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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

aus alten, aber wohlgepflegten Herbarien unserer Zeit zu erkennen ist, wennschon die letzteren nur so viel Jahre zählen als erstere Jahrhunderte. Wäre nicht durch den Transport der Särge und ihre Oeffnung großer Schaden angerichtet worden, so befänden sich diese Pflanzentheile noch heute in demselben Zustande wie in Folge des Trockenwerdens wenige Tage nach der Einsargung der Mumien.

Die äußerst brüchigen zarten Blatt- und Blüthentheile mußten beim Herausnehmen der Mumie und namentlich bei der Durchsuchung derselben nach Schmuckgegenständen, Papyrusrollen u. dergl. in zahllose Trümmer zerfallen. Was ganz erhalten blieb, ließ sich durch Aufweichen in Wasser ebenso gefügig behandeln, wie heutige Herbariumexemplare. Die Blätter und Blüthen konnten alsdann bis in die feinsten Einzelheiten untersucht, ausgebreitet und von neuem getrocknet werden, um in gepreßter Form zwischen Papier dauernd vor weiterer Zerstückelung geschützt zu sein.

Blumengewinde von der Mumie Amenhotep I., bestehend aus Weidenblättern und Blüthen der Nil-Akazie (½ natürlicher Größe).
Originalzeichnung von Prof. G. Schweinfurth.

Die auffälligste Erscheinung, welche sich beim Betrachten dieser tausendjährigen Pflanzenproben aufdrängt, ist die Farbenerhaltung vieler Blüthen. Diese giebt sich namentlich im röthlichen Violet des orientalischen Rittersporns zu erkennen, der die Guirlanden auf der Brust des großen Aahmos I. (Amosis) zierte, ebenso in dem der vorderasiatischen Kornblume, mit welcher die Mumie der Prinzessin Nsi-Chonsu von der zweiundzwanzigsten Dynastie geschmückt war, ferner im Roth der Blüthen des Ackermohns und des Saflors, die beide sich in diesen Gewinden vorfanden. Auch hat sich der grüne Farbstoff unverändert in den Blättern der Wassermelone erhalten, die bei der Mumie eines Priesters der genannten Dynastie lagen.

Zustand der Mumie Amenhotep I. beim Gräberfunde von Der-el-bahari am 6. Juli 1881.
Nach einer Photographie von Emil Brugsch-Bey.

Häufig bereits ist die Frage aufgeworfen worden, ob nicht etwa diese alten Gräberfunde Thatsachen zu Tage fördern könnten, die auf die Veränderlichkeit der Arten innerhalb eines Zeitraums von zwei- bis viertausend Jahren hindeuten würden. Wer sich mit geologischen Forschungen abgegeben und namentlich die neueren Formationen der Tertiärzeit im Hinblick auf ihre organischen Einschlüsse zum Gegenstande seiner Untersuchungen gemacht hat, wird einem Zeitraume von der angedeuteten Ausdehnung keinen großen Einfluß auf die Veränderlichkeit der Arten oder des Florenbestandes innerhalb einer bestimmten Gegend zuerkennen mögen. Zudem ist eine wirklich vollkommene Identificirung von Exemplaren beschränkter Zahl in Bezug auf den Artcharakter stets eine Aufgabe, die geringe Befriedigung verspricht.

Indeß mag die Thatsache genügen, daß bisher noch keine einzige Pflanzenart unter diesen Funden nachzuweisen gewesen ist, die nicht mit einer der heute bekannten auf’s Bestimmteste in Uebereinstimmung zu bringen war. Die auf solche Weise für die Flora des alten Oberägyptens vor einigen tausend Jahren festgestellten Pflanzenformen gehören entweder Arten an, die heute noch daselbst wildwachsend angetroffen werden, oder solchen, deren Cultur das heutige Klima dieser Gegend nicht die geringsten Hindernisse in den Weg legen würde. Mehrere Arten, wie z. B. der Ackermohn, finden sich nicht mehr in Oberägypten, wohl aber an der ägyptischen Küste bei Alexandria; andere, wie der Rittersporn, die Kornblume und die syrische Stockrose, fehlen der ägyptischen Flora und müssen von den Alten aus Asien eingeführt und in Gärten cultivirt worden sein. Man kann aber annehmen, daß in jedem Falle eher die veränderten Culturverhältnisse des Bodenbaus an dieser Verschiedenheit Schuld haben, als ein in der Zwischenzeit stattgehabter Klimawechsel, für den keinerlei durchgreifende auf dem Gebiete der organischen Natur oder der Bodengestaltung nachgewiesene Thatsache anzuführen ist.


Brausejahre.
Bilder aus Weimars Blüthezeit. Von A. v. d. Elbe.
(Fortsetzung.)


22.

In Weimar eilte Karl August sofort Goethe aufzusuchen; gegen den Freund wollte er sich aussprechen, das stand fest! Aber – er hatte Goethe’s Urlaubsgesuch ganz vergessen – das Gartenhaus am Stern stand leer, Goethe war Tages zuvor nach Ilmenau abgereist.

Welche Wandlung in seinem Empfinden! Eigentlich war ihm jetzt Goethe’s Abwesenheit gar nicht unlieb. Der Freund hätte ihn auslachen, verspotten, möglicher Weise verhindern können, auf Saint Germain’s Vorschläge einzugehen. Das, was er selbst dem Grafen entgegnet hatte, wollte er jetzt nicht gern auch von einem Andern hören, denn er schwelgte in der Hoffnung, Außerordentliches gefunden zu haben und noch erleben zu sollen! Das heimliche Ausspinnen der empfangenen Eindrücke hatte ihm schon die Freiheit der Auffassung geraubt, er wünschte glühend keine Enttäuschung zu erleben und ward täglich froher, als der Mond sich rundete, die Jagdeinladung vom Landgrafen eintraf, der Freund aber noch nicht zurückkam.

Im Schloßpark zu Barchfeld spazierten einige Tage später zwei fürstliche Herren. Der Landgraf Adolf von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, ein stattlicher Officier, der in holländischen Diensten stand, unterhielt sich im Gehen mit seinem Gast, dem Herzog Karl August. Derselbe war, nur von seinem Reitknecht begleitet, zu Mittag von Eisenach aus angekommen, der Jagdeinladung des Landgrafen endlich Folge zu leisten.

Graf Saint Germain befand sich als Gast, sammt einigen anderen Herren vom Kasseler Hofe, in Barchfeld. Ohne einer früheren Begegnung zu erwähnen, hatte er sich dem Herzoge vorstellen lassen und in seinem Benehmen den Hofmann, den Cavalier und geistreichen Gesellschafter herausgekehrt. Allerdings waren ihm bei Tafel scheinbar absichtslos Andeutungen entschlüpft, die auf weit zurückliegende Lebensverhältnisse hindeuteten. Fast erschrocken suchte er dann diese Mittheilungen zu bemänteln, wie Jemand, der sich selbst auf einer Unvorsichtigkeit oder zu großen Offenherzigkeit ertappt, und da keiner der Herren nachforschte oder erstaunt schien, ließ auch Karl August die Dinge gehen, glühte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 630. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_630.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)