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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

fremdartige, wilde Schönheit der julischen Alpen hinein. Dann steigt er über die Hochebene von Loitsch in die Steinwüste des öden Karst. Wir gelangen in die geheimnißvolle Welt der Adelsberger Höhlen und des Zirknitzer Sees, wo der Karst zwar noch bewaldete Höhen zeigt, wo aber der wüstenartige Charakter der Landschaft sich dem Blicke aufdrängt, wo zahllose Wasserläufe spurlos im Boden verschwinden, um in unergründeten, lichtlosen, unterirdischen Tiefen unter und zwischen den Märchengebilden des Tropfsteins dahin zu rauschen.

Eine wie verbrannt aussehende, leichte Wellen bildende Bodenfläche dehnt sich aus, überstreut mit Millionen großer und kleiner, vom Sturmwind der Bora ausgefegter Steine, und begrenzt von malerischen weiß, braun und violett leuchtenden, größtentheils waldlosen Kalkbergwänden. Durchfährt man des Nachts diese Gegenden, so machen sie im bleichen Sternenschimmer den Eindruck einer Landschaft des Mondes mit ihrer seltsam geformten, erstorbenen Bergwelt. Das Leben giebt hier nur Gastrollen; es überrascht uns zuweilen der urplötzliche Anblick einer in üppiger Fruchtbarkeit und südlicher Vegetation prangenden, geräumigen Bodenmulde, gleich einer Oase der Wüste. Im Fluge vorüber, als wär’s nur eine Fata Morgana gewesen. Das ist der Karst mit seiner hungernden Bevölkerung, mit seinen stummen Fluren, mit seiner tropischen Hitze im Sommer und seiner sibirischen Kälte im Winter und mit seiner schrecklichen Bora, die über die öden Gefilde brausend allem Lebenden den Krieg bietet.

Wer aber auf einem andern Wege, mit einem Zuge der Rudolfsbahn von Kärnten her in’s Land Krain kommt, dem stellt es sich dar als eine ebenso gewaltige wie in wilder, lebensfroher Schönheit prangende Hochwacht der Alpenwelt. Die bestrickenden Reize waldreicher Berglandschaften, belebt von den leuchtenden Spiegeln der Weißenfelser Seen und den übermüthig daherspringenden, in ungebändigter Lust jauchzenden Zuflüssen der Wurzener Sava nehmen uns gefangen und geben uns nicht frei. Links blicken die zerrissenen, spukhaft gestalteten Gipfel der Karawankenkette herüber, die das Land gegen Kärnten abgrenzt, und rechts grüßen die gigantisch über einander gethürmten Quadern und Strebepfeiler, die jäh emporsteigenden Felsenstirnen der julischen Alpen – herunter in die schmalen Schluchten, in denen sich die Eisenstraße und die Landwege dahin winden. Wir vermögen die Blicke nicht loszureißen, von dem unsagbaren Zauber der wechselnden Landschaftsbilder, und ehe wir es uns versehen, haben wir Radmannsdorf erreicht, die Station, die den Zugang zu dem lieblichen Seebezirk von Veldes vermittelt.

Es ist noch nicht lange her, seit diese Perle der julischen Alpen für die Touristenwelt entdeckt worden ist. Eingelassen wie ein leuchtendes Juwel in die felsenstarrende Alpenwelt, von grünen Gestaden umkränzt, mitten in der dunkelblauen Fluth ein trauliches Eiland, dessen Kirchlein sich im klaren Wasser spiegelt, auf dem Gestade hingestreut zahlreiche Villen und Sommerfrischen, deren Terrassen die Woge netzt, und überall die düster-ehrwürdige Gegenwart der Felsengiganten, welche dunkle Schatten über die zitternde Wasserfläche werfen, während ihre weißen Häupter, in der feurigen Lohe des Abends zauberisch aufleuchtend, den rosigen Brand im See wiederspiegeln – das ist der See von Veldes mit seinen Reizen, die Perle des Landes Krain!

Freilich herrscht, wenn man von den Sommergästen absieht, das slavische Idiom so ausschließlich in der Umgebung des Sees, daß man ohne einige Kenntniß desselben es nicht wagen darf, Ausflüge in das Innere dieser überwältigenden Gebirgswelt zu unternehmen. Und wahrlich lohnt es sich, einzudringen in die geheimnißvollen Bergwildnisse und Felsenkessel an den Abhängen des Triglav (Terglou), des dreigespitzten, kühn in den Aether (3000 Meter) ragenden Königs der Krainer, der Julischen Alpen, auf dessen Felsenzinnen die entthronten altslavischen Gottheiten hausen und durch dessen düstere Waldschluchten die dunklen Fittige der Sage rauschen. Dringt man auch nur bis an die Ufer des Wocheiner Sees vor, so überschleicht einen doch im Verkehr mit den Bewohnern die Ahnung, daß in diesen Alpenwildnissen noch der ungebrochene, trotzige Geist eines von deutscher Cultur nie ganz bezwungenen, nur scheu vor ihr zurückgewichenen urslavischen Volksthums haust, und daß ein Wehen dieses Geistes durch ganz Krain, durch Görz bis vor die Thore von Triest, durch Istrien und durch manche Strecke von Untersteiermark bis in die Landstube von Graz geht. Wir fühlen aber auch, daß wir es bei dem Aufschwung des Slavismus in diesen Ländern weniger mit dem Emporringen einer in sich gefesteten, schaffensfrohen, ideenreichen, jungen Volkskraft, als mit dem starrnackigen, haßvollen Empören der Uncultur wider die deutsche Cultur zu thun haben, mit wilden Leidenschaften, deren sich das halbgebildete slovenische Streberthum bedient, um – das ist der Hauptzweck – sich bequem in all den Aemtern fest zu setzen, in denen bisher wackere und wohl unterrichtete deutsche Männer für des Landes Wohl gewirkt haben.

Und sollt’ es wirklich so schlimm stehen um das Deutschthum? Grüßen nicht überall im Lande Schlösser und Burgen mit deutschen Namen in die Thäler hernieder? Liegt nicht inmitten des Krainerlandes Auersperg, der Stammsitz eines erlauchten Geschlechts, das dem Kaiserstaate Staatsmänner und Feldherren und einen seiner edelsten deutschen Dichter, Anastasius Grün, gab? Wahrlich, überall tragen die Städte und Märkte seit ihrer Gründung vor vielen Jahrhunderten deutsche Namen: Laibach, Krainburg, Weixelburg, Treffen, Neustädtl, Stein, Neumarktl, Altenmarkt, Adelsberg, Wippach, Nassenfuß, St. Marein, Weißenfels, Wartenberg, Landstraß etc. Wie muthet uns dies so vertraut an! Selbst zahlreiche Dörfer und Gemarkungen tragen, soweit man sie nicht in den jüngsten Zeiten slovenisirt hat, noch vielfach deutsche Namen. Besuchen wir aber den einen oder andern dieser Orte mit den deutschen Namen, so kann es uns wohl passiven, daß wir nur mit Mühe eines deutsch sprechenden Bürgers, aber kaum noch eines deutschen Bauern habhaft werden; denn – o die schmerzliche Enttäuschung! – Ortschaften mit kerndeutschen Namen und historisch nachweisbaren deutschen Ursprungs sind durchweg von Stockslovenen bewohnt. Allerdings zeigen diese Stockslovenen vielfach und in manchen Städten und in vielen Dörfern durchaus deutschen Typus in Wuchs, Haarfarbe und Gesichtsausdruck, ja sie tragen sogar, freilich durch slovenische Orthographie entstellte, gute deutsche Namen, sie heißen Pfeifer, Huber, Maier, Schober, Payer, Eggert etc., aber sie können nicht mehr deutsch reden, und könnten sie es noch, so wollen sie es nicht, sie wollen ja gute Slovenen sein, aber sie sind – und das verleiht der Thatsache das Tieftraurige und Beschämende einer schweren nationalen Niederlage! – slavisirte Deutsche! Deutsche, die nicht von einem gleichwertigen Culturvolke, sondern von einem culturlosen Volke aufgesogen sind, das erst seit Kurzem einen gemeinsamen Namen trägt! Und das nicht etwa im fernen Osten, getrennt von Deutschland, sondern in einem alten deutschen Herzogthume, wo sie ein Jahrtausend die Herren waren, in einem Reiche mit deutscher Dynastie, deutscher Staatssprache, deutschem Mittelpunkte und deutsch verhandelndem Parlamente!

Nur eine einzige in sich geschlossene große Sprachinsel, in die aber die slavische Fluth bereits Lücken reißt, existirt noch im Südosten Krains: das Gottscheer Ländchen. Wie lange, wenn kein Retter ersteht, wird es dauern, und auch diese Säule „kann stürzen über Nacht“.[1] Was sagt denn nun die Statistik? Die letzte Zählung (December 1880) ergab in Krain unter 477,000 Bewohnern kaum 30,000 Deutsche und im gesammten Küstenlande

  1. Der Retter ist in der That für die Deutschen in Krain erschienen, der österreichische Schulverein, dessen verdienstvolles Wirken hier besonders anerkannt werden muß. Auf der in den Pfingstfeiertagen zu Graz stattgefundenen Hauptversammlung desselben erstattete Dr. Otto Steinwerder aus Kärnten u. A. auch Bericht über den Stand des Deutschthums in Krain. Aus demselben geht hervor, daß in Laibach eifrig für das Deutschthum gewirkt wird. Außer der evangelischen Schule, welche der Schulverein unterstützt, ist dort ohne Zuthun des Letzteren eine deutsche Schule im Entstehen und wird von ihm ein Kindergarten errichtet. Lebhaft betheiligt sich der Schulverein an der Erhaltung der deutschen Sprachinsel Gottschee durch Bücher, Schulrequisiten, Lehrmittel, Gehaltszulagen für Nothlehrer etc. Auch werden die Bau-Unterstützungen fortgesetzt. In diesem Gebiete erhält der Schulverein eine Volksschule in Maierle und eine Schule für Drechslerei und Schnitzerei in Gottschee, um für den mehr und mehr zurückgehenden Hausirhandel dem Ländchen einen Ersatz durch Hausindustrie zu schaffen. Ein Gottscheer, Herr Stampfl in Prag, welcher schon vor zwei Jahren ein Capital von 100,000 Gulden für Söhne seiner Heimath zu Stipendien gewidmet und dadurch den Nachwuchs von deutschen Priestern und Lehrern gesichert hat, hat den Schulverein, durch eine neue Spende von 20,000 Gulden in den Stand gesetzt, besagte Holzindustrieschule in einem eigenen Hause unterzubringem „In der That, wenn wir sagen könnten,“ bemerkte hierzu der Berichterstatter, „wir haben viele solcher Männer wie Stampfl in Oesterreich, so könnten wir zufrieden sein.“ Vielleicht veranlaßt dies hier Gesagte doch die deutschgesinnten Millionäre in Oesterreich, ihren Beutel etwas weiter für den so segensreich wirkenden deutschen Schulverein aufzuthun, der für das laufende Jahr einer Summe von mindestens 300,000 Gulden bedarf.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 462. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_462.jpg&oldid=- (Version vom 11.3.2024)