht bekannt ist, so können wir über die Wirksamkeit derselben kein Urtheil fällen. Trau, schau, wem!

T. T. J. In einem kleinen Theile der Auflage unserer Nr. 48 ist durch ein Versehen des Setzers Emil Pasqué als Verfasser des „Urbild des Fidelio“ gesetzt. Es soll natürlich wie in den frühern und spätern Nummern Ernst Pasqué heißen.


Eine neue Einbanddecke zur „Gartenlaube“. Von der Absicht geleitet, unseren Lesern bei nun bald vollendetem Jahrgang für den vollständigen Band ein elegantes, den Anforderungen des heutigen Geschmackes entsprechendes Gewand zu bieten, ließen wir nach der Zeichnung von Prof. Fr. Wanderer in Nürnberg eine neue Einbanddecke anfertigen, von welcher wir nebenstehend eine Abbildung in verkleinertem Maßstabe geben.

Diese Decke ist von olivenbrauner Farbe, in Gold- und Schwarzdruck ausgeführt und dürfte wohl bald von der Mehrzahl unserer Leser mit Vorliebe zum Einband der Gartenlaube gewählt werden. Sie ist durch jede Buchhandlung zu dem billigen Preise von Mark 1,25 zu beziehen. Mit Benutzung derselben ist jeder Buchbinder im Stande, zu verhältnißmäßig billigem Preise einen soliden und eleganten Einband herzustellen. Auch die früheren Decken können zum Preise von Mk. 1,30 noch bezogen werden.


Inhalt: Christnacht. Gedicht von Victor Blüthgen. Mit Illustration S. 833. – Ein Weihnachtsgruß. Von P. K. Rosegger. S. 834. – Am Abgrund. Von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 835. – Zwei Weihnachtsabende. Skizze von E. H. S. 842. Mit Illustrationen S. 843 und 846. – Vom Weihnachtsbüchermarkt. V. S. 847. – Blätter und Blüthen: Die heilige Nacht. S. 847. Mit Illustration S. 837. – Der Marienplatz in München vor Weihnachten. S. 848. Mit Illustration S. 840. – Weihnachten auf dem Posten. S. 848. Mit Illustration S. 841. – Auf dem Weihnachtsmarkt. S. 848. Mit Illustration S. 844 und 845. – Auflösung der Räthsel-Geschenke in Nr. 50. S. 848. – Kleiner Briefkasten. S. 848. – Eine neue Einbanddecke zur „Gartenlaube“. S. 848.


Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das vierte Quartal dieses Jahrgangs unserer Zeitschrift, wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das erste Quartal des neuen Jahrgangs schleunigst aufgeben zu wollen.


Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig). Auch wird bei derartigen verspäteten Bestellungen die Nachlieferung der bereits erschienenen Nummern eine unsichere.

manicula Einzeln gewünschte Nummern liefern wir pro Nummer incl. Porto für 35 Pfennig (2 Nummern 60 Pf., 3 Nummern 85 Pf.). Den Betrag bitten wir bei der Bestellung in Briefmarken einzusenden. Die Verlagshandlung.


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Erst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 848. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_848.jpg&oldid=- (Version vom 29.2.2024)