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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Wohl seiner Kinder, der fange lieber nicht erst mit halben, zaghaften Desinfectionsversuchen an. Wir haben jetzt Stoffe, von denen wir wissen, daß ihre Dämpfe die Krankheitskeime ertödten, oder doch ihre Weiterentwickelung hemmen, freilich unter ihnen so kräftig wirkende, daß der menschliche Organismus ihrer zerstörenden Kraft selbst nicht widerstehen, in ihnen nicht mehr athmen könnte.

Am populärsten und bis zu einer gewissen Stärke für den Menschen unschädlich, nur für die kleinsten Organismen ein Gift, ist, seit Lister’s Untersuchungen, die Carbolsäure. Sie vereinigt den Zweck der Desinfection mit dem der Verdeckung schlechter Gerüche in einer bekanntlich so ausgezeichneten Weise, daß sie nicht nur für den Operateur und Arzt, sondern auch für den Nichtarzt fast unentbehrlich geworden ist. In fünfprocentiger Lösung (die man sich ja bei reichlichem Bedarf aus reiner krystallisirter Carbolsäure selbst herstellen kann) ist sie zum Reinigen von Instrumenten, Geräthen, Geschirren, Möbeln, Kleidern und Wäsche verwendbar, macht die Ausleerungen und Absonderungen unschädlich und erweist sich zum Verbessern der Luft in Krankenzimmern, sowie in den übrigen Wohnräumen als recht geeignet, wenn man den Aufenthalt des kranken Kindes und seiner Umgebung in den betreffenden Räumen nicht gut unterbrechen kann.

Fig. 2.0 a. Handdruck-Zerstäuber nach Richardson und Lister.0 b. Desgleichen mit vierfachem Strahl und beweglichem Rohr.

Schon durch das Sprengen des Fußbodens mit Carbollösung wird dieser Zweck einigermaßen erreicht; noch besser, indem man alte Gardinen, nachdem sie in Kaliseifenlösung (ein Loth reinste, unverfälschte sogenannte „schwarze Schmierseife“ auf zehn Liter warmen Wassers) gut ausgewaschen, dann getrocknet worden sind, an Bindfaden in der Nähe des Krankenbettes aufhängt und diese dann ansprengt, ein Verfahren, welches besonders in ärmeren Familien, die kein Geld zur Anschaffung eines Zerstäubers haben, recht zweckmäßig (zumal bei Keuchhusten) anzuwenden ist.

Die beste Form der Lnftreinigung durch Carbollösung ist, in privaten Verhältnissen, die Zerstäubung. Die kleinen Handzerstäuber (Pulvérisateurs oder Rafraîchisseurs) die man zu Toilettenzwecken hat, sind nicht übel, aber unzureichend, da sie keinen ununterbrochenen, ergiebigen Strahl geben. Besser sind die mit zwei Gummiballons versehenen Apparate (Spray), wie sie seit 1866 Richardson zum Unempfindlichmachen bestimmter Hautgebiete durch Aether zuerst empfahl und Lister in verbesserter Form (anfangs auch als Handgebläse) behufs Herstellung eines antiseptischen Sprühregens angab. (Fig. 2. a.) Solche Zerstäuber mit doppeltem Gummiballon sind überall vorräthig, leicht anwendbar und ganz ungefährlich. Der mit ihnen hergestellte Carbolnebel ist etwas stark abkühlend, weshalb man die Carbollösung zu diesem Zweck erwärmt benutzt.

Ein zur Erzeugung eines besonders ergiebigen Sprühregens geeigneter Apparat ist der große Handzerstäuber mit vier in einem Bleirohr eingeschlossenen, parallel neben einander liegenden Röhrchen. (Fig. 2. b.) Dieser bei Karl Katzenstein (Leipzig) vorräthige Zerstäuber hat noch den Vorzug, daß das vierfache Rohr biegsam ist, seine Strahlenbündel also nach beliebigen Richtungen hinsendet.

Fig. 3.0 a und b. Dampf-Zerstäuber nach Waldenburg u. A., mit Sicherheitsventilen. c. Großer Carbol-Spray. d. Sprühbrunnen nach Heinrici.

Statt des Handdrucks hat man nun, wie bekannt, den Dampf auch für diesen Zweck dienstbar gemacht und das ursprünglich sehr einfache Sigle’sche Kesselchen an den eigentlich für Inhalationen bestimmten Apparaten nach und nach zu immer größerer Vollkommenheit gebracht. Besonders sind es Sicherheitsventile und Erleichterungen in der Füllung, welche den auf gleichem Princip beruhenden kleinen Zerstäuber von Waldenburg (Fig. 3. a.) auszeichnen, während andere (Fig. 3. b.) wieder durch einen Handgriff leichter transportabel sind. Der heiße Dampf verdünnt oberhalb des Röhrchens, das aus dem mit Carbollösung gefüllten Glas emporsteigt, die Luft und saugt die Lösung dadurch empor, sodaß sie, mit dem Dampf fortgerissen, zu einem Carbol-Dampfnebel zerstäubt wird. Mit Vortheil kann man schon solche kleine Apparate zur Luftreinigung benutzen. Besser freilich, und zugleich eleganter, ja eine Zimmerzierde, ist der von Louis Heinrici in Zwickau (Sachsen) hergestellte „Sprühbrunnen“ (Fig. 3. d.), der, nachdem man die Schale mit Carbollösung gefüllt hat, die Luft im Zimmer desinficirt. In größtem Maßstabe wirkt auf gleiche Weise der mehr zu chirurgischen Zwecken dienende „Dampf-Spray“ (Fig. 3. c.), der ein bis zwei Stunden lang nach beliebigen Richtungen mit großer Gewalt eine bedeutende Carbol-Dampfwolke entsendet und jedenfalls die in der Luft schwebenden Krankheitserreger in sehr energischer Weise unschädlich macht. – Außer diesen stillstehenden Dampf-Zerstäubern sind neuerdings noch solche angegeben worden, die von selbst eine drehende Bewegung ausführen und, nach dem Principe der Turbine, die Carbollösung entweder allein (Fig. 4 a), oder gemischt mit Wasserdampf zerstäuben, wie in dem von Dr. Guttmann angegebenen imposanten und prompt arbeitenden „Rotirenden Desinfections-Apparate“ (Fig. 4 b), welcher bei Ed. Meßter in Berlin vorräthig ist. – Neben der Carbolsäure, die meist in flüssigem, wenn auch fein vertheiltem Zustande zur Anwendung gelangt, sind chemische Körper zu nennen, welche durch Entwicklung bacterientödtender Gase eine ganz eminente Desinfectionskraft besitzen. Schon lange ist in dieser Beziehung das Chlor bekannt, welches als Gas den Raum erfüllt, nachdem man in einem flachen Gefäße ein Pfund Chlorkalk mit einem Pfunde Salzsäure übergossen hat. Das sich entwickelnde Chlor, dessen specifischer Geruch gar manchen an einen Todesfall erinnert, wie der nur Wenigen unangenehme des Carbol sofort an ärztliche, speciell chirurgische Thätigkeit, oder an Desinfection gemahnt, tödtet in gehörig geschlossenen Krankenräumen recht gut alle Mikro-Organismen, die etwa in der Luft,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_379.jpg&oldid=- (Version vom 5.6.2021)