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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

der Argonauten, die Alles, was zwischen ihnen schwamm oder flog, unbarmherzig zermalmten. Hier muß auch die Stelle liegen, an welcher einst der Perserkönig Darius mit seinem ungeheueren Heere über den Bosporus zog, um das freie Hellas mit Krieg zu überziehen.

Ausflug nach den süßen Wässern.
Nach einer Originalskizze unseres Specialartisten.

Wahrlich, diese Fahrt durch die berühmte Meerenge ist eine würdige Vorbereitung zum ersten Anblicke Constantinopels, jener Wunderstadt, welche, wie einst vor Jahrhunderten, noch heute das heiß ersehnte Ziel gewaltiger Eroberer bildet.

Am Eingange zum Bosporus erwartete eine kleine Flottille von acht Lloydschiffen das kaiserliche Fahrzeug. Die österreichische Colonie war an Bord und brachte dem Kaisersohne den ersten Willkommensgruß entgegen. Von den Forts und den Strandbatterien längs den beiden Ufern donnerten die Salutschüsse: die Mannschaften traten unter das Gewehr, wenn die Yacht vorüberkam. Immer mehr Schiffe schlossen sich dem Gefolge an; die fremden Kriegsfahrzeuge leisteten in voller Flaggengala die Honneurs, dann kam der österreichische Gesandte in Constantinopel, Baron Calice, an Bord. Man näherte sich der Stadt; jetzt gab das türkische Wachtschiff den Salut ab, und sämmtliche Geschütze aller Forts verkündeten nun dem Großherrn die Ankunft seiner Gäste. Um zehn Uhr hielt die Yacht vor der Marmortreppe von Dolma-Bagdsche an. Die Gäste befanden sich in Constantinopel.

Es kann nicht unsere Absicht sein, dem Leser einen vollständigen Bericht dieser Reise zu bieten, welche zwei Wochen hindurch währte und während welcher die Lustbarkeiten, Ausflüge, Besuche, Festtafeln etc. in rascher Folge und großer Zahl einander ablösten. Vielmehr werden wir bei Einhaltung der chronologischen Ordnung nur die bemerkenswerthesten Momente hervorheben und bei jenen länger verweilen, welche der Stift unseres Zeichners illustrirt hat.

Besonders glänzend war der Empfang, der dem kronprinzlichen Paare bei seiner Ankunft in Stambul bereitet wurde. Die „Miramar“ hielt, wie bereits erwähnt, an dem Quai vor dem kaiserlichen Palast von Dolma-Bagdsche an, das – ehemals eine Lieblingsresidenz der Chalifen – mit großer Pracht und verschwenderischem Reichthume eingerichtet ist. Der gegenwärtige Sultan Abdul-Hamid bewohnte es jedoch nie. Eben dieses prachtvolle Schloß war anfangs dazu ausersehen, den kaiserlichen Gästen als Wohnung zu dienen, der Sultan jedoch bestand darauf, daß dieselben in seiner Residenz Yldiz-Kiosk (Sternpalast) untergebracht würden. Und so geschah es auch.

An der Marmortreppe des Schlosses Dolma-Bagdsche harrten nun der Großvezier Said Pascha, der neuernannte Minister des Aeußeren Assym Pascha, der oberste Ceremonienmeister Munir Bey und zahlreiche Spitzen des Civil- und Militärstaats der Ankunft des kaiserlichen Schiffes. Der Großvezier begab sich zuerst an Bord der „Miramar“ und begrüßte die Gäste Namens seines Herrn. Kronprinz Rudolf und seine Gemahlin bestiegen sodann den Kaïk des Sultans – ein reichvergoldetes Boot, mit zwölf in weißrother Seide gekleideten Ruderern bemannt – und setzten an’s Land, wo ihnen seitens der ausgerückten Ehrencompagnie die Honneurs dargebracht und die Würdenträger vorgestellt wurden. In sechsspänniger Galacarosse, welcher noch viele zweispännige nachfolgten, geschah die Fahrt nach der Residenz des Sultans. Der Weg dahin ist steil, steinig. Auf Befehl des Sultans war in wenigen Tagen eine neue geradlinige Straße gezogen worden. Es verschlug Nichts dabei, daß unzählige Baracken, die Wohnungen armer, genügsamer Leute, ganz oder zum Theil niedergerissen werden mußten: – der Sultan hatte es befohlen, und die Leute duldeten es ohne Murren. Bei der Fahrt des kronprinzlichen Paares that dieser neue Weg seine Schuldigkeit; in Gold gekleidete Lakaien gingen zu Fuß neben den Wägen einher, Hofbeamte schritten ihnen voran. Als der Zug die Ringmauer des Yldiz-Kiosk überschritt, stimmte eine dort aufgestellte Musikcapelle die österreichische Volkshymne an.

Yldiz-Kiosk ist als Residenz des Großherrn ganz jungen Datums und erst von dem gegenwärtigen Sultan zu einer solchen auserkoren worden. Noch unter Abdul-Aziz war es nur ein kleines Häuschen, in welchem der Sultan ausruhte, wenn ihn sein Weg nach Dolma-Bagdsche führte. Nun umfaßt dieser Lustsitz eine Menge Paläste, Casernen, Cypressen- und Lorbeerhaine, von denen aus das Auge eine entzückende Aussicht über den Bosporus, das Marmarameer, Stambul, Scutari und bis zum schneeigen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 354. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_354.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2024)