Seite:Die Gartenlaube (1884) 597.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)



gewiß seltener Conservatismus. Die Frauentracht ist ernst und schlicht, die Kleidling der Mädchen bunter. Besonders charakteristisch sind ihr Sonntags- oder Kirchenhut, eine einem Cylinder ohne Krempe und Deckel gleichende Kopfbedeckung aus schwarzem Sammt mit herabwallenden bunten Bändern, ferner das gestickte Hemd und der um die Hüfte getragene, mit bunten Steinen gezierte breite Metallgürtel.

[Bürgergruppe (aus der Gruppe der Handels- u. Gewerbetreibenden)]

Dann kam der Festwagen für Handel und Gewerbe. Vor ihm ritt ein Fähnlein, bestehend aus 12 Hermannstädter Bürgern in ihrer Bürgertracht, wie sie als Fest- und Sonntagskleid bis zum vierten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts üblich war. Der kurze braune, mit Silberknöpfen verzierte Rock in der Mitte zusammengehalten durch einen silberdurchwirkten, reichen Gürtel, die ebenfalls aus braunem Tuche angefertigte enge Stiefelhose, der Kalpak aus Luchs- oder Marderfell, dann der pelzverbrämte, mit durchbrochenen Silberknöpfen besetzte Mantel gemahnen an den benachbarten magyarischen Edelmann, wie diese luxuriöse Tracht überhaupt den Trägern ein patricisches Gepräge verleiht. Freilich wurde früher diese kostbare Tracht vom Großvater auf den Sohn und Enkel vererbt, was bei dem modernen Kleiderunwesen nicht leicht mehr vorkommen dürfte. Der stattliche Bürger mit der Hellebarde in dem Bilde (S. 596) ist eine Figur aus dieser Gruppe, der 24 berittene Männer aus dem sächsischen Markte Agnetheln in ähnlicher Galatracht folgten. Um die bepackten Reisewagen der deutschen Einwanderer schaarte sich das Volk der Handels- und Gewerbsleute mit ihren Frauen und Kindern. Männer und Bursche trugen die Embleme der verschiedenen Zünfte und mannigfaches Geräthe und Handwerkzeug. Die aus etwa 130 Köpfen bestehende Gruppe war selbstverständlich im Stil des 12. Jahrhunderts costümirt. (Vergl. die obenstehende Illustration.)

Der Jagdzug war besonders glänzend ausgestattet. Jäger mit Armbrust und Speeren, auch kühne Jägerinnen zu Pferde belebten die Gruppe, von welcher leider in unserer am Fuße dieser Seite stehenden Illustration nur ein kleiner Theil veranschaulicht werden konnte. Es fehlte nicht der reich beladene Wildwagen, der Falkner, die Hundemeute, gehalten von dem Rüdenmeister. Unter der erlegten Beute ist der Wolf und der Bär vorherrschend, womit so recht die Wildheit des Waldlandes charakterisirt wird, zu dessen Cultivirung die deutschen Colonisten berufen worden waren. Bezeichnend für die Rauhheit des „Bärenlandes“, wie Siebenbürgen heute noch genannt wird, ist auch die folgende Episode, die sich thatsächlich ereignet hat. Ein Mitglied des Festzugscomités äußerte einige Tage vor dem Feste gegenüber dem als wetterharter Tourist und Wildtödter in Siebenbürgen

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 597. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_597.jpg&oldid=- (Version vom 14.5.2019)