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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

und das seine Flanken umlagernde schwere Ballengewölk erhebt. Das kleine Seitenbild zeigt den Clarence Pik auf Fernado Po; im Vordergrunde sehen wir Gummiranken, Palmkerne und mancherlei tropische Gewächse, welche der fruchtbare Boden dieses schönen Eilandes zeitigt.


Die Niederwaldbahn. (Mit Abbildung S. 668.) Einige Tage vor Pfingsten wurde die Bergbahn von Rüdesheim nach dem Niederwald hinauf dem öffentlichen Verkehre übergeben. Dicht oberhalb des Adlerthurmes in Rüdesheim, welcher vielen unserer Leser durch die wenn auch einfache, so doch anmuthige Form seiner Zinnen in der Erinnerung sein wird, befindet sich die Wartehalle der Zahnradbahn mit ihrem geräumigen Perron, dessen Rückseite durch die freundlichen Anlagen des sogenannten Verschönerungsplatzes begrenzt ist.

Orientirungsskizze der Niederwaldbahn.
Nach einer lithographischen Abbildung von Fischer u. Metz in Rüdesheim am Rhein.

Von diesem am Ufer des Rheins belegenen Ausgangspunkte führt die Bahn in mäßiger Steigung durch die Mitte der Stadt, um gleich hinter derselben in scharfem Anstiege die Richtung nach der auf der Höhe sichtbaren Germania zu nehmen. Liebliche Fernsichten steigen allmählich dem Auge des Fahrgastes auf, in wechselnden Umrissen dehnt sich der glänzende Spiegel des Rheins mit seinem smaragdenen Inselschmucke, überragt von der gewaltigen Bergeinfassung des Binger Ufers, von dessen steiler Höhe die Rochuscapelle aus mittelalterlicher Zeit herübergrüßt. Immer höher hinauf treibt den Zug die rastlose Arbeit der ehernen Zähne, tiefer sinken die weinumrankten Hügel im Osten, und leuchtend erheben sich dahinter die lachende Pfalz und der blühende Rheingau; aus dem Kessel im Süden erhebt selbst Bingen die Spitzen seiner Burgen und Kirchen, und in der Ferne thürmt der ehrwürdige Donnersberg sich empor. Schon drängen die einzelnen Bilder zusammen, um sich zu dem herrlichsten Gemälde unseres Deutschland zu vereinigen, – da umschattet die Blicke plötzlich das grüne Blättermeer des duftigen Buchenwaldes.

Am Tempel rastet der Zug, eine zierliche Halle in würdiger Ausstattung, versteckt im Waldesgrün, nimmt den Ankömmling zu kurzer Sammlung auf, und wenige Schritte bringen ihn hinaus auf das vorspringende Plateau, welches die gewaltigen Postamente des Denkmals trägt.

Als Vorbild für die technische Ausführung der Niederwaldbahn diente die Rigi-Zahnradbahn, welche nach dem System des Ingenieurs Riggenbach von diesem selbst erbaut ist und seit dem Jahre 1873 im Betriebe sich befindet.

Die Construction des Systems selbst ist bekannt. Die allgemein üblichen Schienengeleise der Eisenbahn finden auch hier Anwendung, jedoch mit dem Hinzufügen einer leiterartigen Mittelschiene, der sogenannten Zahnstange, deren enge Sprossen das unter dem Bauche der Maschine befindliche Zahnrad in gleichmäßiger Bewegung erklettert; zur sicheren Verbindung der Querschwellen sind dieselben überdies durch Langeisen mit einander verbunden. Alle Theile des Geleises sammt den Schwellen sind aus Stahl und Schmiede-Eisen zusammengefügt, die Zahnräder und das Getriebe der Maschinen aus dem unverwüstlichen Tiegelguß- und Bessemer-Stahl hergestellt. Innerhalb einer Fahrzeit von 14 Minuten erklimmt der Zug ohne sichtbare Anstrengung die beträchtliche Höhe.

Jeder Zug besteht aus der Maschine und zwei Wagen mit 90 bequemen Plätzen. Da der Aufstieg der Züge von Rüdesheim aus in Intervallen von 20 zu 20 Minuten erfolgen kann, auch für stärkeren Andrang des Publicums sowie für die Beförderung von Vereinen und größeren Gesellschaften stets mehrere Züge in Bereitschaft stehen, so ist die Bahnverwaltung in der Lage, erforderlichen Falles eine Anzahl von 5000 Personen tagsüber auf den Niederwald zu befördern.

Seit Eröffnung des Betriebes vom 1. Juni bis zum 15. September dieses Jahres sind 95,252 Personen zu Berg und 99,708 Personen zu Thal, zusammen also 194,960 Personen, in 5852 Zügen befördert worden. Den stärksten Verkehr brachten die Sonntage am 3. August und 14. September mit 4182 resp. 4156 Personen.

Den weitaus größten Theil der Besucher stellte natürlich das deutsche Vaterland, namentlich Mittel- und Süddeutschland. Von Ausländern erschienen zuerst in stattlicher Anzahl die Holländer, dann kam England mit Amerika und in der zweiten Hälfte des Sommers, seit 1870 zum ersten Mal in größeren Mengen, auch die Franzosen!


Zum 6. October 1884. An diesem Tage wurde vor 100 Jahren Albert Methfessel zu Stadt-Ilm geboren. Anfangs studirte er in Leipzig Theologie, ging jedoch bald zum Studium der Musik über. Ausgebildet durch den berühmten italienischen Sänger Ceccarelli, fand er 1810 in Rudolstadt Anstellung als Kammersänger. Später wohnte er in Hamburg, wo er die erste Liedertafel in Deutschlands Norden gründete. 1832 wurde er Hofcapellmeister in Braunschweig, welches Amt er nach 10 Jahren in Folge eines Gehörleidens niederlegen mußte. An seinem 80. Geburtstage erhielt er von der Universität Jena das Ehrendiplom eines Doctors der Philosophie. Er starb am 23. März 1869 zu Heckenbeck bei Gandersheim. Seine Lieder werden noch heute in jeder Liebertafel gern gesungen, und sein „Deutsches Commersbuch“ erfreut sich einer großen Verbreitung. (Vergl. Nr. 24, Jahrg. 1869 der „Gartenlaube“.)


Kleiner Briefkasten.

A. M. in H. Wir wissen aus zuverlässigster Quelle, daß W. Heimburg an der Dramatisirung ihres in der „Gartenlaube“ erschienenen Romanes „Ein armes Mädchen“ in keiner Weise mitgearbeitet hat, es sei denn, man wolle die Dichtung des Romanes selbst als eine „Mitarbeiterschaft an der Dramatisirung“ betrachten. Wohl aber hat die Dichterin die Erlaubniß zur Dramatisirung ertheilt.

[Inhaltsverzeichnis dieses Heftes, hier nicht übernommen.]

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 668. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_668.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2024)