Seite:Die Gartenlaube (1884) 664.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Brausejahre.
Bilder aus Weimars Blüthezeit. Von A. v. d. Elbe.
(Fortsetzung.)

Mit Ihrem Permiß, Onkelchen, Sie sehen so wohl, so heiter aus, daß Ihnen etwas Besonderes geschehen sein muß. Darf ich Ihre Freude theilen, darf ich wissen, um was es sich handelt?“ fragte Thusnelda mit schmeichelndem Tone.

„Eigentlich ist es eine secrete Affaire, mon enfant, flüsterte der alte Oberkämmerer, sich besorgt nach allen Seiten umsehend.

„Unter lieben Verwandten muß Vertrauen und Offenheit herrschen,“ sagte sie ermuthigend.

„Null denn, aber précaution, Luise! Ich habe die Bekanntschaft eines Doctor Kaufmann gemacht. Der junge Gelehrte besuchte mich und vertraute mir im Laufe unserer Conversation an, daß er dreißig Jahre älter sei, als ich. ‚Herr!‘ rief ich ungläubig, ‚das ist impossible! Sie sehen aus wie ein blühender Jüngling von einigen zwanzig und behaupten neunzig Jahre alt zu sein?‘ ‚Doch, Baron, es ist so, höre mein Geheimniß‘ - der Schelm nannte mich Du! - ‚Ich behalte meine Frische in Folge eines Lebenselixirs!‘ ‚Eines Lebenselixirs!‘ rufe ich entzückt, ‚wo ist das zu acqueriren?‘ Er zuckt die Achseln und sagt, sein hoher Magus besitze das Aranum, welches, von Zeit zu Zeit wieder genommen, die Teufel des Siechthums und Alters austreibe, gebe es aber nur einzelnen Auserwählten. Ich flehte Kaufmann an, mir ein Rencontre mit seinem admirablen Chef zu verschaffen und von mir für den Trank zu fordern, was er wolle. Anfänglich wies er meine Bitten ab, dann vor ein paar Tagen ward er traitabler und hat mir endlich hier auf zehn Uhr in der Laube hinter dem Amor ein tête-à-tête mit dem Wunderbaren versprochen; ein Rendezvous, in welchem für ein Gehorsamsgelöbniß der herrliche Trank mein werden soll!“

„Also perennirende Jugend?“ sagte Luise belustigt. Sie sah darauf beim Lichte einer rothen Papierlaterne auf ihre dicke, mit Steinen besetzte Uhr, die halb Zehn wies.

Ein toller Einfall zuckte durch ihren übermütigen Sinn.

„Hochgeschätzter Oheim,“ sagte sie feierlich, „vielleicht habe ich ein Mysterinm entdeckt, welches Sie noch rascher an’s Ziel Ihrer Wünsche führt; die Götter sind der harmlosen Unschuld gnädig, wie Sie wissen! Eben vor Beginn des Spiels, als es schon dämmerig in diesen Bosquets war, sah ich Christoph Kaufmann mit einem geheimnißvoll aussehenden Fremden auf jener versteckten Bank sitzen, hinter welcher mich mein Weg vorüber führte, da hörte ich folgendes Gespräch: ‚Wenn er wüßte‘, sagte Kaufmann – mit ‚Er‘ waren Sie natürlich gemeint - also, ‚wenn er wüßte, daß von Ihren Lippen, theurer Magus, einzig und allein das wahre Lebenselixir zu holen ist, daß jeder Kuß von Ihnen ein gesundes Lebensjahr einträgt, so würde er sich nicht mit einem Tranke begnügend.‘ ‚Jawohl,‘ entgegnete der Fremde, ‚aber diese schönste Gabe gehört nur meinen Lieblingen!‘ und darauf küßte er Kaufmann, daß es klatschte. Wie wäre es, theurer Oheim, wenn Sie sich diese Kunde zu Nutz machten und sofort, ehe er sich dessen versieht, über den Magus, der Ihnen eine Zusammenkunft bewilligt hat, herfielen? Sie könnten ihm in der Geschwindigkeit zehn Küsse rauben - denken Sie, zehn Küsse, zehn gesunde, jugendliche Jahre!“

„Goldkind, welch merveilleuse Entdeckung!“ rief der alte Herr triumphirend. Einmal im Bereich der Wunder, schien ihm nichts unglaublich.

„Möchte Ihnen Ihr Unternehmen wohl gelingen!“ sprach Luise eifrig mit unterdrücktem Lachen. „Ich will Sie aber nicht stören; da ist die Amor-Laube!“ Sie lief davon, kicherte ausgelassen vor sich hin, blieb dann plötzlich überlegend stehen und trug sich offenbar mit einem ergötzlichen Schwank.

„So geht’s,“ sagte sie in einem entschlossenen Tone, „mir glaubt er nicht!“ Sie setzte ihren kleinen Fuß mit mit dem Hackenschuh von Glanzleder auf eine Gartenbank und riß sich eine schwarze Sammetschleife vom Spann herunter, die sie verbarg.

Während die Göchhausen ihrer Intrigue nachging, schritt ein schlanker, in einen schwarzen Domino gehüllter und völlig maskirter Mann durch die halbdunkle Allee nach der Laube hin, in welcher der Baron von Göchhausen wartete.

Plötzlich kam aus einem Seitengange eine andere Maske eilfertig auf den Schwarzen zu; diese trug einen dunkelrothen Domino und ein eben solches Barett, sie nahm die Maske ab - ein irrender Lichtschimmer wies die Züge des Hofmarschalls Grafen Görtz.

Er ergriff den Arm des Andern, bog mit ihm zur Seite und begann: „Es ist noch zu früh für Ihr Rendezvous, der Baron bleibt Ihnen, Verehrtester, gewähren Sie mir noch eine ungestörte Unterredung.“


„Faß ihn!“
Nach dem Oelgemälde von R. Epp.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 664. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_664.jpg&oldid=- (Version vom 14.1.2023)