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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Häusergruppen werden „Städte“ genannt und nach ihren Königen bezeichnet, so finden wir hier dicht an einander die König-Bell’s-Stadt, König-Aqua’s-Stadt, König-Brisso-Bell’s-Stadt etc.

Der angesehenste und intelligenteste unter den Königen von Kamerun ist König Bell. Er hat zwar weniger Unterthanen als seine Nachbarn, weiß aber durch Klugheit und Schlauheit sich mehr Einfluß zu verschaffen. Ein herculisch gebauter, schöner Mann, „dessen Benehmen etwas Königliches an sich trägt“ (wie der deutsche Forschungsreisende R. Buchholz einst bemerkte), hat er seine Nationaltracht beibehalten und geht einfach wie andere Neger, nur mit einem Stück Zeug um die Hüften gekleidet. Auf unserem Bilde (S. 611) hat er noch die Zeichen seiner Würde, den langen Stab und den Schlüssel am Arm. In der That macht König Bell einen angenehmen Eindruck, wenn man ihn mit den beiden anderen durch ihre sonderbare Wahl europäischer Kleiderstücke zu Carricaturen herabgesunkenen Königen von Kamerun vergleicht. Sie tragen Cylinderhüte, deren goldenes Schild an die Marken unserer Packträger erinnert, aber sie halten diese „afrikanischen Kronen“ hoch, denn auf diesen Schildern von echtem Golde ist auch der Namenszug der betreffenden schwarzen Majestät eingravirt. Dabei kosten die Hüte gar nichts, sie sind Geschenke der Firma C. Woermann. Auch die langen aus Glas angefertigten Stäbe, die sie stolz als Zeichen ihrer königlichen Gewalt schwingen, sind von demselben Ursprung. Gläserne Scepter – kann man sie nicht als gelungene Symbole des afrikanischen Negerkönigthums auffassen?

König Brisso-Bell mit seinen Frauen.

Besseren Eindruck machen auf uns diese braunen Häuptlinge, wenn sie einmal in voller nationaler Gala in ihren Kriegscanoes auf dem Strome erscheinen. Am Bug des schlanken Bootes sieht man reiche Schnitzereien, auf der einen Seite weht die Flagge des Häuptlings mit seinem Namenszuge, während er selbst stolz unter einem gewaltigen bunten Regenschirm sitzt, von den Treuesten seines Volkes umgeben. Auch die deutsche Fahne fehlt nicht auf unserm Bilde, welches nach einer vor Kurzem aufgenommenen Originalphotographie in Holzschnitt ausgeführt wurde. Die Negerfürsten führten sie schon mit Vorliebe, bevor sie sich unter ihren thatsächlichen Schutz begaben. – Das Volk, über welches sie herrschen, ist, wie unser Bild zeigt, ein groß und kräftig gebauter Menschenschlag. Die Hautfarbe der Dualla-Neger ist meistens dunkelbraun wie gebrannter Kaffee, aber es giebt auch hellere Leute unter ihnen, selbst vollständige Albinos und außerdem eine wunderliche Sorte von Menschen, bei denen der Albinismus nur theilweise zum Durchbruch gekommen ist und welche darum ganz und gar scheckig aussehen.

Kriegscanoe der Dualla in Kamerun.

Die Frauen dieses Stammes sind klein und häßlich, aber sie werden hochgeschätzt, denn sie sind theure Werthobjecte, nach denen der Reichthum des Einzelnen berechnet wird, so daß z. B. Könige 20 bis 30 Frauen besitzen müssen. Vor Jahren wurde ein Sohn König Bell’s in Bristol erzogen, und als er in sein liebes Kamerun heimgekehrt war, beschloß er, nach europäischer Sitte nur eine Frau zu heirathen. Aber er wurde darum von seinen Landsleuten so gering geschätzt und als „armer Mann“ bedauert, daß er sich endlich gezwungen sah, mehrere Frauen zu nehmen, worauf er in der That als „reicher Mann“ im Ansehen bei seinen Brüdern stieg. – Die Frauen, bei denen auch die Mode in sonderbarer Art Einzug gehalten, denn sie tragen nur Manschetten, während sie das Hemd verschmähen, gelten dem Manne in erster Linie nur als Lastthiere und Werthobjecte. Vor einigen Jahren kam es noch vor, daß Eingeborene den Weißen ihre Frauen als Pfandobjecte für gewährte Vorschüsse hinterließen, eine Sitte, die jetzt nicht mehr geübt wird, denn der Handelsmann zieht diesem lebenden Unterpfande, das er ernähren und bewachen muß, einen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 612. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_612.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)