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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

„Ich bin nie krank, ja ich vermag jeden Kranken zu heilen, der Vertrauen zu mir faßt.“

Er verbeugte sich und verließ mit würdigen Schritten das Gemach. Man athmete auf, als der Druck seiner wunderlichen Persönlichkeit aufhörte.

„Da hat uns Lavater einen närrischen Kauz gesandt!“ rief der Herzog. „Aber interessant ist solcher Gesell doch; ich werde mich näher in seine Theorien einweihen lassen.“

„Man weiß nicht, ob’s der Mühe werth ist,“ sagte Goethe.

„Allerdings, Ungereimtheiten hat er vorgebracht,“ lachte Luise von Göchhausen, „die hundert Elephanten nicht wegschleppen können!“

„Alles in Allem,“ sagte Wieland, „ist man hungrig geworden auf etwas Natürliches, Lustiges, Irdischhandgreifliches.“

Das war nach der ungesunden Aufregung das einzig richtige Gefühl.


14.

Der Herzog Karl August hatte sehr bald erkannt, daß sein genialer Freund nur mittels eines ernsten Lebensberufes dauernd in Weimar und an seine Person zu fesseln sei. Mochte Goethe noch so wild mit ihm darauf los wüthen, wenn es galt im Ballsaal, auf dem Eise, oder zu Pferde der vollen Jugendlust genug zu thun, niemals machte er ein Hehl daraus, daß er Besseres brauche, daß er nicht ohne geregelte Beschäftigung leben könne. Aber auch in dem jungen Herzoge lag ein fester Grund edler Pflichttreue. Ihm würde kein Freund genügt haben, welcher seine volle Befriedigung aus der Dinge Oberfläche geschöpft hätte, und so begriff er auch des Andern Bedürfen.

Längst sann er also darüber nach, was er zu bieten habe, wie er Goethe’s Stellung in Weimar festigen und durch einen Beruf ausfüllen könne. Er wußte, daß er mit der Anstellung dieses vielbeneideten und vielgescholtenen Fremdlings einen Sturm im Kreise seiner Beamtenwelt heraufbeschwöre; aber er war Mannes genug, seinen Willen durchzusetzen.

Seit zweiundzwanzig Jahren war der Minister von Fritsch der gewissenhafte Leiter der Regierung; dieser, der von Goethe nichts als eine flotte, geniale Außenseite kannte und seine Zuhörerschaft im Conseil stets gemißbilligt hatte, widersetzte sich auf das Ernstlichste seiner Anstellung im Staatsdienste. Ja er bat, wenn dieselbe stattfinden solle, um seinen Abschied.

Der Herzog erklärte aber, daß sein Beschluß, den Doctor Goethe in sein Geheimes Conseil einzuführen, feststehe, und bat, daß sein Minister sich mit dieser Maßregel aussöhne. Nachdem auch die Herzogin Anna Amalie, welcher Fritsch während ihrer Regentschaft treu zur Seite gestanden, sich bittend an ihn wandte, gab der alte Staatsmann nach, und Goethe’s feierliche Einführung in’s Conseil als Legationsrath wurde zur Thatsache.

So war dem Herzoge nun der Besitz des Freundes gesichert.

Goethe, dieser menschenkundige, umfassende Geist, wußte sich auch bald durch sachlich ernste Ruhe, durch respectvolle Unterordnung unter die erfahrenen älteren Beamten, eine gute Stellung im Conseil zu verschaffen und die praktischen Fragen und Sorgen der Regierung kennen zu lernen.

So wie diese Angelegenheit geordnet war, sann der Herzog darauf, des Freundes äußeres Behagen noch fester zu begründen,


Bilder aus dem Leipziger Rosenthal.0 Originalzeichnung von F. Dotzauer.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 484. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_484.jpg&oldid=- (Version vom 12.3.2024)