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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Nase zuhalten, aber ein höflicher Carabiniere ersuchte die Herrschaften, gütigst näher hinzuzutreten und tiefer einzuathmen. Wenn auch diese Vorkehrung sich als Desinfection nicht sehr wirksam erweisen dürfte, so hatte sie doch das Gute, daß sie die niedergedrückten Passagiere zur Heiterkeit stimmte, was ja auch ein Schutzmittel gegen die Ansteckung sein soll.

Am Ausgange des Perrons wurden endlich die Reinen von den Unreinen gesondert, und wessen Billet den Stempel von Spezia trug, der wurde in einen geschlossenen Wagen gesetzt und, mit einem Carabiniere auf dem Bocke, durch die volkreichsten Straßen der Stadt nach dem Lazareth geführt.

Ich selber fand mich um neun Uhr Abends in Freiheit und stürzte mich mit den Meinigen, die seit einer Stunde vor dem Ausgange auf mich gewartet hatten, in den nächsten Fiaker wie ein Missethäter, der mit knapper Noth der Justiz entronnen ist. J. K.     


Blätter und Blüthen.

Zur neuen Reichstags-Wahlbewegung hat ein politischer Künstler uns mit einem Bilde (S. 641) überrascht, aus welchen man weit mehr heraus studiren kann, als man auf den ersten Anblick anzunehmen geneigt ist. Vor Allem ist seelischer Zusammenhang zwischen den verschiedenen Gruppen, und damit muß ein Haupterforderniß guter Composition und Agitation als erreicht angenommen werden. Abermals sind nämlich die seltenen Tage angebrochen, wo der gemeine Mann zu staunen pflegt über die außerordentliche Freundlichkeit, mit welcher er plötzlich von verschiedenen Seiten her behandelt wird, von denen er dies sonst nicht gewöhnt ist. Wollen wir uns nicht mit freuen über das Lächeln und Schmunzeln des verblüfften Arbeiterhäufleins, dem zu Liebe ein gar feiner städtischer Herr den ersten besten Arbeitskarren als Rednerbühne benutzt für „das liebe treue Volk“? Und wie leutselig ist der andere vornehme Herr von behaglicher Aeußerlichkeit, der hier den beim kargen Mittagsbrod sizenden Tagelöhnern und ihren Weibern und Töchtern seine frommen politischen Ermahnungen vorträgt!

Der Redner auf dem Karren ist übrigens nicht schlecht versorgt, dem hinter ihm füllt ein Anderer das Glas aus dem Weinkrug, der doch wohl mitwirken soll, daß die Wahlrede nicht nur feuriger aus dem Munde des eifrigen Agitators heraus-, sondern auch geläufiger in die Ohren der erquickten Zuhörer hineingeht. Das gute Fortkommen des hohen Redners ist ebenfalls vorgesehen; wartet nicht auf der Brücke die stattliche Equipage, welche den Sieger des geflügelten Wortes in Triumphe weiter fährt, nachdem Programme und Wahlzettel glücklich in die Taschen der Arbeiter untergebracht sind? Nicht bedeutungslos scheint auch die thierische Zugabe um des versöhnenden Contrastes willen angebracht: linker Hand treibt ein Kind seine Enten in’s Wasser, und rechter Hand spielt der Karrenführer auf der Deichsel hockend mit seinem Hund auf des Gaules Kruppe. Beide sind offenbar unschuldig an Allem, was für die ohne Zweifel „volksfreundlichsten Parteien“ des künftigen Reichstags hier geleistet worden ist.


Erwischt. (Illustration S. 649.) Wir bitten den Leser, sich beim Anblick dieses Strandbildes kein Grauen anwandeln zu lassen, sondern aus den freudigen Gesichtern der beiden Kinder am Ufer die Beruhigung zu schöpfen, daß hier von keiner Lebensgefahr die Rede sein kann, weil dazu die Hauptsache fehlt: das Leben. Was da angeschwommen kommt und an das Ufer gespült wird, ist kein Kind; das schwere Köpfchen eines solchen wäre längst untergesunken; es ist der große Papiermachekopf einer stattlichen Puppe, die natürlich mit beweglichen Gliedmaßen und Augen, als vornehme Dame mit langem Schleppenkleide prangt. Und letzteres war ihr Glück, als sie in’s Wasser fiel, denn an dem nachwallenden Gewande konnte der kecke Junge sie mit dem Reisigstecken richtig erwischen, um sie an’s Land zu retten. Die Kinder werden sich schwerlich nach den Paragraphen 265 und 322 des Reichsstrafgesetzbuchs richten, welche die Strandungsangelegenheit ordnen, sondern nach der ihnen begreiflicheren Gewohnheit des alten Strandrechts verfahren und mit ihrer Freude den „Strand segnen“, wie einst dort der Pfarrer in den Stranddörfern von der Kanzel gethan.

Der Künstler des Bildes, nach welchem unsere Illustration hergestellt wurde, ist Karl Raupp in München, welcher sich durch seine Chiemseedarstellungen einen hochgeachteten Namen erwarb und den die „Gartenlaube“ schon seit zwanzig Jahren zu den Ihrigen zählt. Im Jahre 1864 brachten wir sein Bild „Der Kaisersoldat“, 1865 „Günther mit seiner Leonore auf dem Friedhof“, 1871 „Stürmische Heimfahrt auf dem Chiemsee“, 1876 den „Abschied vom Friedhof“, 1878 „Am Ammersee“, sämmtlich, wie alle seine Werke „mit der Landschaft zu einheitlicher Stimmung verbundene Genrebilder von breitem, flottem Vortrag und glänzendem Colorit.“

Raupp ist am 2. März 1837 in Darmstadt geboren, war 1856 bis 1858 Zögling des Städel’schen Instituts zu Frankfurt am Main und dann bis 1866 Schüler Piloty’s auf der Münchener Akademie. Nachdem er mehrere Jahre als Professor der Malerei an der Kunstschule zu Nürnberg thätig gewesen, kehrte er nach München zurück. Hier vollendete er unter Anderem seinen Antheil an den Illustrationen des Prachtwerkes „Aus deutschen Bergen“ (Wanderungen im Bayerischen Gebirg und Salzkammergut), mit Schilderungen von H. von Schmid und Stieler.


Zur Bekämpfung der Clavierseuche. In seinem überall mit Beifall aufgenommenen Artikel über die Clavierseuche (vgl. Nr. 35) hat Professor Hanslick einen Tonmoderateur erwähnt, der den Spieler in den Stand setzt, den Ton jedes Claviers beliebig abzudämpfen, sagt aber selbst, daß er ihn nicht genauer kennen gelernt. Vielleicht auch ist dieser Apparat nicht praktisch genug gewesen, um sich größere Geltung zu schaffen, wir erwähnen deshalb hier einer anderen Erfindung, von der wir Kenntniß erlangt haben.

In Dresden hat neuerdings die Pianofortefabrik Apollo unter Direction von Oscar Laffert eine Anregung zu einer Vervollkommnung dieser Idee gegeben: sie versieht ihre Pianinos mit einem Tonabdämpfungsapparat, dem sogenannten „stummen“ Zuge. Bei Anwendung dieses „stummen“ Zuges wird der Clavierton speciell für Uebungszwecke fast bis zur Unhörbarkeit abgedämpft. Im Princip ist die neue Einrichtung des Apollo-Pianinos nach dem früher bekannten sogenannten „Fagottzuge“ herausgebildet worden. Herr O. Laffert fand in dem alten Fagottzuge mit seinem Tuchstreifen, der sich zwischen die Saiten und die Hämmer legte, einen Anhalt für seine einfache Einrichtung, den Clavierton möglichst abzudämpfen. Mit einem nur einfachen Tuchstreifen ist es freilich nicht gethan. Dabei kommt eine zu geringe Dämpfung, eine nur sordinenartige Klangfarbe heraus, auch wird dabei der Einzelton nicht ganz rein angegeben, sondern es klingt ein störender Beiton (durch Berührung des Nebentons erzeugt) mit. Der „stumme“ Zug des Apollo-Pianinos giebt zunächst in einem wolligen Filzstoffe für jedes einzelne Saitenchor einen separaten Dämpfungslappen, der mit einer Intonirnadel nach der für Hammerköpfe gültigen Norm behandelt wird. Hinter diesem Separatlappen sind dann weitere Tuchstreifen von immer größerer Härte angebracht, um weitergehende Dämpfung des Tones zu bewirken. Will man den Ton noch mehr abdämpfen, so kann man sich des üblichen Pianozuges besonders bedienen. Dann erstirbt das Claviergetön in ein leises Flüstern, ebenso wohlthuend für den übenden Spieler wie für die Nebenwohnenden, die gar nicht mehr belästigt werden. Das Innenwerk des Claviers wird durch Anbringen des „stummen“ Zuges in keiner Weise verändert, auch die Spielart nicht beeinträchtigt. Der rücksichtsvolle Spieler schiebt, bevor er die Uebungen beginnt, den unter der Spiellade befindlichen Riegel, durch welchen der „stumme“ Zug gestellt wird, seitwärts und spielt geräuschlos, selbst aber jeden Ton genau hörend, ohne die Nachbarn im Geringsten zu stören. Noch ein Extravortheil ist für den Besitzer eines Pianinos mit dem Anbringen des „stummen“ Zuges verbunden: Saiten und Hämmer werden weit langsamer abgenutzt, als beim ungedämpften Clavierspielen, weil durch die dicken (mehrfachen) Tuchstreifen, die sich zwischen Saiten und Hämmer legen, die Reibungen unschädlicher werden.

Natürlich bietet die neue Apollo-Einrichtung nur den Anfang oder die Anregung zu technischen Vervollkommnungen. Intelligente Clavierfabrikanten werden noch Manches daran vervollständigen. Jedenfalls ist aber schon etwas damit gewonnen. Möge die Technik weiter auf der heilbringenden Bahn fortschreiten und dem allgemein empfundenen Uebel des Clavierlärms entgegenwirken!
Dresden. B. S.     


Auflösung des magischen Tableaus: „Die Schwalben“ in Nr. 38. Man zieht vorerst von jeder Schwalbe eine Senkrechte auf die mit Buchstaben bezeichneten Punkte an der Basis des Bogens, liest hierauf alle jene Senkrechten resp. die Buchstaben der Reihe nach von links nach rechts, welche auf die größten Schwalben gezogen sind, hierauf jene der 2., 3. und endlich der 4. der kleinsten Schwalben ab, wodurch der Satz entsteht: „Wir sehen uns wieder“.S. Atanas.     




[Inhaltsverzeichnis dieses Heftes, hier nicht übernommen.]



Nicht zu übersehen!

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manicula Einzeln gewünschte Nummern liefern wir pro Nummer incl. Porto für 35 Pfennig (2 Nummern 60 Pf., 3 Nummern 85 Pf.). Den Betrag bitten wir bei der Bestellung in Briefmarken einzusenden.

Die Verlagshandlung.0



Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart.0 Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 652. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_652.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2024)