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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)


frohem Muthe der Zukunft entgegen. Im eisernen Jahrhunderte ist sie entstanden und groß geworden, jetzt aber scheint sie auch dazu berufen, in dem anbrechenden elektrischen Zeitalter eine hervorragende Rolle zu spielen.

Am 2. August wurde in der kleinen, 15,000 Einwohner zählenden Stadt eine Ausstellung eröffnet, die im Großen und Ganzen ein Werk jener Fabrik genannt werden kann. Diese Ausstellung soll verschiedenen Zwecken dienen. In der einen ihrer Abtheilungen spiegelt sich die Geschichte der Stadt und ihrer Umgebung in treuester Weise wieder, in der andern sehen wir die Erzeugnisse der Forstwirthschaft vereinigt, aber von ihnen redet man in der Welt weniger. Nur die dritte Abtheilung, welche für die Darstellung der Fortschritte auf dem Gebiete der Elektrotechnik bestimmt ist, bildet den Hauptanziehungspunkt für Fremde und den Stolz der einheimischen Bürger. In der That möchte man erstaunt fragen: wie konnte das kleine Steyr wagen, nach dem Vorgange von Paris, München, London und Wien eine elektrische Ausstellung zu veranstalten? Erst seit vorigem Jahre hat ja die Waffenfabrik auch die Herstellung elektrodynamischer Maschinen, elektrischer Lampen etc. in den Kreis ihrer Thätigkeit gezogen. Was konnten da die Steyrer, die auf die Unterstützung berühmter Firmen wenig rechnen konnten, der verwöhnten Welt bieten? Nun, sie haben sich eine beschränktere, aber um so wichtigere Aufgabe gestellt, sie wollten das, was z. B. auf der Wiener Ausstellung nur in Modellen zu sehen war, in’s Große, Wirkliche übertragen. Sie beschlossen, zu zeigen, wie man die in unseren Flüssen vorhandenen Wasserkräfte mit Hülfe der elektrischen Kraftübertragung für die Industrie verwerthen kann. Und die Lösung der Aufgabe ist ihnen zu großem Theil wenigstens gelungen.

An den Ufern der Steyr sind vier Kraftstationen errichtet. Eine Turbine oder ein unterschlächtiges Wasserrad setzt hier je eine dynamoelektrische Maschine in Bewegung, welche die bewegende Kraft des Flußwassers in Elektricität verwandelt. Von diesen Stationen zweigen sich Leitungsdrähte, deren Gesammtlänge 60 Kilometer beträgt, nach allen Richtungen ab, um den elektrischen Strom in weit entfernte Werkstätten zu führen. Diese Einrichtungen sind einfach, aber was kann der kleine Fluß mit ihrer Hülfe leisten! Werfen wir nur einen flüchtigen Blick auf das bewegte Treiben an seinen Ufern!

Ein Meer von Licht überfluthet in der Nacht die Straßen der alten Eisenstadt, aber dieses Licht liefert die Steyr, denn die Kraft ihrer Wellen ist in Elektricität verwandelt worden und speist die Hunderte von elektrischen Lampen. Hier in dem Ausstellungspavillon arbeitet rastlos eine Sägemaschine, dort werden Apparate für Gewehrfabrikation in Betrieb gesetzt. Auch für sie liefert derselbe Fluß die treibenden Kräfte, die in den Leitungsdrähten aus dem Thal auf die Höhen der Hügel steigen.

Der menschliche Geist hat in der That den Wassergott des Stromes überlistet und seinen Zwecken dienstbar gemacht. Wer noch vor wenigen Jahren in die dunklen rauschenden Wogen hinabschaute, konnte er ahnen, daß aus ihrem Schooße in naher Zukunft so viel treibende Kraft und so viel Licht gewonnen werden sollte? Nun, diese Ausstellung kann Jeden belehren, was Wasserkräfte bedeuten. Die Fachleute werden die praktischen Ergebnisse dieser Versuche mit Sorgfalt prüfen und Vieles noch unvollkommen finden, wie aber auch ihr Urtheil ausfallen mag, die Ausstellung selbst wird der strebsamen Stadt stets zum Ruhm und zur Ehre gereichen.



Die Ankunft. (Mit Illustration S. 573.) Heute ist der Tag der Rückkehr! Die Schöne ist so freudig erregt, daß sie ganz vergessen hat, wie schmerzlich einst die Trennung war und wie sie, als der Wagen davonrollte und den Mann ihres Herzens auf unbestimmte Zeit von ihr wegführte, mit ihrem „Schicksale“ haderte und mit den Worten des Dichters klagte:

„Das ist im Leben häßlich eingerichtet,
Daß bei den Rosen gleich die Dornen steh’n,
Und was das arme Herz auch sehnt und dichtet,
Zum Schlusse kommt das Voneinandergeh’n.“

Aber die Zeit der Trennung war vorübergegangen, langsam zwar, doch glücklich, und jetzt war die Stunde gekommen, wo der so lang Entbehrte zurückkehrte. Wie beim Abschiede das Rollen des Wagens das letzte Zeichen seiner Entfernung war, so ist es jetzt das erste, welches an das Ohr der Lauschenden schlägt und das Nahen des Geliebten verkündet. Schnell steht sie am Fenster; der Wagen hält, und der Ankommende blickt hinauf – ein freudiges Lächeln verklärt Beider Antlitz, sie aber zieht sich etwas hinter den Vorhang zurück, denn drunten sind noch andere Menschen, und es brauchen nicht alle ihre Freude zu sehen.


In’s Studium vertieft. (Mit Illustration S. 576.) Für den Naturfreund bietet Feld und Wald einen unerschöpflichen Born der Belehrung und des Genusses. Jedes Pflänzchen, jeder Baum, jede Blüthe, jeder Halm ist ein kleines Wunder für sich und verdient die aufmerksame Betrachtung und das eifrige Studium dessen, der in Gottes herrlicher Natur nicht mit geschlossenen Augen einherwandelt, sondern in jedem Geschöpf den Schöpfer erkennt und preist. So sitzt auch der alte Herr des Lebling’schen Genrebildes sinnend da, eine einfache Feldblume in der Hand, dieselbe betrachtend und vergleichend mit den Aufzeichnungen, welche ihm das Buch berühmter Forscher bietet. Er ist so in’s Studium vertieft, daß seine Sinne abgestumpft sind für die Dinge der Außenwelt, er hört und sieht nicht, was um ihn herum vorgeht, er merkt es nicht, daß er mittlerweile Gesellschaft erhalten, zwar keine gelehrte, aber ebenfalls wahre, echte Naturfreunde von richtigem Schrot und Korn. Voran natürlich die schnelle Jugend, hinterher mit bedächtigem Wesen und etwas mißtrauischem Blicke das vorsichtige Alter, überraschen die wollespendenden Geschöpfe der Weide, denen man im Allgemeinen allzu große geistige Fähigkeiten beizulegen nicht geneigt ist, den in sein Studium ganz versenkten alten Herrn. Und wahrscheinlich wird dieser erst dann in die Wirklichkeit zurückkehren, wenn der „Besuch“ ihm über die der Botanisirkapsel entquellenden Pflanzen geräth – dann dürfte das Schmetterlingsnetz wohl plötzlich für seinen handfesteren Theil eine ganz andere Bestimmung erhalten, und verwundert werden sich die Wolleträger zurückziehen vor dem Menschen, der ein Naturfreund zu sein scheint und ihnen – den privilegirten Pflanzen- und Kräuterfreunden und -Kennern – gegenüber sich doch so wenig freundlich benimmt.


Stelldichein. (Mit Illustration S. 580.) Der Ort, den die Beiden für ihr „Stelldichein“ gewählt haben, entspricht sicher allen Anforderungen, die man an einen solchen nur stellen kann. Zwar ist keine romantische Quelle in der Nähe, deren Murmeln traulich das Gespräch der Liebenden begleiten könnte, und auch ein Bach nicht, in dessen klarer Tiefe sie sich neckend zu spiegeln vermöchten, für beides aber entschädigt das dichte schöne Strauchwerk, welches dem Paare vor allen unberufenen Späherblicken Schutz gewährt und somit dem Orte des Stelldicheins diejenige Eigenschaft giebt, nach welcher stets am meisten gesucht zu werden pflegt. Der Zweck der Zusammenkunft ist leicht zu errathen, und unschwer auch der Gegenstand der Unterhaltung. Es ist das alte Lied „von Liebe und von Sonnenschein“, welches Beider Herzen bewegt und unwiderstehlich zu einander hinzieht – sie, die Tochter des wohlhabenden Bauern, und ihn, den kecken Wallensteinischen Reiter, der, nach dem Tode seines großen Feldherrn des unstäten Soldatenlebens müde, in die Heimath zurückkehrt und jetzt nur noch eine „Eroberung“ im Auge hat, eine friedliche und gleichzeitig eine solche, die ihm nicht allzu schwer werden dürfte. Ob sich aber dann die ungestüme Wanderlust, die noch vor Kurzem seine Brust bewegte, mehr und mehr verliert und aus ihm ein ebenso tüchtiger Bauer wird, wie er vorher ein tapferer und braver Soldat war, das wird erst die Zukunft lehren müssen.


Zweite Quittung. Auf die in Nr. 18 der „Gartenlaube“ ausgesprochene „Bitte“ für einen verdienten und dennoch bedrängten Schriftsteller sind ferner eingegangen:

A. W. in Gera M. 5; Ungenannt in Norderney M. 30; M. G. in Pirna M. 5; Dr. G. Krause in Köthen M. 5; R. J. in Penig M. 3; Aus Oberschlesien, Poststempel Kattowitz M. 10; J. R., Pragerstraße 26 in Dresden M. 40; Frau E. Steinheil in München M. 6; I. in Wiesbaden M. 5; Frau Schlapp in Darmstadt M. 3; Frl. Bonhard in Darmstadt M. 4; von einem Abonnenten der „Gartenlaube“ durch Helmich's Buchh. in Bielefeld M. 5; E. K. in Batavia M. 84; Stadtrath Ballin in Gandersheim M. 2.

Weitere Gaben werden gern entgegengenommen.


Allerlei Kurzweil.



Räthsel-Bilderbogen

Zwei Räthsel.

1.

Mit „i“ denk’ stets dabei an Gott!
Mit „n“ wünsch’ ich es deiner Noth.
Mit „r“ erhältst du’s nach dem Tod.

2.

Viel Aergerniß schon hat’s erregt –
Zumal zu Luther’s Jahren.
Kopf ab! – bist du es schmerzbewegt,
vor Neid und bei Gefahren.
Kopf wieder ab! – ein Mahnruf klingt’s,
Bald bittend und bald herrisch.
Noch mal geköpft! – selbst Könige zwingt’s! –
Ist das nicht pudelnärrisch?


Kleiner Briefkasten.

M. Z. in Stuttgart. Sie haben Recht, und wir werden bestrebt sein, Ihren Wunsch, sobald es die Umstände gestatten, zu erfüllen.

E. I. in Jefr., Tula. Die kleinen Beiträge sind nicht geeignet. Die Erz. wollen Sie einsenden.

A. N. stud. theol. in K. Vergleichen Sie gefl. den Artikel von Daniel Sanders in Nr. 21, Jahrgang 1888.

I. O. in S. Wir haben schon so oft betont, daß wir auf anonyme Anfragen keine Antwort ertheilen.

Frau J. M. in I. Vergl. Sie gefälligst die „Blätter und Blüthen“ in Nr. 8 des laufenden Jahrganges


[Inhaltsverzeichnis dieses Heftes, hier nicht übernommen.]


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 584. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_584.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2023)