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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Am Strande. (Mit Illustration S. 772.)

„Liebesflamme! sei doch immer gut mit mir!
Lieb’ ich doch das Leben nur aus Lieb’ zu Dir!“

so lautete die Strophe des uralten sicilianischen Wiegenliedes, welches die junge Mutter dem kleinen Liebling soeben gesungen, und sie schaut jezt in die lachenden Kinderaugen und schwelgt in reinstem Mutterglück. Die Liebe verklärt die Menschen, und so erscheint uns auch hier die Sicilianerin anmuthvoller und edler, als es vielleicht in der Wirklichkeit der Fall ist; denn das an den Gestaden des Tyrrhenischen oder des Ionischen Meeres geborene Volk ist ein finster trotziges Geschlecht.

Wie die sturmfrohen Möven von unseren deutschen Waldvögeln sich unterscheiden, so unterscheidet sich dieses von der Binnenlandbevölkerung in Kleidung, Sitten, Bräuchen, im Körper und in seelischen Anschauungen und Empfindungen. Was „Sehnsucht“, „Gemüth“, „Wehmuth“ und „Heimweh“ und all die süßen Siebensachen, die das Herz auch unserer Landmädchen erfüllen, zu bedeuten haben, ist diesen Meeranwohnerinnen, diesen Insulanerinnen fremd. Offen und glatt wie das schlummernde Meer, ohne ein träumerisch Geheimnißvolles, ist ihre Seele, oder wild und leidenschaftlich, rasend und in wilder Raserei zerstörend, wie die Fluth im Sturme.

Das Bild des lächelnden Friedens, das uns an einer Madonna Glück erinnerte, mit einem Schlage verändert sich’s…

Der junge Gatte, der braune Giuseppe, ist draußen mit seiner Barke. Da stürzt die Tramontana sich mit gewaltigem Flügel vom Gebirge her auf die Wasserfläche. Da spritzt und gährt die wuchtige Welle in unbändigem Drange über die Ufer hinaus, der Schaum fliegt in Flocken über die kleine Wohnung an der Düne. Die Möve lauscht und stößt in wilder Lust den weithinschallenden Jagdruf aus.

Die Mutter aber hat den Säugling geborgen, sie läuft mit vom Sturm zerpeitschtem Haar den Wellen entgegen, sie schreit, sie rauft das Haar, sie ruft die Madonna und alle Heiligen an, sie gelobt eine dicke Wachskerze, sie beißt sich in toller Leidenschaft Finger und Lippen blutig.

Ist der Geliebte zurück, so ist auch das alte Idyll wieder da. Der Mann dampft seine Schilfpfeife, und auf der Bank am Herd steht Wein und Brod. Nun wird auch gesungen und oft giebt es einen jungen Burschen, der, der Mandoline oder Guitarre kundig, den Mädchen den heißen Kopf verrückt. Ein solcher wird auch dem am Meer geborenen „Prinzeßlein“, wenn es sechszehn Jahr alt ist, als passendstes Lied singen:

„Nicht wundre dich, daß du so schön,
Bist an dem Meere ja geboren;
Sein Hauch erhielt dich frisch und schön,
Wie eine Ros’ im Grün verloren.

Und wenn die Ros’ im Garten schwand,
Dir blühn sie auch im Winter immer.
Mir lacht dein Mündlein, deine Hand,
Wie weiß und rother Rosen Schimmer.“

Wold. Kaden.     



Eine Täuschung. Vor Kurzem machte die Mittheilung eines Erlebnisses, welches der unlängst verstorbene Herzog von Braunschweig einst bei Krantzler in Berlin mit dem damaligen Polizeirath Duncker gehabt haben sollte, die Runde durch die Tagesblätter. Nun ist allerdings bei Krantzler in Berlin eine ähnliche Begegnung, wie die erzählte, zwischen einem Fürsten und dem Polizeirath Duncker vorgekommen; der Fürst war aber keineswegs der Herzog von Braunschweig. Da bei diesem Vorfall, wenn auch nicht als Hauptbetheiligter, kein Geringerer genannt wird, als der damalige Prinz von Preußen, unser Kaiser Wilhelm, so sei uns gestattet, einen anderweitigen Bericht über das Vorkommniß hier so wieder zugeben, wie wir ihn in der von Ernst Keil seiner Zeit herausgegebenen Zeitschrift „Unser Planet“ finden. Dort heißt es im Feuilleton der Nr. 45 des Jahrgangs 1843:

„Es war in Berlin, bei Krantzler unter den Linden, in der fashionablen Conditorei mit den hübschen blassen Ladenmädchen, den geschnürten Lieutenants und langhaarigen Löwen. Seit einigen Tagen kam des Morgens ein hübscher junger Mann, trank stillschweigend seine Tasse und bezahlte dafür regelmäßig einen Ducaten, ohne von dem Mädchen etwas wiederzunehmen. Diese (das Mädchen) war beim ersten Male erfreut, zumal sich’s auswies, daß das Goldstück echt sei. Beim zweiten und dritten Male wurde sie ängstlich und sprach mit ihrem Principal. Dieser erzählte die Geschichte dem Polizeirath Duncker, der sich auch am folgenden Morgen einfand. Bald darauf erschien der junge Mann und Duncker verwickelte ihn in ein Gespräch, konnte aber nichts über die Verhältnisse des Andern erfahren.

Inzwischen wollte der junge Mann bezahlen und zog seine Börse, die von Ducaten strotzte.

‚Sie haben da einen schönen Vorrath,‘ sagte Duncker.

‚Nicht mehr, als ich so im Laufe des Tages ausgebe,‘ antwortete der Fremde.

‚Dürfte ich Sie wohl um ein kleines Geschenk bitten, ich sammle für einen wohlthätigen Zweck und ersuche Sie freundlichst etc.‘

‚O, ja,‘ erwiderte der junge Mann, ‚aber da müssen Sie schon mit in meine Wohnung kommen.‘

Das war es eben, was Duncker wollte. Sie gingen, und der schlaue Polizeirath wollte bemerken, daß der Andere im Gedränge vor den Bilderläden oft stehen blieb, als wolle er entschlüpfen. Aber er verlor ihn nicht aus den Augen. So kamen sie an das Schloß.

‚Ich gehe durch den Schloßhof,‘ sagte der junge Mann.

‚Schön,‘ dachte Duncker, ‚da giebt es viele Wachen.‘

In dem Augenblick trat der Prinz von Preußen (unser Kaiser) durch das Portal.

‚Na, Esterhazy! Wieder zurück?‘ fragte der Prinz.

Duncker war wie vom Blitz getroffen; der Verdächtige war der junge reiche Fürst Esterhazy, der seit einigen Tagen in Berlin weilte. Er suchte davon zu kommen, aber der Fürst rief:

‚Warten Sie! Ich will Ihnen ja Etwas für Ihre Sammlungen geben.‘ Und in seiner Wohnung gab er Duncker 100 Ducaten, die dieser mit verlegener Miene einstrich.“ E. R.     



Das Makart-Wandbouquet. In kurzer Zeit haben die geschmackvollen Makart-Bouquets für Vasen die größte Verbreitung erlangt und sind überall als beliebter Zimmerschmuck zu finden. Die Idee des vor Kurzem heimgegangenen Malers wurde soeben von einem deutschen Kunstgärtner in gelungener Weise auch für die Decoration der Wände benutzt, sodaß wir neben den Makart’schen Vasenbouquets nunmehr auch geschmackvolle Wandbouquets haben, die, zwischen Bildern, Majolica- und Cuivre poli-Tellern und Schildern aufgehängt, einen wirklich künstlerischen Schmuck unserer Wohnungen bilden. Gern lenken wir die Aufmerksamkeit unserer Leser auf diese Neuheit, denn sie beweist uns, daß auch auf diesem Gebiete das deutsche Kunstgewerbe Vorzügliches zu leisten vermag.

Die untenstehende Abbildung veranschaulicht soweit es im Buchdruck möglich ist – die Art und Form der neuen Wandbouquets – die zierlichen buschigen Gräser, die abgetönten Farben, das Vornehme des ganzen Arrangements läßt sich natürlich nicht wiedergeben. Der Hintergrund wird durch ein großes, weißgebleichtes Palmblatt in Fächerform gebildet, darauf erheben sich in anmuthiger Anordnung weiße, grüne, graue, braune und schwarze Gräser aller Zonen mit Pfaufedern durchsteckt. Den Schluß bildet ein rundes weißes Palmblatt, über das sich eine zierliche, von buntschillernden Atlasschmetterlingen umspielte Ranke feiner Gräser legt. Die Makart – Wandbouquets sind zusammengesezt und zu haben beim Hoflieferanten J. C. Schmidt, Erfurt, dem Erfinder so mancher geschmackvollen Neuheit auf dem Gebiete der Kunstgärtnerei.



Als Jakob I. auf den Thron kam, wünschten ihm die Bürger Londons, er möge herrschen, so lange Sonne, Mond und Sterne leuchteten. „Nein!“ entgegnete er, „das geht nicht, denn da müßten ja meine Nachkommen bei Kerzenlicht regieren!“ – w.     



Eine musikalische Antiquität. Vor nicht langer Zeit hat man die Concertanzeige gefunden, welche der unternehmende Vater Mozart’s veröffentlichte, als sein berühmter Sohn und dessen Schwester im Jahre 1764 in Frankfurt auftraten. Das interessante Schriftstück hat folgenden Wortlaut: „Meine Tochter, zwölf Jahre alt, mein Sohn, der sieben zählt, werden die Concerte der größten Meister auf einem Klavizin mit und ohne Schweif ausführen, mein Junge auch ein Konzert auf der Violine. Mein Sohn wird die Tasten des Klavizin mit einem Tuche zudecken und auf demselben spielen, als wäre es nicht zugedeckt. Von weitem wie aus der Nähe wird er jeden Ton, jeden Accord errathen, den man ihm auf dem Klavizin oder an einer Glocke oder auf irgend einem Instrumente angeben wird. Zum Schlusse wird er so lange frei phantasieren, als man nur will, und zwar nach Wahl auf der Orgel oder am Klavizin, in allen Tonarten, in den allerschwierigsten, nach Wahl. Sein Orgelspiel ist aber ein ganz anderes als sein Klavizinspiel.“ – Durch eine solche marktschreierische Reclame wurde der größte Musikgenius seiner Zeit in die Oeffentlichkeit eingeführt. M. L.     


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 779. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_779.jpg&oldid=- (Version vom 21.10.2022)